Getauchte Ware Dieburger Art (Hessen, SMa)
Bei der getauchten Ware Dieburger Art handelt es sich um eine Irdenware, deren Produktionsort man in Südhessen vermutet. Sie ist im hessischen Raum - Töpfereiabfälle sichern eine Herstellung im südhessisschen Dieburg - und im äußersten Nordwesten Südwestdeutschlands bekannt. Typisch ist ein heller Scherben mit brauner Engobe, die bisweilen nur Teile des Gefäßes überzieht. Getauchte Waren werden deshalb auch als teilengobierte Waren bezeichnet, da sie nur unvollständig in die Engobe eingetaucht wurden. Durch das unvollständige Eintauchen der hell gebrannten Gefäße in eine bräunliche Engobe wurden dementsprechend vielfach zweifarbige Erzeugnisse geschaffen.
Das Formenspektrum der im 14. Jahrhundert auftretenden Ware umfaßt vor allem Flüssigkeitsbehälter (Gross 1991, 68f.), darunter Becher und Zylinderhalskrüge. Die getauchte Ware Dieburger Art ist eine Warenart des 14. und 15. Jahrhunderts.
Forschungsgeschichte
Lobbedey, der die getauchte Ware 1968 charakterisierte, erfasste einige Kennzeichen und stellte Überlegungen zur Tradition der Warenart und ihrer möglichen Imitationen an und befand, dass eine Warengruppe, die er zur "Geltonigen, getauchten Irdenware" zählte und die man auf linksrheinisch-pfälzischem Gebiet gefunden hatte, keine Imitation "Rheinischen Steinzeuges" sei. Bei einer Ware, die der auf linksrheinisch-pfälzischem Gebiet gefunden Ware ähnelte, welche in der Umgebung von Speicher bei Trier gefunden worden war, war sich Lobbedey nicht so sicher (Lobbedey 1968, 58-59). Lobbedey bezeichnete die Getauchte Ware Dieburger Art als "Gelbtonige, getauchte Irdenware" (Lobbedey 1968, 58). Der Namensbestandteil "gelbtonig" ist allerdings irreführend, da nicht der Rohstoff von gelber Farbe ist, sondern nur das gebrannte Produkt dem Betrachter gelblich erscheint.
1991 ging Uwe Gross auf die getauchte Ware ein und legte auch eine Fundstellenliste vor. 2012 befasste er sich mit den Funden aus Speicher und verwies auf deren Ähnlichkeiten mit der getauchten Ware aus Südhessen. Die Ware aus dem Trierer Raum darf vermutlich aber nicht als Ausdruck einer expliziten Abhängigkeit, sondern vielmehr als selbstständige Produktionslinie zu in Südhessen gefundenen Erzeugnissen interpretiert werden, welche parallel Verbreitung fanden (vgl. Gross 2012, 418). Ein Derivat des "Rheinischen Steinzeuges" liegt ihm zufolge auch nicht in der Ware aus der Umgebung von Speicher vor, da die für die rheinischen Erzeugnisse so typischen Wellenfüße fehlen (vgl. Gross 2012, 418).
Wintergerst (2002, 104f.) nahm bei der Bearbeitung der Frankfurter Keramikfunde eine Untergliederung der bei ihm als "Engobierte Ware Dieburger Art" bezeichneten Materialgruppe vor, indem er Materialgruppe 23a "außen teilengobierte poröse Ware "Dieburger Art", Materialgruppe 23b "außen vollgobierte poröse Ware "Dieburger Art", Materialgruppe 23c "außen teilengobierte helle Ware "Dieburger Art" und Materialgruppe 23d "außen teilengobierte extrem poröse Ware "Dieburger Art" unterschied.
andere Bezeichnungen
- Dieburger Ware
- getauchte Ware
- "Gelbtonige, getauchte Irdenware" (Lobbedey 1968, 58)
- engobierte Ware Dieburger Art (Wintergerst 2002)
- olivbraune Eschenheimer-Turm-Ware (Stamm)
Charakteristika
Herstellungstechnik
Die getauchte Ware Dieburger Art ist eine echte Drehscheibenware und kann daher Drehriefen auf der gleichmäßigen Gefäßwand, Drehschnecken und Abschneideschlaufen aufweisen (Wintergerst 2002, 87). Die Gefäße sind in der Regel hell gebrannt und gelblich. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sie unter Sauerstoffzufuhr gebrannt wurden. Lobbedey weist darauf hin, dass die Kennzeichen getauchter Ware vor allem Krüge mit einer horizontal gerieften Wandung und einem in vielen Fällen nahezu zylindrischen Hals sowie einer ausgeprägten Fußplatte sind (Lobbedey 1968, 59 und Taf. 69/1-4 ebd.).
Brand/ Farbe
Die Scherben der getauchten Ware vom Heiligenberg bei Heidelberg sind meist von gelblicher Farbe. Auch weisen sie eine Porosität auf (Vgl. Gross 2012).
Magerung/ Oberfläche
Lobbedey bezeichnet getauchte Ware als "kräftig mit mittelfeinem Korn" gemagert und "hart bis sehr hart gebrannt" (Lobbedey 1968, 58). Er weist ebenfalls darauf hin, dass die Engobe "mehr oder minder stark gesintert" sei (Lobbedey 1968, 58-59). Einige Stücke vom Heiligenberg, die eine erhöhte Härte besaßen, eine Verzierung mit dunkelbrauner "Glasur" statt der üblichen braunen Engobe erhalten hatten und im Bruch tendenziell orange anmuteten, beurteilt Gross als vermutliche Fehlbrände engobierter Erzeugnisse (Gross 2012).
Verzierungen
Die durch das Eintauchen erzeugte Zweifarbigkeit ist den betreffenden Gefäßen ein Schmuck. Neben den in eine bräunliche Engobe getauchten hell gebrannten Gefäßen, existiert eine Variante mit rötlicher Engobe. In der Regel ist getauchte Ware Dieburger Art teilengobiert, da man die Gefäße beim Eintauchen am Boden festhielt und saubere Hände behalten wollte. Dennoch gibt es Stücke, die einer Gruppe vollständig überzogener Gefäße zuzuordnen sind (vgl. Wintergerst 2002). Sowohl die Krüge als auch die Becher dieser Warenart können geriefte Ränder aufweisen (Gross 2012, 417).
Varianten
- Variante rötlich engobiert
Vereinzelt treten Scherben bzw. Gefäße zu Tage, die statt einer Verzierung mit bräunlicher Engobe, eine Verzierung mit eher rötlicher Engobe aufweisen wie auf dem Heiligenberg bei Heidelberg. Da in diesem Fall die Scherbenbeschaffenheit der von Scherben bzw. von Gefäßen mit bräunlicher Engobe glich, ist Gross zufolge davon auszugehen, dass es sich nicht um eine verwandte Warenart, sondern um eine Variante der getauchten Ware handelt (Vgl. Gross 2012, 418).
Gefäßformen
Das Spektrum der Gefäßformen der getauchten Ware Dieburger Art vom Heiligenberg bei Heidelberg umfasst hauptsächlich Henkelkrüge und Becher sowie vermutlich auch enghalsige Flaschen. Die Ähnlichkeit der beiden zuerst genannten Gefäßformen bewog Gross für eine kleinformatige Zwischenform, der die Ausgussschnauze fehlt und die aber dennoch einen Henkel besitzt, den Begriff des Henkelbechers zu prägen (Gross 2012, 417). Kurze, geschwungene Ränder sind scheinbar ebenfalls den Kennzeichen der Becher zuzuschlagen (Gross 2012, 418).
Chronologie
Chronologisch bedeutende Referenzkomplexe:
- Heiligenberg bei Heidelberg
- Aschaffenburg (Ermischer zu Schloss Johannisburg)
- Burg Tannenberg an der Bergstraße (Gross 2012): 1399 zerstört
- Eschenheimer Turm in Frankfurt (Gross 2012): 1426 – 1428 erbaut
- Burg Bommersheim (Gross 2012): 1386 zerstört
- Hanau (Gross 2012): Schatzfunde des 15. Jh.: braun engobierter Henkelbecher mit 10 Goldgulden verschiedener mittelrheinisch-hessischer und schwäbischer Prägeorte
Verbreitung
Es kann als sicher gelten, dass eine Produktionsstätte getauchter Waren in Dieburg vorlag, da dort entsprechende Abfallhalden und Töpferöfen entdeckt wurden (Gross 2012, 418). Getauchte Waren dieser Art können aber auch am nördlichen Oberrhein und in Württembergisch-Franken zu Tage treten (Gross 2012, 417). Die Verbreitung der getauchten Ware Dieburger Art reicht im Osten bis in den Spessart. Als Hauptverbreitungsgebiet muss jedoch der Raum zwischen dem Untermain und dem Unteren Neckar gelten. Im Westen stellt der Rhein die Grenze der Verbreitung dieser Dieburger Ware dar, sieht man von den vereinzelten Funden in der Peripherie dieses Raumes ab (Gross 2011). Wintergerst erfasste bei der Untersuchung einer Auswahl des Scherbenmaterials von Ausgrabungen im Frankfurter Altstadtgebiet gleich mehrere Materialgruppen, denen er den Zusatz "Dieburger Art" anhängte, um auf "die Brennatmosphäre, die Zeitstellung und die mögliche Herkunft" zu verweisen, die er zu den Erzeugnissen aus Dieburg zumindest als analog zuordnete (Vgl. Wintergerst 2002, 87, 104 und 110). Der Zusatz "Dieburger Art" stützt sich somit auf eine Ähnlichkeit und zeitliche Parallelität zu Dieburger Erzeugnissen, deren Herkunft als gesichert gilt.
nachgewiesene Produktionsorte
- Dieburg (Prüssing/ Prüssing 1990)
Vorkommen
Fundorte nach Gross 1991, Liste 16:
- Alt-Krautheim: Unpubl.; Dokumentation LDA Bad.-Württ., Abt. Arch. Denkmalpfl., Stuttgart.
- Amlishagen (Burg) bei Gerabronn: Unpubl.; LDA Bad.Württ., Abt. Arch. Denkmalpfl., Stuttgart.
- Aschaffenburg: E. Schneider, Keramik am Untermain. Veröff. Gesch.- u. Kunstver. Aschaffenburg 8, 1964, Abb. 12.
- Dallau: Unpubl.; LDA Bad.-Württ., Abt. Arch. Denkmalpfl., Außenstelle Karlsruhe.
- Darmstadt: Brückner, Gebrauchsgeschirre Taf. 4, 18.
- Dieburg: Brückner, Gebrauchsgeschirre Taf. 4, 19.
- Eberbach (Hinterburg): Kilian, Hinterburg 44 Nr. 31 . 32.
- Eichelscheiderhof: Unpubl.; Mus. Speyer.
- Ettlingen: Hinweis H. Rosmanitz, Karlsruhe.
- Frankfurt am Main: Brückner, Gebrauchsgeschirre Taf. 4, 1.
- Frankfurt-Niederrad: Kluge, Goldstein Taf. 9.
- Hanau: Brückner, Gebrauchsgeschirre 38.
- Heidelberg, Neue Universität (Carroll-Spillecke 1999, Gross 1991, Liste 16).
- Heiligenberg bei Heidelberg: Unpubl.; Inst. f. Ur- u. Frühgesch. d. Ruprecht-Karls-Univ. Heidelberg.
- Heilbronn-Horkheim: Hinweis Ch. Jacob, Heilbronn.
- lppinghausen (Wüstung): Ulrich, lppinghausen Abb. 16, 8.
- Ladenburg: Hinweis B. Heukemes, Heidelberg.
- Leimen, Wüstung Grauenbrunnen: Hinweis L. Hildebrandt,
- Oberroden: Hinweis E. Schallmayer, Karlsruhe.
- Rüdesheim: Brückner, Gebrauchsgeschirre Taf. 4, 3.
- Schönau: Hinweis D . Lutz, Karlsruhe.
- Speyer: Unpubl.; Mus. Speyer.
- Tannenberg (Burg) bei Seeheim-Jugenheim: Brückner, Gebrauchsgeschirre 38.
- Unterregenbach: Unpubl.; Mus. Unterregenbach.
- Weibertreu bei Weinsberg: Koch, Weibertreu Taf. 11.
- Weilerhügel bei Alsbach: Böhme, Weilerhügel Abb. 3, 12.
- Weinheim: Lobbedey 1968, Taf. 69, 1.
- Wiesbaden: Brückner, Gebrauchsgeschirre 38.
- Wiesloch.
- Worms: Unpubl.; Mus. Worms.
- Würzburg: Lobbedey 1968 Taf. 69, 2.
Nachträge
- Dossenheim, Schauenburh (Fundber. Bad.-Württ. 22/2, 1998, 233f.)
- Reilingen, Burg Wersau (Gross 1997)
- Burg Bommersheim (Gross 2012)
- Wieblingen (Stadt Heidelberg) (Fundber. Ba,-Württ 22/2, 1998, 244f.)
Kulturgeschichtliche Einordnung und sozialer Kontext
Die Dieburger Ware findet man vor allem im gehobenen sozialen Kontext (Gross 1999: Weitere Funde aus dem Areal der Burg Wersau S. 211). Bei der getauchten Ware handelt es sich entsprechender Weise um eine qualitativ hochwertige Ware, die mit ihrem Herkunftsort in Dieburg im Herrschaftsgebiet des Bistums Kurmainz lag. Auf diese Tatsache dürfte der Umstand zurückzuführen sein, dass sich Vertreter dieser Warenart kaum im ehemaligen Einflussbereiches der Heidelberger Pfalzgrafen finden lassen, die ihre eigenen Hafner zu stärken suchten (Gross 2009, 168).
Literatur
- Gross 1991: U. Gross. Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und schwäbischer Alb. Bemerkungen zur räumlichen Entwicklung und zeitlichen Gliederung. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 12 (Stuttgart 1991).
- Gross 1997: U. Gross, Die Keramikfunde aus der Burg Wersau. Der Kraichgau 15, 1997, 137–150. - doi:10.11588/artdok.00002076
- Gross 2012: U. Gross, Die mittelalterliche und neuzeitlichen Keramik-, Metall- und Beinfunde. In: P. Marzolff/ F. Klein/ U. Gross, Forschungen zum Heiligenberg bei Heidelberg: Forschungsgeschichte, Fundmaterial, Restaurierung. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 32 (Stuttgart 2012) 393-563.
- Lobbedey 1968: U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich in Südwestdeutschland. Arb. Frühmittelalterforsch. 3 (Berlin 1968).
- Prüssing/Prüssing 1990: G. Prüssing/P. Prüssing, Ein spätmittelalterlicher Töpfereibezirk in Dieburg, Kreis Darmstadt-Dieburg Erste Ergebnisse einer Ausgrabung in der ehemaligen Vorstadt Minnefeld, Fuchsberg 12-16, im Jahre 1986. Arch. Denkm. Hessen 89 (Wiesbaden 1990).
- Wintergerst 2002: M. Wintergerst, Hoch- und spätmittelalterliche Keramik aus der Altstadt Frankfurt am Main. Schriften des Archäologischen Museums Frankfurt am Main 18 (Frankfurt a. M. 2002).