Nachgedrehte Ware (Bodenseeraum/ Hegau, HMa): Unterschied zwischen den Versionen

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2. gröber gemagert, körniger Oberfläche, härter gebrannt.
 
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Version vom 22. August 2022, 12:15 Uhr

Für die hochmittelalterliche Keramik des Hegau und des westlichen Bodenseeraums mit Konstanz und Schaffhausen ist eine überwiegend reduzierend, letztlich aber uneinheitlich gebrannte nachgedrehte Irdenware charakteristisch.

Forschungsgeschichte

Als 1948 Funde der nachgedrehten Ware in der Dorfstraße in Osterfingen gefunden wurden, war W.U. Guyan noch nicht in der Lage, die Funde richtig einzuordnen (Guyan 1950, 203ff.). Er differenzierte in dem kleinen Fundkomplex hellfarbiges und grauschwarzes Geschirr sowie drei verschiedene Randformen nämlich "1. mit außen schräg abgedrehtem Rand, 2. mit waagrechtem Rand und 3. mit weichen Lippen" (Guyan 1950, 204f.), letztere eine typische Form der regionalen nachgedrehten Ware, während die anderen der älteren gelben Drehscheibenware des Typs Kirchhausen oder der sandigen Drehscheibenware zuzurechnen sind. In der Folgezeit gab es viele weitere Funde, etwa aus Arbon (Scholkmann 1992), aus der Wüstung Berslingen bei Schaffhausen (Schnyder 1991) oder aus Hilzingen-Weiterdingen (Aufdermauer 1991). Besser fassbar wurde die Gruppe erst mit der genauen Vorlage der Berslinger Funde (Zubler 2000) sowie der Aufarbeitung der Grabungen an der Konstanzer Marktstätte (Ade 2018).

Charakteristika

  • verdickte ausgebogene Ränder
  • reduzierender, oft uneinheitlicher Brand
  • Wellenlinienverzierung

Varianten

In Konstanz, Marktstätte konnten zwei Varianten unterschieden werden: 1. mit feinsandig-kreidiger Oberfläche, kleinere Magerungsbestandteile, darunter Goldglimmer, mäßig hart gebrannt 2. gröber gemagert, körniger Oberfläche, härter gebrannt. Letztere Variante ist in Konstanz die seltener auftretende (Ade 2018, 273).

In Arbon ist die dortige nachgedrehte ware überwiegend oxidierend gebrannt mit einer dominierend rötlichen bis hellbraunen Farbe, wobei auch hier wechselnde Farben insbesondere zwischen dem häufig grauen Kern und der Außenhaut auf eine umgleichmäßige Lufzufuhr beim Brand verweisen (Scholkmann 1992, 129).

Nachgedrehte Ware aus Hilzingen-Weiterdingen (nach Aufdermauer 1992).

Gefäßformen

Es dominieren gedrungene Töpfe mit ausgebogenem Rand. Sie sind weitgehend ohne Henkel oder Tüllen. Neben einfachen ausgeschwungenen Rändern sind umgelegte und knollig verdickte Ränder vertreten. Teilweise zeigen sich Parallelen zu den typischen kragenrändern der Albware.

Chronologie

Für die chronologische Einordnung ist neben der Stratigraphie vom Konstanzer Markt das Münzschatzgefäß von Steckborn von Bedeutung, dessen Münzserie eine Deponierung gegen 1160 aufweist. Die Datierung umfasst vor allem das 11./12. Jahrhundert, frühere Anfänge, wie jüngere Ausläufer sind möglich und anzunehmen.

Bei der Vorlage der Funde aus Arbon hat B. Scholkmann auf chronologiche Verschiebungen zwischen den Datierungsansätzen aus der Nordschweiz und aus Südwestdeutschland verwiesen (Scholkmann 1992, 131).


kulturgeschichtliche Einordnung und sozialer Kontext

In Arbon wurde neben der nachgedrehten Vaiante auch eine etwas härter gebrannte, scheibengedrehte Variante beschrieben (Scholkmann 1992). Die nachgedrehte Ware reicht bis zum Übergang zur jüngeren Drehscheibenware.

Literaturhinweise

  • Ade 2018: D. Ade, Die hoch- und spätmittelalterlichen Funde von der Konstanzer Marktstätte. In: M. Dumitrache (Hrsg.), Die Konstanzer Marktstätte im Mittelalter und in der Neuzeit. Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg 5 (Wiesbaden 2018) 269–384.
  • Ade-Rademacher 1993: D. Ade-Rademacher, Die mittelalterlichen und neuzeitlichen Befunde und Funde der Veitsburg. In: D. Ade-Rademacher/R. Rademacher (Hrsg.), Der Veitsberg bei Ravensburg. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Baden-Württemberg 16 (Stuttgart 1993) 58-136.
  • Aufdermauer 1992: J. Aufdermauer, Ein mittelalterlicher Keller mit Spuren eines Webstuhls aus Hilzingen-Weiterdingen, Kreis Konstanz. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1992, 267–271.
  • Bosch u. a. 2020: S. Bosch/S. Krump/J. Hald u. a., Mittelalterliche Siedlungsspuren in Liggeringen. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2020, 257–260.
  • Guyan 1950: W. U. Guyan, Die frühmittelalterliche Siedlung von Osterfingen (Kt. Schaffhausen). Zeitschr. Schweizer Arch. u. Kunstgesch. 11, 1950, 193–215.
  • Homberger/Zubler 2010: V. Homberger/K. Zubler (Hrsg.), Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik der Region Schaffhausen. Typologie, Seriation und Materialvorlage. Beiträge zur Schaffhauser Archäologie 3 (Schaffhausen 2010).
  • Schnyder 1991: R. Schnyder, Zum Fundgut aus Berslingen. Zeitschr. Schweizer Arch. u. Kunstgesch. 48, 1991, 281–291.
  • Scholkmann 1992: B. Scholkmann,Mittelalterliche Keramikfunde aus den Grabungen 1958-1962. In: Arbon - Arbor Felix. Archäologie im Thurgau 1 (Frauenfeld 1992) 129-136.
  • Zubler 2000: K. Zubler, Wiedererstandenes Leben im Mittelalterdorf Berslingen - Das Fundmaterial. In: K. Bänteli/M. Höneisen/K. Zubler (Hrsg.), Berslingen - ein verschwundenes Dorf bei Schaffhausen. Mittelalterliche Besiedlung und Eisenverhüttung im Durachtal. Schaffhauser Archäologie 3 (Schaffhausen 2000) 83–159.