Wüstung Berslingen bei Schaffhausen: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Entwicklung umfasst den Zeitraum vom 6. bis zum 12. Jahrhundert. Sie beginnt im Norden nahe der späteren Kirche und greift schließlich nach Süden aus. Die Phase 2 wird von parallel stehenden, mit der Giebelseite zu einer alten Straße orientierten Gebäuden geprägt. Phase 2 bedeutet einen ersten Ausbau der Siedlung und fällt wahrscheinlich mit der Errichtung der Kirche zusammen. Diese Struktur löst sich in Phase 3 auf, als auch rückwärtige Areale bebaut und querstehende Gebäude errichtet wurden. Seit der späten Phase 3b – etwa Mitte des 10. bis Mitte des 11. Jahrhunderts – ist möglicherweise ein erstes Ausdünnen der Siedlung zu erkennen. Phase 4 und 5 bestehen jeweils nur noch aus wenigen isoliert stehenden, nun mehrschiffigen Gebäuden. Grubenhäuser sind in Phase 4 und 5 kaum mehr nachgewiesen. In den schriftlichen Quellen belegte Höfe aus dem 13. bis 15. Jahrhundert wurden archäologisch nicht erfasst (Schreg 2006, 200ff.).
 
Die Entwicklung umfasst den Zeitraum vom 6. bis zum 12. Jahrhundert. Sie beginnt im Norden nahe der späteren Kirche und greift schließlich nach Süden aus. Die Phase 2 wird von parallel stehenden, mit der Giebelseite zu einer alten Straße orientierten Gebäuden geprägt. Phase 2 bedeutet einen ersten Ausbau der Siedlung und fällt wahrscheinlich mit der Errichtung der Kirche zusammen. Diese Struktur löst sich in Phase 3 auf, als auch rückwärtige Areale bebaut und querstehende Gebäude errichtet wurden. Seit der späten Phase 3b – etwa Mitte des 10. bis Mitte des 11. Jahrhunderts – ist möglicherweise ein erstes Ausdünnen der Siedlung zu erkennen. Phase 4 und 5 bestehen jeweils nur noch aus wenigen isoliert stehenden, nun mehrschiffigen Gebäuden. Grubenhäuser sind in Phase 4 und 5 kaum mehr nachgewiesen. In den schriftlichen Quellen belegte Höfe aus dem 13. bis 15. Jahrhundert wurden archäologisch nicht erfasst (Schreg 2006, 200ff.).
 
==Keramikfunde==
 
==Keramikfunde==
Bei der Bearbeitung der Keramik wurden zunächst 10 Magerungsgruppen differenziert, wozu exemplarisch Scherben aus Berslingen und benchbarten Fundstellen (u.a. {{Schleitheim, Brühl]], [[Osterfingen]] und [[Breisach-Hochstetten, Klosteräcker]]) petrographisch untersucht wurden (Zubler 2000, Abb. 64).
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Bei der Bearbeitung der Keramik wurden zunächst 10 Magerungsgruppen differenziert, wozu exemplarisch Scherben aus Berslingen und benchbarten Fundstellen (u.a. {{Schleitheim, Brüel]], [[Osterfingen]] und [[Breisach-Hochstetten, Klosteräcker]]) petrographisch untersucht wurden (Zubler 2000, Abb. 64).
 
Noch vor einer Behandlung der formalen Aspekte setzte Zubler die Materialgruppen mit den aus der Literatur bekannten Warenarten in Bezug.
 
Noch vor einer Behandlung der formalen Aspekte setzte Zubler die Materialgruppen mit den aus der Literatur bekannten Warenarten in Bezug.
   
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**handgemachte Grobware (Magerungsgruppe A) - Phase 1
 
**handgemachte Grobware (Magerungsgruppe A) - Phase 1
 
**rauwandige Drehscheibenware (Magerungsgruppen A, B1 und B2) - Phase 2
 
**rauwandige Drehscheibenware (Magerungsgruppen A, B1 und B2) - Phase 2
*nachgedrehte Waren (Magerungsgruppen C1, C2, D1.3) mit einem breiten herstellungstechnischen Spektrum, das auch rein handgemachte Ware nicht ausschliwßt.
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*nachgedrehte Waren (Magerungsgruppen C1, C2, D1.3) mit einem breiten herstellungstechnischen Spektrum, das auch rein handgemachte Ware nicht ausschließt.
 
**kalkgemagerte nachgedrehte Ware (Materialgruppen C1 und c2) - Phase 3
 
**kalkgemagerte nachgedrehte Ware (Materialgruppen C1 und c2) - Phase 3
 
**feine nachgedrehte Ware (Materialgruppe D1-3) - Phase 4/5
 
**feine nachgedrehte Ware (Materialgruppe D1-3) - Phase 4/5

Version vom 15. Juli 2023, 13:17 Uhr

Die Wüstung Berslingen nördlich von Schaffhausen wurde in den Jahren 1968–1970 und 1984 ausgegraben.


Lage

Berslingen liegt im Durachtal ca. 3 km nördlich von Schaffhausen.

Forschungsgeschichte

Die Grabungen von 1965-70 und 1984 unter der Leitung von Walter Guyan erfassten etwa 9000 m² und deckten neben der Kirche und dem zugehörigen Friedhof zwei Verhüttungsplätze auf. Erst 1991 erschien ein Vorbericht (Guyan 1991; Sage 1991; Schnyder 1991). Im Jahr 2000 wurden die Ausgrabungen monographisch publiziert )Bänteli u. a. 2000), wobei Kurt Zubler die Keramik bearbeitet hat (Zubler 2000).

Befundsituation

Im Bereich der Siedlung war keine alte Oberfläche mehr vorhanden, die eingetieften Befunde zeichneten sich unter dem Ackerhorizont im anstehenden Kies ab. Lediglich im Inneren der Steinkirche waren Reste einer Kulturschicht erhalten. Die Bebauung der Siedlung wird durch Pfostenbauten und Grubenhäuser gekennzeichnet. Insgesamt wurden 38 Grubenhäuser und 46 Pfostenbauten sowie einige Zaunfluchten erfasst. Dabei wurde etwa die Hälfte der angetroffenen Pfostenlöcher einzelnen Bauten zugewiesen. Bei diesen Pfostenbauten handelt es sich um zwei- sowie vier- bis sechsschiffige Gebäude. Am Nordrand der Siedlung lag eine steinerne Rechteckkirche, die erst einer fortgeschrittenen Siedlungsphase angehört. Sie datiert wohl ins 8. oder 9. Jahrhundert. Um die Kirche erstreckt sich der Friedhof. Eine Friedhofsmauer oder -begrenzung zur Siedlung wurde nicht erfasst, könnte aber unbeobachtet unter der Schlackenhalde eines Verhüttungsplatzes liegen.

Die Entwicklung umfasst den Zeitraum vom 6. bis zum 12. Jahrhundert. Sie beginnt im Norden nahe der späteren Kirche und greift schließlich nach Süden aus. Die Phase 2 wird von parallel stehenden, mit der Giebelseite zu einer alten Straße orientierten Gebäuden geprägt. Phase 2 bedeutet einen ersten Ausbau der Siedlung und fällt wahrscheinlich mit der Errichtung der Kirche zusammen. Diese Struktur löst sich in Phase 3 auf, als auch rückwärtige Areale bebaut und querstehende Gebäude errichtet wurden. Seit der späten Phase 3b – etwa Mitte des 10. bis Mitte des 11. Jahrhunderts – ist möglicherweise ein erstes Ausdünnen der Siedlung zu erkennen. Phase 4 und 5 bestehen jeweils nur noch aus wenigen isoliert stehenden, nun mehrschiffigen Gebäuden. Grubenhäuser sind in Phase 4 und 5 kaum mehr nachgewiesen. In den schriftlichen Quellen belegte Höfe aus dem 13. bis 15. Jahrhundert wurden archäologisch nicht erfasst (Schreg 2006, 200ff.).

Keramikfunde

Bei der Bearbeitung der Keramik wurden zunächst 10 Magerungsgruppen differenziert, wozu exemplarisch Scherben aus Berslingen und benchbarten Fundstellen (u.a. {{Schleitheim, Brüel]], Osterfingen und Breisach-Hochstetten, Klosteräcker) petrographisch untersucht wurden (Zubler 2000, Abb. 64). Noch vor einer Behandlung der formalen Aspekte setzte Zubler die Materialgruppen mit den aus der Literatur bekannten Warenarten in Bezug.

  • rau- und dickwandige Ware. - Nur teilweise lässt sich die Herstellungstechnik erkennen und damit differenzieren:
    • handgemachte Grobware (Magerungsgruppe A) - Phase 1
    • rauwandige Drehscheibenware (Magerungsgruppen A, B1 und B2) - Phase 2
  • nachgedrehte Waren (Magerungsgruppen C1, C2, D1.3) mit einem breiten herstellungstechnischen Spektrum, das auch rein handgemachte Ware nicht ausschließt.
    • kalkgemagerte nachgedrehte Ware (Materialgruppen C1 und c2) - Phase 3
    • feine nachgedrehte Ware (Materialgruppe D1-3) - Phase 4/5
    • orange-grau-orange gebänderte Schüsselware mit Schüsseln und (Tüllen-)Pfännchen, nach Zubler vergleichbar mit Warengruppe 1 ([[Kammstrichware/ gröbere nachgedrehte Ware aus Ravensburg, Veitsburg
  • Karbonatitware/ Kalkgemagerte überdrehte Keramik (Oberrhein, FMa/ HMa) Magerungsgruppe F)
  • Ältere gelbe Drehscheibenware (Südwestdeutschland, FMa/HMa) (Gross 2009) - Phase 2

Die Keramikfunde aus Berslingen waren eine wichtige Grundlage der Schaffhauser Typologie.

Chronologie

Anhand der Fundvergesellschaftung in den Befunden wurden die Magerungsgruppen in eine relativchronologische Abfolge gebracht (Zubler 2000, 89ff.). Mit 14C- und Dendrodaten wurden schließlich 5 absolutchronologische Phasen unterschieden.

  • Phase 1: Ende 6. - 1. H. 7. Jh.
  • Phase 2a: Anf. 7. - Mitte 7. Jh.
  • Phase 2b: Anf. 8. - Mitte 9. Jh.
  • Phase 3a: Anf. 9. - Ende 10. Jh.
  • Phase 3b: Mitte 10. - Mitte 11. Jh.
  • Phase 4: 2. V. 11. - Mitte 12. Jh.
  • Phase 5: 12. Jh.

Verbleib der Funde

Literatur zur Fundstelle:

  • Bänteli 2000: K. Bänteli, Berslingen – verschwunden und wiederentdeckt: Braune Flecken als letzte Zeugen. In: K. Bänteli/M. Höneisen/K. Zubler (Hrsg.),Berslingen - ein verschwundenes Dorf bei Schaffhausen. Mittelalterliche Besiedlung und Eisenverhüttung im Durachtal. Schaffhauser Archäologie 3 (Schaffhausen 2000) 53–82.
  • Bänteli u. a. 2000: K. Bänteli/M. Höneisen/K. Zubler (Hrsg.), Berslingen - ein verschwundenes Dorf bei Schaffhausen. Mittelalterliche Besiedlung und Eisenverhüttung im Durachtal. Schaffhauser Archäologie 3 (Schaffhausen 2000).
  • Châtelet 2002: M. Châtelet, Eine bisher wenig betrachtete Warengruppe: die kalkgemagerte Keramik des Breisgaus. In: C. Bücker/M. Hoeper/J. Trumm (Hrsg.),Regio archaeologica: Archäologie und Geschichte an Ober- und Hochrhein. Festschrift für Gerhard Fingerlin zum 65. Geburtstag. Internationale Archäologie. Studia honoraria 18 (Rahden/Westf. 2002) 269–276.
  • Gross 2009: U. Gross, Drehscheibenware des frühen und hohen Mittelalters in Ulm. In: U. Gross/A. Kottmann/J. Scheschkewitz (Hrsg.),Frühe Städte – Frühe Pfalzen. Neue Forschungen zu zentralen Orten des Früh- und Hochmittelalters in Süddeutschland und der Nordschweiz. Ergebnisse eines Kolloquiums am 28. und 29. April 2009 im Rathaus zu Ulm. Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg 58 (Stuttgart 2009) 51–58.
  • Guyan 1991: W. U. Guyan, Das Mittelalterdorf Berslingen bei Schaffhausen. Ausgrabungen 1968-1970. Zeitschr. Schweizer Arch. u. Kunstgesch. 48, 1991, 193–234.
  • Homberger/ Zubler 2010: V. Homberger/ K. Zubler, Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik der Region Schaffhausen. Typologie, Seriation und Materialvorlage. Beiträge zur Schaffhauser Archäologie 3 (Schaffhausen 2010). - ISBN 978-3-9521868-7 - online: https://issuu.com/ksd2/docs/shb3_leseprobe
  • Sage 1991: W. Sage, Zur Kirche des abgegangenen Dorfes Berslingen. Zeitschr. Schweizer Arch. u. Kunstgesch. 48, 1991, 235–241.
  • Schnyder 1991: R. Schnyder, Zum Fundgut aus Berslingen. Zeitschr. Schweizer Arch. u. Kunstgesch. 48, 1991, 281–291.
  • Schreg 2006: R. Schreg, Dorfgenese in Südwestdeutschland. Das Renninger Becken im Mittelalter. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 76 (Stuttgart 2006). bes. S. 200-202
  • Zubler 2000: K. Zubler, Wiedererstandenes Leben im Mittelalterdorf Berslingen - Das Fundmaterial. In: K. Bänteli/M. Höneisen/K. Zubler (Hrsg.),Berslingen - ein verschwundenes Dorf bei Schaffhausen. Mittelalterliche Besiedlung und Eisenverhüttung im Durachtal. Schaffhauser Archäologie 3 (Schaffhausen 2000) 83–159.