Ältere graue Drehscheibenware (Kraichgau/ Oberrhein, HMa)

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Ältere graue Drehscheibenware: 1-2 Speyer, 3 Heilbronn-Böckingen (Doppelhenkelkanne), 4-7 Stetten a.H. (4: Flasche), 8-11 Hirsau.

Die durch zylindrische, gerippte (geriefte) Hälse und einen horizontal abgestrichenen Rand (Typ Stetten) gekennzeichnete, meist dunkelgraue, meist mittelgrob gemagerte Warenart ist vor allem im nördlichen Neckarland bis in den Speyrer Raum verbreitet. Sie datiert ins 11. bis 12. Jahrhundert, ihre Anfänge scheinen allerdings weiter zurück zu reichen, da sich teilweise Formen und Verzierungen finden, die noch mit der Frühphase der älteren gelben Drehscheibenware vergleichbar sind.


Forschungsgeschichte

Funde der grauen Oberrheinischen Drehscheibenware wurden bereits in den 1960er Jahre von Uwe Lobbedey beschrieben. Damals hat Robert Koch aus dem Rau Heilbronn einige Funde vorgelegt und dabei auch den Typ Stetten definiert. Seitdem sind bei einigen Fundpublikationen weitere wichtige Beobachtungen gemacht worden, beispielsweise in Vaihingen/Enz, Ladenburg und Speyer. Eine Synthese des Forschungsstands zu Beginn der 1990er Jahre hat Uwe Gross geliefert. Anläßlich der Bearbeitung der Funde aus Renningen entstand eine neue Zusammenschau der Ware (Schreg 2006, 126ff.). Hier ist die Ware als Gruppe 8 der Keramikfunde von Renningen geführt.

andere Bezeichnungen

  • geriefte graue Drehscheibenware
  • graue oberrheinische Drehscheibenware
  • graue geriefte oberrheinische Drehscheibenware

Der von U. Lobbedey verwendete Begriff der grauen gerieften oberrheinischen Drehscheibenware ist heute außer Gebrauch, da Riefung auch bei der klassischen jüngeren Drehscheibenware geläufig ist (Koch 1967; Koch 1970; Gross 1991,49 ff.) und umgekehrt bei der älteren grauen Drehscheibenware die Riefung nicht zwingend vorhanden ist. Der in der französischen Forschung gebräuchliche Begriff der 'céramique grise cannelée' umfaßt somit auch weite Teile der jüngeren Drehscheibenware, für die im unteren Neckarland und am nördlichen Oberrhein auch später eine Riefung der Wandung charakteristisch ist (Henigfeld 1997). Lobbedey hatte die ältere graue Drehscheibenware in den Kontext der jüngeren Drehscheibenware gestellt. Die heutige Bezeichnung als ältere graue Drehscheibenware ist relativ zu den spätmittelalterlichen jüngeren Drehscheibenwaren zu sehen, ob Lobbedeys Konzept der älteren Drehscheibenware bei der Umbenennung eine Rolle spielte, ist forschungsgeschichtlich noch zu klären.

Charakteristika

Herstellungstechnik

Drehscheibenware

Brand/ Farbe

oftmals spöde bzw. weich, dunkelgrau bis schwarz, selten fast hellgrau

Magerung

mittel bis mittelgrob Ansatzweise ist eine feiner und einer gröber gemagerte Variante zu differenzieren.

Oberflächenbeschaffenheit

sandig

Verzierungen

An Verzierungen treten vereinzelt Rollstempel mit einfachen Rechtecken auf. Eine Ausnahme bilden Funde aus einem Brunnen der Wüstung Muffenheim bei Rastatt, wo in der Verfüllung eines 2001 entdeckten Brunnens Scherben einer (?) Doppelhenkelkanne aus feinem grauem Ton gefunden wurden, die mit einem Rollstempel aus liegenden, ineinandergreifenden „S”-förmigen Elementen verziert sind, die als das Muster des laufenden Hundes ergeben. Solche Verzierungen sind ansonsten von der organgen Straßburger Drehscheibenware bekannt.

Varianten

Orangefarbene Straßburger Ware, Straßburg.

Eng verwandt ist die orangefarbene Straßburger Ware, die sich im Oberrheintal südlich von Straßburg findet. Charakteristisch ist hier die Stempelverzierung mit 'laufendem Hund'. Im Raum Mannheim tritt als Variante die Ältere braune Drehscheibenware (Neckarmündungsgebiet, HMa) auf (Gross 2012).


Gefäßformen

Überwiegend nur Töpfe. Die bauchigen Gefäße besitzen Linsen- oder Standböden.

Randformen

Typisch sind Wulstränder mit einem zylinderförmigen gerieften Hals, die R. Koch (1967) anhand von Funden aus Stetten am Heuchelberg umschrieben hatte und die demnach in der Literatur bisweilen als Typ Stetten bezeichnet werden. Unverdickte Schrägränder und Ränder mit schmalem unprofiliertem Hals vertreten eine frühere Ausprägungen; weit ausgezogene, leistenartige Randbildungen, wie sie in dem im späten 12. Jahrhundert verfüllten Schacht in Hirsau finden eine späte Form (Grass 1991a, 139 ff.). Hier findet sich dann auch eine Riefung, wie sie für die spätmittelalterlichen Drehscheibenware typisch wird.

  • Typ Stetten: zylindrisch, gerippter (gerieftre) Hals mit horizontal abgestrichenem Rand
  • ausgebogene Ränder
    • leicht ausgebogener, oben abgeplatteter Rand ohne ausgeprägte Randverdickung und ohne deutliche Halsbildung
    • deutlich ausgeprägter zylindrischer Hals, aber nur eine leichte wulstartige Randlippe
  • horizontal abgestrichener steiler Rand über ungerieftem Hals
  • keulenartig verdickter Rand

Chronologie

Die ältere graue Drehscheibenware datiert überwiegend ins 11./12. Jahrhundert. Die Anfänge sind noch unklar. Mit den ausgebogenen Rändern sind also wohl Vorläufer des Typs Stetten zu fassen. Gross hatte schon vor Jahren aufgrund von Formentsprechungen zur älteren gelben Drehscheibenware und jüngst durch die Fundkombination von Rändern der Form 40 mit dem Typ Runder Berg in einer Grube der Wüstung Böllingen bei Heilbronn einen Beginn noch vor der Jahrtausendwende postuliert. Auch der horizontal abgestrichene steile Rand über einem ungerieftem Hals dürfte in die Frühzeit gehören, tritt er doch ab dem 9. Jahrhundert auch bei der älteren gelben Drehscheibenware auf.

Funde vom Typ Stetten liegen aus Jagstfeld und Stetten a. H. vor, wo sie jeweils mit älterer gelber Drehscheibenware des Typs Jagstfeld kombiniert waren. Zur Festlegung des zeitlichen Endes der älteren grauen Drehscheibenware argumentiert Gross mit ihrem Fehlen in den ältesten Befunden in Stammheim und Eschelbronn, die jeweils in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datieren. In Vaihingen/Enz und Durlach ist ältere graue Drehscheibenware in Schichten der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durchaus noch in größerer Zahl vorhanden, wobei eine Verlagerung aus älterem Kontext fraglich bleibt. Man wird wohl mit einem Fortdauern der älteren grauen Drehscheibenware bis ins späte 13. Jahrhundert rechnen müssen.

Verbreitung

Das Hauptverbreitungsgebiet liegt im Kraichgau,wo es sich an den meisten Fundplätzen um die dominierende Warenart handelt, In Renningen scheint es sich u Importmaterial zu handeln.

Herstellungsbelege

Kulturgeschichtliche Einordnung und sozialer Kontext

wichtige Fundkomplexe

Literaturhinweise

  • Gross 1991:U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und Schwäbischer Alb. Bemerkungen zur räumlichen Entwicklung und zeitlichen Gliederung. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 12 (Stuttgart 1991).
  • Gross 1991a: U. Gross, Die Keramik-, Bein- und Metallfunde in dem gemauerten Schacht bei St. Peter und Paul. In: ,Hirsau St. Peter und Paul 1091-1991. Zur Archäologie und Kunstgeschichte. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 10,1 (Stuttgart 1991) 139–178.
  • Gross 2003: U. Gross, Funde bislang unbekannter hochmittelalterlicher rollstempelverzierter Keramik aus der Wüstung Muffenheim, Gemarkungen Ottersdorf und Plittersdorf, Stadt Rastatt. Archäologische Nachrichten aus Baden 67, 2003, 30-36 - https://www.doi.org/10.11588/artdok.00000685
  • Gross 2012: U. Gross, Die mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramikfunde. In: Ein Beitrag zur Archäologie des ländlichen Raumes im Rhein-Neckar-Kreis. Untersuchungen eines Gehöfts in Neckarhausen (Hauptstraße 379). Bausteine zur Ortsgeschichte Edingen-Neckarhausen (Edingen-Neckarhausen 2012) 161–188.
  • Henigfeld 1997: Y. Henigfeld, La céramique grise 'cannelée' dans la vallée du Rhin superieur (XIe - XVIe s.). État de la question. Arch. médievale 26, 1997, 109-144.
  • Koch 1967: R. Koch, Frühmittelalterliche Keramik aus Esslingen-Sirnau, Heilbronn-Böckingen und Stetten am Heuchelberg. Fundber. Schwaben N.F. 18/I, 1967, 264.279.
  • Koch 1970: R. Koch, Eine mittelalterliche Keramikgruppe aus dem Kraichgau. Der Kraichgau 2, 1970, 168-173.
  • Lobbedey 1968: U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich in Südwestdeutschland. Arb. Frühmittelalterforsch. 3 (Berlin 1968).
  • Lutz 1977: D. Lutz, Die Untersuchungen auf dem Turmberg bei Karlsruhe-Durlach. In: ,Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 173–207.
  • Schäfer/Gross 1983: H. Schäfer/U. Gross, Die ehemalige Peterskirche in Vaihingen/ Enz. In: ,Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 8 (Tübingen 1983) 5–56.
  • Schallmeyer/Gross 1983: E. Schallmeyer/U. Gross, Die mittelalterlichen und neuzeitlichen Befunde und Funde der Grabungen auf dem Gelände des Domhofes in Ladenburg, Rhein-Neckar-Kreis, 1980 und 1981. In: ,Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 8 (Tübingen 1983) 79–138.
  • Schneid 1988: I. Schneid, Früh- und hochmittelalterliche Keramik aus Ladenburg a.N., Rhein-Neckar-Kreis. Das Material der Grabungen an der Realschulstraße und am Kellereiplatz (Würzburg 1988).
  • Schreg 2006: R. Schreg, Dorfgenese in Südwestdeutschland. Das Renninger Becken im Mittelalter. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 76 (Stuttgart 2006).