Ältere gelbe Drehscheibenware (Südwestdeutschland, FMa/HMa)

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Bei der älteren gelben Drehscheibenware handelt es sich um eine bedeutende Warenart des Früh- und Hochmittelalters aus Südwestdeutschland. Sie lässt sich in verschiedene Varianten und Typen untergliedern, die eine Entwicklung von der Merowingerzeit bis ins 12. Jahrhunder erkennen lassen.


Forschungsgeschichte

Die Verbreitung dieser Ware umfaßt fast ganz Südwestdeutschland, weshalb der ursprünglich von U. Lobbedey (1968) geprägte Begriff der 'gelben oberrheinischen Drehscheibenware' zugunsten der auf B. Scholkmann (1978) zurückgehenden Bezeichnung als 'ältere, gelbtonige Drehscheibenware' aufgegeben wurde. Die Bezeichnung "gelbtonig" ist korrekterweise zu "gelb" zu ändern.

andere Bezeichnungen

  • gelbe oberrheinische Drehscheibenware
  • ältere gelbtonige Drehscheibenware
  • rauhwandige gelb-graue Ware als Gruppe 13 der Funde vom Runden Berg (Kaschau 1976)
  • Céramique à pâte claire

Charakteristika

Brand/ Farbe

Die Scherben der älteren gelben Drehscheibenware sind im allgemeinen hell oxydierend gebrannt und weisen gelblich bis orange, gelegentlich aber auch hellgraue Farbtöne auf, der Kern des Scherbens ist oft grau. Die ältere gelbe Drehscheibenware weist in der Regel einen hart gebrannten Scherben auf.

Magerung

Die Magerung besteht vorrangig aus Quarzsand, der teils grob, teils aber auch von mittlerer Größe sein kann.

Oberflächenbeschaffenheit

Die Oberfläche ist rauh bis sandig.

Verzierungen

In der Frühphase treten eine horizontale Riefung der Wandung sowie eine Rollstempelverzierung auf (Typ Kirchhausen).

In der Phase des 'Typs 'Runder Berg" sind die Gefäße i.R. unverziert.

Bei Gefäßen des 'Typs Jagstfeld' treten Wellenlinienverzierungen auf. Der 2013 entdeckte Fundkomplex aus dem Ofen von Holzgerlingen weist neben den Wellenlinien horizontale Reihen kleiner Kerben auf. Solche Kerbreihen kannt man gelegentlich vom Randabschluß von Rändern des Typs Jagstfeld.

Varianten

Beim heutigen Forschungsstand lassen sich einige regionale und chronologische Gruppen der 'älteren, gelben Drehscheibenware' unterscheiden, die zum Teil Verbindungen zur rheinischen Pingsdorfer Ware und fließende Ubergänge zu den hoch- und spätmittelalterlichen rotbemalten Waren erkennen lassen.

Verschiedentlich konnten aufgrund der Scherbenbeschaffenheit weitere Varianten unterschieden werden. Teilweise werden sie als 'Nachahmungen' aufgefaßt. Im Raum Ulm etwa können mindestens zwei 'Nachahmungen' unterschieden werden, eine zeichnet sich durch einen hohen Glimmeranteil aus (Bräuning/Schreg 1998). Besonders hinzuweisen ist auf eine rauhwandige Variante, die an verschiedenen Fundorten vorhanden ist und chronologisch als 'Übergangsware' bzw. als 'Mittler' zwischen der rauhwandigen und der älteren, gelben Drehscheibenware gilt (Nack 1989; Maier 1994, 48 ff.).

Ins Umfeld der älteren gelben Drehscheibenware gehört auch die gelbe rotbemalte Elsässer Drehscheibenware (Elsaß, HMa).

Gefäßformen

  • Töpfe
  • Henkeltöpfe
  • selten: Schalen
  • selten: Flaschen
  • selten: Becher - Hier ergibt sich immer wieder die Diskussion, ob es sich um Becherkacheln früher Kachelöfen handelt.

Randformen

  • Typ Roeschwoog - beschränkt v.a. auf Elsaß und mittleres Oberrheimtal
  • Typ Kirchhausen
  • Typ Runder Berg
  • Typ Eningen - bei Bearbeitung der Funde des Renninger Beckens (Schreg 2006) benannt nach einem Fundkomplex in Eningen unter Achalm (Schmidt 1991)
  • Typ Jagstfeld - beschränkt auf das mittlere Neckarland
  • Typ Wilgartswiesen - beschränkt auf die Region des Pfälzer Waldes

Chronologie

In Nordwürttemberg gibt sich heute auf einer formal-typologischen Grundlage eine chronologische Dreiteilung der älteren, gelben Drehscheibenware im engeren Sinne zu erkennen. Dies läßt sich etwa an der Stratigraphie der Sindelfinger Martinskirche (Scholkmann 1977), der Kirche St. Peter in Vaihingen/Enz (Schäfer/Gross 1983), wie auch der Esslinger Dionysius-Kirche (Lobbedey 1968) nachvollziehen, wobei teilweise jedoch die geringen Fundzahlen zu bedenken sind. Darüber hinaus kann für die beiden frühen Phasen eine Abfolge auch in der Wüstung Wülfingen vertikal-, wie horizontal- stratigraphisch belegt werden. In einem Siedlungsausschnitt bei Lauffen am Neckar liegen die drei Phasen der älteren gelben Drehscheibenware schließlich in horizontalstratigraphischer Abfolge (Koch 1974).

Als älteste ältere gelbe Drehscheibenware wurde von R. Koch 1969 anhand von Funden aus Kirchhausen eine Phase skizziert, die durch ihre Verzierung - Stempelverzierung bzw. Riefung der Wandung - gekennzeichnet wird. An charakteristischen Randformen sind waagerecht ausgebogene, oft spitz ausgezo- gene Ränder zu nennen. Diese Ausprägung der älteren, gelben Drehscheibenware tritt noch in spätmerowingerzeitlichen Bestattungen auf und datiert somit noch ins späte 7. Jahrhundert; hier sind auch typologisch ihre Wurzeln zu sehen (Gross 1989, 343). Bereits im 8. Jahrhundert kam diese Form wieder außer Gebrauch. Ihren Verbreitungsschwerpunkt hat diese älteste Ausprägung der älteren gelben Drehscheibenware im mittleren Neckarraum nördlich der alamannisch-fränkischen Stammesgrenze sowie an Oberrhein und im Elsaß. Dieses Verbreitungsbild wird mit der Konkurrenz durch die auch noch im 8. Jahrhundert in Donzdorf produzierte rauwandige Drehscheibenware sowie durch eine Bindung an das fränkische Stammesgebiet erklärt. Dreieckige horizontale Wulste bzw. Halskrausen kennzeichnen nebst der Rollstempelzier und immer wieder auftretender Rotbemalung ältere gelbe Drehscheibenware Elsäßer Provenienz. Inzwischen hat sich heruagestellt, dass im Elsaß eine noch frühere Phase vorhanden ist (Typ Roeschwoog) (Châtelet 1991; Koziol 2012).

Die darauf folgende zweite Phase wird durch verdickte, häufig kantige und innen leicht gekehlte Schrägränder (Typ Runder Berg) und durch das Fehlen jeder Verzierung gekennzeichnet. Das Spektrum dieser Randform hat eine gewisse Breite, die - wie der Fundbestand des Runden Berges erkennen läßt - die von Scholkmann unterschiedenen gratig verdickten und die gestauchten Rander umfaßt. Sie sind charakteristisch für die jüngste Besiedlungsphase des 9. bis 10. Jahrh. auf dem Runden Berg bei Urach (Kaschau 1976).

Die jüngste Phase der älteren, gelben Drehscheibenware, die bereits in die Zeit nach der Jahrtausendwende zu setzen ist, stellen Ränder vom Typ Jagsttfeld dar. Sie besitzen eine kantige, nach innen abgeschrägte und meist leicht gekehlte Randlippe. Der zeitliche Ansatz der Jagstfelder Ränder nach 1050 ergibt sich vor allem aus ihrem Fehlen im Material des Runden Berges, wie auch aus den Datierungen der Esslinger und Sindelfinger Stratigraphien. Ein befund aus Ulm zeigt das Auftreten des Typs Jagstfeld vor 993d (Gross 2008, 142). Allerdings muß mit einer gewissen zeitlichen Überschneidung der Typen Runder Berg und Jagstfeld gerechnet werden, da typologische Beziehungen und Ubergangsformen bekannt sind (Typ Eningen nach Schreg 2006). In den Töpfereiabfällen von Altdorf (Lkr. Böblingen) treten Typ Runder Berg, Typ Eningen und Typ Jagstfeld gemeinsam auf (Schreg/Meyerdirks 2002)<ref>2002 war Typ Eningen noch nicht gesondert ausgewiesen. Nach meinen Aufzeichnungen (R. Schreg) dürften auch Mischformen des Typs Ehningen vertreten sein. Eine nochmalige Prüfung am Fundmaterial steht aus.</ref>. Am Oberrheim und im Kraichgau wurde die ältere gelbe Drehscheibenware von anderen waren, so der orangen Straßburger Ware, der älteren grauen Drehscheibenware und der rotbemalten Elsässer Ware.

Um die Mitte des 12. Jahrhunderts kommt die ältere gelbe Drehscheibenware außer Gebrauch. Diese jüngste Phase wurde 1969 von R. Koch anhand von Funden aus einem Grubenhaus in Jagstfeld in Gegenüberstellung mit Funden der ältesten Phase aus Kirchhausen erstmals umschrieben; sie bleibt auf den Neckarraum beschränkt und greift kaum darüber hinaus, fehlt also etwa im Oberrheingebiet.

Verbreitung

In der Frühphase v.a. am Oberrhein, in der Spätphase v.a. im mittleren Neckarland


Herstellungsbelege

Der einzige Töpferofen dieser Ware war lange Zeit aus Wiesloch nahe Heidelberg bekannt. Hier wurde jedoch nicht die im Neckarraum gängige ältere, gelbe Drehscheibenware produziert, sondern eine bislang kaum von anderen Fundstellen bekannte Variante, die mit dem Begriff 'Wieslocher Ware' bezeichnet wird (Heukemes/Gross 1983; Hildebrandt/Gross 1995). Das Formen- und Verzierungsspektrum verweist mit Wackelböden und dem Fehlen von Verzierungen außer einigen Leistenapplikationen auf Einflüsse aus den nördlich angrenzenden Gebieten und ist wohl ins späte 8. und 9. Jahrh. zu datieren. Weitere Produktionsorte konnten seit den 1970er Jahren anhand mineralogischer Untersuchungen am Schönbuch nördlich Tübingen und im Raum Sindelfingen vermutet werdenn (Scholkmann 1978, 64). Inzwischen liegen hier Töpfereibelege aus Altdorf, Lkr. Böblingen (Schreg/Meyerdirks 2002) sowie Holzgerlingen, Lkr. Böblingen vor. Letztere Fundstelle erbrachte den Beleg eines Ofens, das Fundmaterial ist mit seinen Verzierungen bislang kaum einzuordnen und von umliegenden Fundstellen nicht bekannt (Münster/Gross 2013).


Literaturhinweise und Nachweise

  • Bräuning/Schreg 1998 A. Bräuning/R. Schreg, Die Keramikfunde - ein Exkurs. In: A. Bräuning (Hrsg.),Um Ulm herum. Untersuchungen zu mittelalterlichen Befestigungsanlagen in Ulm. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 23 (Stuttgart 1998) 67–79.
  • Châtelet 1998 M. Châtelet, L'habitat du haut moyen âge de Roeschwoog „Schwartzacker“ (Bas-Rhin). découverte d'un four à chaux et d'un nouveau site de référence pour la céramique. Rev. Arch. Est 49, 1998, 249–293.
  • Gross 1991 U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und Schwäbischer Alb. Bemerkungen zur räumlichen Entwicklung und zeitlichen Gliederung. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 12 (Stuttgart 1991).
  • Gross 2008 U. Gross, Transitionen - Übergangsphänomene bei südwestdeutschen Keramikgruppen des frühen und hohen Mittelalters. In: ,Stratigraphie und Gefüge. Beiträge zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit und zur historischen Bauforschung; Festschrift für Hartmut Schäfer zum 65. Geburtstag. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 28 (Stuttgart 2008) 139–150.
  • Heukemes/Gross 1983 B. Heukemes/U. Gross, Ein Töpferofen der 'älteren gelbtonigen Drehscheibenware aus Wiesloch, Rhein-Neckar-Kreis. In: ,Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 8 (Tübingen 1983) 301–318.
  • Hildebrandt/Gross 1995 L. H. Hildebrandt/U. Gross, Ein frühmittelalterlicher Töpferofen aus Wiesloch, Rhein-Neckar-Kreis. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1995, 312–315.
  • Kaschau 1976 B. Kaschau, Die Drehscheibenkeramik aus den Plangrabungen 1967-1972. Der Runde Berg bei Urach II (Sigmaringen 1976).
  • Koch 1969 R. Koch, Frühmittelalterliche Siedlungsfunde aus Kirchhausen und Jagstfeld. Jahrb. Hist. Ver. Heilbronn 26, 1969, 25–38.
  • Koch 1974 R. Koch, Siedlungsspuren des frühen Mittelalters aus Lauffen am Neckar. Zeitschr. Zabergäuverein 3/4, 1974, 33–43.
  • Koziol 2012 A. Koziol, La céramique de l’habitat de Roeschwoog (Bas-Rhin, Alsace). In: H. Pantermehl/L. Grunwald/R. Schreg (Hrsg.),Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle für Produktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts. RGZM-Tagungen 13 (Mainz 2012) 55–62.
  • Lobbedey 1968 U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich in Südwestdeutschland. Arb. Frühmittelalterforsch. 3 (Berlin 1968).
  • Maier 1994 K. H. Maier, Eine mittelalterliche Siedlung auf Markung Urspring (Gemeinde Lonsee, Alb-Donau-Kreis). Materialh. Arch. Bad.-Württ. 23 (Stuttgart 1994).
  • Münster/Gross 2013 K.-H. Münster/U. Gross, Reste einer hochmittelalterlichen Töpferei in Holzgerlingen. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2013, 313–316.
  • Nack 1989 G. Nack, Versuch der Datierung einer früh- bis hochmittelalterlichen Siedlung anhand der Irdenware aus der Wüstung Sülchen bei Rottenburg am Neckar, Kreis Tübingen. unveröff. Magister-Arbeit (Freiburg 1989).
  • Schäfer/Gross 1983 H. Schäfer/U. Gross, Die ehemalige Peterskirche in Vaihingen/ Enz. In: ,Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 8 (Tübingen 1983) 5–56.
  • Schmidt 1991 E. Schmidt, Hochmittelalterliche Siedlungsstrukturen aus Eningen unter Achalm, Kreis Reutlingen. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1991, 302–305.
  • Scholkmann 1977 B. Scholkmann, Archäologische Untersuchungen in der ehemaligen Stiftskirche St. Martin in Sindelfingen. In: ,Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 7–66.
  • Scholkmann 1978 B. Scholkmann, Sindelfingen, obere Vorstadt. Eine Siedlung des hohen und späten Mittelalters. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 3 (Stuttgart 1978).
  • Schreg/Meyerdirks 2002 R. Schreg/U. Meyerdirks, Töpfereiabfälle der älteren gelben Drehscheibenware aus Altdorf, Kreis Böblingen. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2002, 243–244.
  • Schreg 1997 R. Schreg, Keramik aus Südwestdeutschland. Eine Hilfe zur Beschreibung, Bestimmung und Datierung archäologischer Funde vom Neolithikum bis zur Neuzeit. Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (Tübingen 1997). bes. 205-208
  • Schreg 2006 R. Schreg, Dorfgenese in Südwestdeutschland. Das Renninger Becken im Mittelalter. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 76 (Stuttgart 2006).

Einzelnachweise

<references />