Zeichnerische Dokumentation von Keramikfunden

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Die Dokumentation von Keramikfunden erfolgt in einer Kombination von Bild und Text. Traditionellerweise werden die Funde in Zeichungen vorgelegt, da diese am besten die formalen Eigenschaften darstellen und zudem schnell erfassbar machen. Zwingend müssen die Zeichnungen aber durch eindeutig zuweisbare Beschreibungen ergänzt werden - was leider auch in wichtigen Keramikbearbeitungen nicht immer der Fall ist. Zusätzlich sollten unbedingt auch fotografische Farbabbildungen charakteristischer Scherben gegeben werden, die einen Eindruck von der Scherbenbeschaffenheit vermitteln können.

Hinweise zum Zeichnen

Grundprinzipien

Auf der linken Bildseite befindet sich das Profil (nicht seitlich herausgezeichnet) und die Innenansicht, auf der rechten Seite die Außenansicht des Scherbens. Vielfach werden die beiden Hälften durch eine Mittellinie getrennt, doch ist es oftmals praktischer, auf diese Mittellinie zu verzichten und stattdessen die vorhandene(n) Scherbe(n) in die Mitte zu rücken. Die Darstellung der einzelnen Scherben ist sinnvoll, da so wesentliche Aussagen zur Erhaltung und zur Sicherheit der Rekonstruktion gemacht werden. Auch ist das Fundstück damit leichter im Originalbestand zu identifizieren. Bei großen Scherben oder bei fast vollständig erhaltenen Gefäßen ergeben sich durch die Rundung jedoch Schwierigkeiten, den Gesamtbestand an Scherben darzustellen, zumal die Dokumentation verschiedener Ansichten nicht üblich ist, selbst dann nicht, wenn manuell angebrachte Verzierungen vorliegen. Hier behilft man sich ggf. durch Abrollungen der verzierten Partien des Gefäßes. In einigen Fällen, vor allem bei weitgehend erhaltenen Gefäßen ist es pragmatisch, auf die Mittellinie zurückzugreifen. Zum einen wird so der Zeichenaufwand reduziert, zum anderen aber bleibt die Zeichnung leichter lesbar.


Der weitere Wandungsverlauf sollte im Profil mit einzelnen kurzen Strichen angegeben werden, da das Profil häufig an einer Knickstelle abbricht, die am Original durchaus noch erkennbar sein kann.

Grundsätzlich genügt eine einfache Strichdarstellung. In der Ansicht sollte aber durch Schattierung eine gewisse Plastizität vermittelt werden, da die Zeiclmungen dadurch übersichtlicher werden. Dies muß jedoch sparsam geschehen, da die Zeiclmung sonst zu dunkel wird. Dabei ist die Lichtquelle links oben zu denken. Handgemachte Keramik wird punktiert, Scheibenware mit Linien schattiert. Aus wirtschaftlichen Gründen kann auf eine - zeitintensive - Schattierung bei einfachen Formbildungen verzichtet werden, Biegungen können dann mit feinen horizontalen Linien angedeutet werden: unterbrochen bei sanften Biegungen, durchgehend bei scharfen Kanten oder Knicken. Ein solches Vorgehen ist bei römischer Keramik seit langem üblich, hier wird fast immer auch komplett auf die Darstellung des Einzelscherbens verzichtet. Schadensbilder (Abplatzungen, Bruchflächen, Risse) sollten zur Dokumentation eventueller Sekundäreinwirkungen oder Fehlbrände und zur leichteren Wiedererkennung und eben zur Angabe der Rekonstruktions- und Bestimmungssicherheit knapp angegeben werden.

Zeichenrichtlinien

Allgemeingültige Zeichenrichtlinien gibt es nicht, wohl aber Richtlinien für einzelne Zeitschriften oder Publikationsreihen (z.B. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg). Ein gewisser Standard hat sich bei modemen Fundvorlagen jedoch durchgesetzt und sollte nicht unterboten werden. So müssen die Zeichungen das Profil und auch den Durchmesser des Gefäßes angeben.

Beispiel zur Zeichenrichtline

Maßstab

  • Endmaßstab ist voraussichtlich der Maßstab 1:2
  • besondere Details (Rollstempel) in Herauszeichnungen Maßstab 2:3
Strichstärken
  • Außenlinien: 0,35 mm
  • Innenlinien: 0,25 mm
  • bei Herauszeichnungen feine Linien: 0, 18 mm

Zunehmende digitale Publikationen, bei denen Abbildungen unterschiedlich skaliert am Bildschirm betrachtet oder ausgedruckt werden, machen klassische Maßstabsangaben unbrauchbar. Heute muss jede Abbildung mit einem Maßstabsbalken versehen werden.

Orientierung

  • Ansichten und Schnitte generell in orthogonalem System (z.B. übereinstimmende Ausrichtung bei verschiedenen Ansichten)

Profil

  • im Querschnitt weiß
  • auch bei Henkeln Profilsehnitt, nicht Ansicht
  • links, nicht herausgezeichnet, sondern in Rundergänzung integriert
  • freigestellt: horizontal anziehende Linien ca. 2 mm Abstand (damit Profil in der Verkleinerung deutlich bleibt)

Das Profil sollte freigestellt sein, d.h. die Binnenstruktur und die ergänzenden Linien für Rand und Kanten dürfen nicht direkt an das Profil angesetzt werden, sondern müssen einen Abstand von ca. 2 mm halten, damit die Details der Profilführung für den Betrachter leicht erkennbar bleiben. Das Profil selbst sollte dunkel angelegt werden, damit es bei einem Durchblättern der Abbildungen leicht ins Auge fällt. Ideal erscheint eigentlich die Schwärzung des Profiles, doch wird dies in jüngerer Zeit aus ästhetischen Gründen zunehmend aufgegeben. Eine Schraffur macht das Profil optisch unruhig, ein Raster ist bei traditioneller Ausführung mittels Rasterfolie teuer und aufwendig. Eine Punktierung des Profiles ist unüblich, obwohl sie genutzt werden könnte, Dichte und Größe der Magerung darzustellen. Eine digitale Bildbearbeitung erlaubt eine Graufüllung des Profils.


Rundergänzung

  • Soweit möglich sind die Scherben in einer Rundergänzung darzustellen
  • i.a. ohne Mittellinie, Scherben mittig einzeichnen
  • Mittellinie nur wenn nötig (z.B. große Randscherben, Bodenscherben kollidieren mit Profildarstellung)
  • siehe Beispiel 1

Scherbenansicht

  • i.a. ohne Schattierung
  • einfache Darstellung der Einzelscherben (nicht alle Details der Bruchkanten ausmessen!), soweit Gefäß nicht annähernd vollständig
  • scharfe Knickkanten mit durchgehender Linie
  • Biegungen mit unterbrochener, nach hinten verkürzter Linie
  • Schattierung nur bei besonderen plastischen Formen, die sonst nicht ohne weiteres zu begreifen:
    • z.B. komplizierte Tüllen oder Henkel, auffallende Unregelmäßigkeiten der Gefäßwandung (z.B. Fingereindrücke)
  • falls Schattierung notwendig mit sparsamer Punktierung, auf das notwendigste beschränkt (z.B. nur Tülle)
  • bei Verzierungen mit verschieden dicken Linien leichte Schattenwirkung (0,35/ 0,25 mm)
  • Bruchflächen leicht craqueliert, evtl. leichte Schattenwirkung

Heute ist es technisch leicht möglich, die Zeichnung mit einem Ansichtsfoto zu kombinieren. Sie sollten perspektivisch aber zusammen passen.

Randscherben
  • zentriert in Mitte setzen - siehe Beispiel 2
  • Verzierungen oben auf Rand: darüber in senkrechter Aufsicht
Bodenscherben
  • zentriert in Mitte setzen, wenn Boden weit zur Mitte erhalten, dann Darstellung mit Mittellinie um Kollision von Scherbenansicht und Profil zu vermeiden
  • falls Bodenansicht (Bodenzeichen, besondere herstellungstechn. Details wie z.B. Abdruck der Töpferscheibe): entsprechend der Ansicht darunter, Kreisbogen nach oben geschlossen - Beispiel 3
Deckel
  • zentriert in Mitte setzen, wenn Deckel weitgehend erhalten Mittellinie um Kollision von Scherbenansicht und Profil zu vermeiden
  • Draufsicht entsprechend der Ansicht darunter setzen, Kreisbogen nach unten geschlossen - Beispiel 4
  • falls frontale Ansicht kleiner Scherbens unergiebig: Draufsicht, evtl. in die Rundergänzung eingerückt - Beispiel 5




Zeichenstile

Regional und auch innerhalb einzelner Wissenschafts-Communities innerhalb der Archäologie haben sich indes gewisse Gewohnheiten oder Konventionen ergeben. So wird römische Keramik, die relativ weitgehend standardisiert und gleichmäßig auf der Drehscheibe gearbeitet meist schematischer gezeichnet als Keramikfunde der Vor- und Frühgeschichte oder des Mittelalters, indem beispielsweise auf eine Darstellung der einzelnen Scherben verzichtet wird.


Bei vor- und frühgeschichtlichen Keramikfunden wird hingegen meist die einzelne Scherbe fein schattiert dargestellt. In der Regel wird dazu eine Punktierung vorgenommen.

Oft haben die Stile einzelner Zeichner die Sehgewohnheiten der Forschung bestimmt. So hat über lange Jahre in Baden-Württemberg der Zeichner Thomas Schwarz für das Landesdenkmalamt die mittelalterliche Keramik aus den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen gezeichnet, mit seiner charakteristischen Schraffur aber bald auch darüber hinaus die Fundzeichnungen bestimmt.


Zum praktischen Vorgehen

Skizziert wird hier ein einfaches, erprobtes Verfahren für eine manuelle Zeichnung einzelner Keramikscherben.

Erforderliche Materialien:

  • kariertes Papier, ggf. auch auf Millimeterpapier
  • weicher Bleistift
  • Profilkamm
  • Schieblehre
  • Orientierungsquader: kleine Klarsichtbox oder rechtwinkliger Holzblock mit angeklebtem Spiegel, ca. 3 cm hoch (zur Orientierung von Rand- und Bodenscherben)
  • Modelliermasse/ fettfreie Knetmasse (z.B. FIMO)
  • Radialmillimeterpapier

sofern die Weiterbearbeitung nicht am Bildschirm erfolgt weiterhin

  • hochtransparentes Papier (sog. Entwurfblock)
  • Tuschestifte unterschiedlicher Stärke 0,8 mm 1,2 mm (wichtig: gleichmäßige Linienstärke, lichtecht)

Zunächst werden die Scherbenansicht und das Profil auf einem karierten Papier angefertigt. Karo bzw. Millimetereinteilung sind wichtig als Orientierungslinien beim Einsatz des Profilkammes.

Wichtige Hilfslinien beim Zeichnen.
  1. Orientierungsquader auf kariertem Papier an Grundlinie platzieren, so dass die Scherbe gelegt werden kann.
  2. Die Randscherbe wird an der senkrechten Fläche des Quaders, also an Grundlinie 1 ausgerichtet. Eine Spiegelwirkung der senkrechten Quaderfläche erleichtert die präzise Orientierung der Scherbe. Mit Modelliermasse, läßt sich die Scherbe fixieren. Gegenüber einer Orientierung der Scherbe an der Tischplatte bietet dies Verfahren die Möglichkeit, die Scherbe für die folgenden Schritte in ihrer Position fixiert zu halten.
  3. Zeichnen des Umrißes: Mit einem einfachen Bleistifthalter, der eine seitliche Kippung des Stiftes verhindert, wird die Scherbe umfahren. Ersatzweise kann eine feine Bleistiftmine mit Klebestreifen an einem Geodreieck fixiert werden.
Abnahme des Profils der am Quader (hier Klarsichtplastikbox) ausgerichteten Scherbe (Foto: R. Schreg)
  1. Anlage des Profiles. Die Scherbe muß zunächst in ihrer fixierten Lage bleiben. Mit dem Profilkamm wird das Außenprofil abgenommen. Der Profilkamm muss die Tischplatte sowie die Oberseite des Orientierungsquaders mit erfassen. Damit ist das Profil in seiner Stellung richtig orientiert. Zum Übertrag auf das Papier dient eine Linie rechtwinklig zu Grundlinie 1 (= Grundlinie 2). Wenn der Orientierungsquader nicht zu groß ist, kann das Nachzeichnen des Profiles sofort geschehen, ansonsten kann der Übertrag erst nach Punkt 5 erfolgen.
  2. Zeichnung der Binnenstrukturen. Mit sorgfältiger Senkrechtpeilung bzw. der Einmessung mehrere Punkte werden die wesentlichen Elemente der Ansicht (Verzierungen, wichtige Bruchkanten etc.) in die vorhandene Umrißzeichnung übertragen. Gegebenenfalls muss die Scherbe aus ihrer Position entfernt werden. Mit Hilfe des Quaders und der zuvor gezeichneten Umrisslinie lässt sie sich aber mit genügender Präzision in ihrer richtige Position zurückführen, um markante Stellen auf das Papier abzutragen. Bei schwierigeren Verzierungen hilft ein Abrieb, der dann aber in die nach hinten optisch verkürzte Ansicht projeziert werden muß (zeichnerische Konstruktion!).
  3. Ergänzung des Profils. Durch Messen der Dicke und Abnalnne des Innenprofiles wird die Profilzeichnung auf der linken Seite ergänzt.
  4. Ermittlung des Durchmessers: An einer charakteristischen Stelle wird mit dem Profilkamm die Biegung des Gefäßes aufgenommen und mit Hilfe des Radialmillimeterpapiers der Radius bestimmt. Damit kann die Mittellinie bestimmt werden. Ausgehend von der Profilzeichnung wird der Mittelpunkt des Gefäßes auf Grundlinie 1 markiert.
  5. Erstellung der Reinzeichnung
    Übertragen der Bleistiftzeichnung auf Transparentpapier (Foto: R. Schreg, 2004)
    • manuell: Die Vorzeichnung mit Bleistift wird auf dem Transparentpapier in richtiger Anordnung ausgetuscht. Zunächst wird das Profil gezeichnet und der Mittelpunkt des Gefäßes (siehe 7.) auf das Transparentpapier übertragen, dieser dient dazu, die rechte Konturlinie des Gefäßes richtig zu positionieren. Die rechte Rundergänzung kann auf der Rückseite des Transparentpapiers gezeichnet werden. Hinsichtlich der Strichstärke ist die Verkleinerung in den Endmaßstab zu beachten. Konturlinien sollten im Druck noch etwa 0,18 mm stark sein.
    • digital: Die Handzeichnung wird eingescannt und am Computer mit einem Vektorprogramm nachgezeichnet.
      1. Die Bilddatei sollte bei angestrebter Schwarz-Weiß-Abbildung als s/w-Bild eine Auflösung von 1200 dpi, bei Darstellung (wegen Raster etc) als Grauwert-Format mindestens 300 dpi, kein jpg-Format (!).
      2. anstelle der Ansichtszeichung der Scherbe kann jetzt auch ein Foto eingebunden werden. Dieses muss aber ebenfalls in einer möglichst weniger verzerrten senkrechten Aufnahme vorliegen.
  6. Schattierung (möglichst sparsam) oder Andeutung von Umbruchstellen.
  7. ggf. Füllung der Profile
  8. Beschriftung der Zeichnung mit Fundort, Fundnummer und möglichst einer kleinen Maßstabsleiste. Weiterhin ist es hilfreich, bei den Zeichnungen auch einige Stichworte zur Keramikbeschreibung zu vermerken. Das ist eine wertvolle Kontrolle für den Fundkatalog.


Diese Zeichentechnik ist relativ schnell. Sie funktioniert jedoch nicht, wenn mehr als 50% des Gefäßumfangs erhalten sind. Abhängig vom eigenen Geschick und Übung sind selbstverständlich andere Wege denkbar.

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