Holzgerlingen (Lkr. Böblingen)

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Holzgerlingen ist ein Dorf im Schönbuch nördlich von Tübingen. Im 18. Jahrhundert sind mehrere ortsansässige Hafnerfamilien nachweisbar. Bekanntes Produkt der Holzgerlinger Hafner waren bemalte Ofenwandplättchen. Archäologische Funde zeigen jedoch eine Vergangenheit als Töpferort bis mindestens ins Hochmittelalter.

Ofenwandplättchen des Hafners Johann Conrad Kipfer aus Holzgerlingen, um 1802 Landesmuseum Württemberg (Außenstelle Museum für Volkskultur in Württemberg, Waldenbuch), E.6.3., Inv. Nr. 1951/210 (Foto: Andreas Praefcke, Public Domain via WikimediaCommons)

Ortsgeschichte

Holzgerlingen liegt im Schönbuch, jedoch in dem nördlichen überwiegend agrarisch genutzten Teil. Holzgerlingen zählt zu den frühen Siedlungen, wie nicht zuletzt das Reihengräberfeld am nördlichen Ortsrand belegte. Der Ort wird 1007 erstmals erwähnt, als ihn Kaiser Heinrich II an das Hochstift Bamberg schenkte. Später hatten die Tübinger Pfalzgrafen Besitz. Bereits seit dem 14. Jahrhundert gehörte Holzgerlingen weitgehend zu Württemberg.

Das Dorf entwickelte mit stattlichen Fachwerkhäusern ein fast städtisches Straßenbild. Am Südrand des Ortes befindet sich die ehemalige Burg Kalteneck.

Forschungsgeschichte

Bereits 1925/26 wurde das Reihengräberfeld Hülben ausgegraben, wo 5 vollständige merowingerzeitliche Gefäße bekannt geworden sind. Von Bedeutung sind Beobachtungen in einem Siedlungsareal an westlichen Ortsrand durch Dieterle sowie die Dokumentation eines Töpferofens durch K.H. Münster 2013. Hier ist auf weitere Töpfereibefunde bzw. Fehlbrandfunde im Raum Tübingen bzw. Schönbuch zu verweisen (Altdorf (Lkr. Böblingen), Hildrizhausen, Holzgerlingen (Lkr. Böblingen) Im Hof, Herrenberg, Wüstung Reistingen, Wüstung Sülchen bei Rottenburg).

Fundstellen

Friedrichstraße 18

Der Fundkomplex aus dem Ortsbereich enthält fast nur Ältere gelbe Drehscheibenware (Südwestdeutschland, FMa/HMa) der Typen Runder Berg, Eningen und Jagstfeld sowie eine einzelne Scherbe der nachgedrehten Ware (Gross 1991, 187). Eine Autopsie der Funde 1999 zeigte, dass vier der bei U. Gross abgebildeten Fragmente sich der braunen rillenverzierten rauwandigen Drehscheibenware angliedern lassen (Gross 1991, Taf. 96, 1-4). Es handelt sich um zwei Töpfe mit ausbiegendem Rand und eine Schale (Gross 1991, Taf. 96,1.3.4; Schreg 2006, ). Sie sind sämisch mit mäßiger bis starker Quarzmagerung. Eine Scherbe wurde von U. Gross der gelben quarzgemagerten Ware zugewiesen (Gross 1991, Taf. 96, 22).

Friedhofstr./Eugenstr. 1a

Am östlichen Ortsrand, beidseits des Etters liegt eine Siedlungsfundstelle, deren Funde den Zeitraum vom 7. Jh. bis ins Spätmittelalter abdeckt. Folgende Warenarten liegen vor:

Die Funde wurden von U. Gross und Ch. Morrissey in den Fundberichten aus Baden-Württemberg 22/2, 1998,245f. vorgelegt.

Hintere Straße

2020 wurde im Rahmen einer großflächiger Dorfsanierung am westlichen Ortsrand ein Areal von 4600 m² untersucht (Brenner u.a. 2021), das zahlreiche Gruben, Pfostengruben und vier Grubenhäuser erbrachte.

Das Fundspektrum legt einen Siedlungsbeginn im späten 7./frühen 8. Jahrhundert nahe, wie Wölbwandtöpfe der rauwandigen Drehscheibenware und Knickwandkeramik nahe legt. Vom späten 8. bis ins 11./12. Jahrhundert liegen sehr viele Keramikfunde vor, die überwiegend der älteren gelben Drehscheibenware der Typen Runder Berg und Jagstfeld angehören. Den Berichterstattern ist aufgefallen, dass viele geriefte Wandscherben vorliegen, aber Randstücke des Typs Kirchhausen fehlen. In einem Brunnen im Nordteil der Grabungsfläche lagen zuunterst mehrere Kannen der älteren gelben Drehscheibenware des Typs Runder Berg, die im vorliegenden Grabungsbericht aufgrund der gerieften Wandung in das frühe 8. Jahrhundert datiert werden. Es handelt sich hierbei um Fehlbrände mit Ausplatzungen an der Oberfläche. Das Formenspektrum der Fehlbrände umfasst indes auch Funde des Typs Jagstfeld, so dass in der Umgebung mit einer längerfristigen Töpfereitätigkeit zu rechnen ist.

In der Grabungsfläche lagen zwei Keller mit Nachgeburtstöpfen.

Im Hof

Holzgerlingen, Im Hof: ältere gelbe Drehscheibenware (Foto R. Schreg 2013)

Bei Baumaßnahmen im Ortskern von Holzgerlingen "im Hof" (Tübinger Straße 17) wurde 2013 im Rahmen einer Prospektion auf Kampfmittel unter einem Meter Sediment die Bodenplatte eines Töpferofens festgestellt, die allerdings bereits durch einen Baggereingriff gestört war. Ein Team von Ehrenamtlichen des Landesamtes für Denkmalpflege übernahm die Notbergung. Aufgefunden wurden zahlreiche Fehlbrände der älteren gelben Drehscheibenware überwiegend des Typs Jagstfeld, wobei eine relativ reiche Verzierung mit Wellenlinien und V-Stempel auffällt.

Schloßstraße 10

Im Jahr 2003 barg K.H. Münster bei einer Baumaßnahme mittelalterliche Keramik, darunter nach einer damaligen Sichtung überwiegend ältere gelbe Drehscheibenware und jüngere graue Drehscheibenware, aber auch einige Scherben, die noch der rauwandigen Drehscheibenware (evtl. braune meist rillenverz. rauwandige Drehscheibenware) zugerechnet werden könnten (unpubl.?).

Hülben

Das merowingerzeitliche Reihengräberfeld, ca 0,4 km von der Siedlungsstelle in der Friedhofstraße entfernt, wurde bereits 1925 untersucht. Dabei wurden 302 Gräber aufgedeckt, von denen nur 5 Keramikbeigaben enthielten, darunter neben Knickwandgefäßen auch ein Buckelgefäß (Veeck 1926).

Keramikfunde

Der Fundkomplex von Holzgerlingen ist wegen der Produktionsnachweise der älteren gelben Drehscheibenware von Bedeutung. Produziert wurden Gefäße mit den klassischen Randformen der Typen Runder Berg und Jagstfeld. Im Fundmaterial des Im Hof gefunden wurde,fällt die etwas reichere und nich nur mit Wellenlinien, sondern auch mit Stempeln gefertigte Verzierung auf. Möglicherweise gehören dazu auch die Riefen, die an der Hinteren Straße aufgefallen sind. Diese Besondehreiten lassen es aktuell als gerechtfertigt erscheinen, eine lokale "ältere gelbe Drehscheibenware Holzgerlinger Art (Schönbuch, HMa)" anzunehmen. Hier ist möglicherweise ein Gefäß aus der nahe gelegenen Siedlung im Lachental bei Weil-im-Schönbuch anzugliedern (Brenner/Kaltwasser 2021, Abb. 182).

Verbleib der Funde

Heimatmuseum Holzgerlingen

Literatur zur Fundstelle

  • Fundber. Baden-Württemberg 22/2, 1998, 245 f.
  • Brenner u.a. 2021: D. Brenner/S.Nartel/S. Jarding, Brunnen und Töpfereiabfall - Ein großes früh- bis hochmittelalterliches Siedlungsareal am Rand von Holzgerlingen. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2020 (2021), 218-221.
  • Gross 1991: U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und Schwäbischer Alb. Bemerkungen zur räumlichen Entwicklung und zeitlichen Gliederung. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 12 (Stuttgart 1991). - https://doi.org/10.11588/artdok.00005858 [Titel anhand dieser DOI in Citavi-Projekt übernehmen]
  • Münster 2013: K.-H. Münster, Bericht über die Entdeckung eines hochmittelalterlichen Keramikbrennofens des 11./12. Jahrhunderts in der Stadt Holzgerlingen, Gewann „Im Hof“. Holzgerlinger Bote 28/3, 2013. - https://www.holzgerlingen.de/de-wAssets/docs/a_die-stadt/ortsgeschichte/13_03.pdf
  • Münster/ Gross 2013: K.-H. Münster/U. Gross, Reste einer hochmittelalterlichen Töpferei in Holzgerlingen. Arch. Ausgr. Bad.-Württ., 2013, 313–316.
  • Scholkmann 2016: B. SCholkmann, Töpfer und Töpferei in Holzgerlingen im Mittelalter. Holzgerlinger Bote 31/1, 2016. - https://www.holzgerlingen.de/de-wAssets/docs/a_die-stadt/ortsgeschichte/16_01.pdf
  • Schreg 2006: R. Schreg, Dorfgenese in Südwestdeutschland. Das Renninger Becken im Mittelalter. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 76 (Stuttgart 2006).
  • Veeck 1926: W. Veeck, Der Reihengräberfriedhof von Holzgerlingen. Fundber. Schwaben N.F. 3, 1926, 154–201. - https://doi.org/10.11588/diglit.43774.27