Mainz, Tritonplatz

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Mainz (Rheinland-Pfalz)

Tritonplatz

Stadtkerngrabung 1993

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Die archäologischen Ausgrabungen am Tritonplatz in Mainz sind mit der Bearbeitung durch Beate Schmid (2004) ein wichtiger Referenzkomplex zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Keramik im Rhein-Main-Gebiet. Der Komplex steht angesichts der fehlenden Etablierung der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit in der Denkmalpflege des Landes Rheinland-Pfalz allerdings isoliert da.

Lage

Der Tritonplatz liegt im Kern der mittelalterlichen Stadt nordwestlich des Doms. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde das Gelände als Parkplatz genutzt und allenfalls mit kleinen, nicht unterkellerten Gebäuden überbaut. Abgesehen von römischen Resten stellt ein beigabenloser hochmittelalterlicher Friedhof zur Kirche Lützel St. Johann den ältesten Befund dar. Mitte des 12. Jahrhunderts wird er durch eine städtische Bebauung abgelöst. Während die Fuststraße im Westen und die Betzelstraße im Norden des Grabungsgeländes auf alte römische Straßenführungen zurückgehen, ist die Alte Universitätsstraße erst in nachrömischer Zeit angelegt worden. Sie diente offenbar als Wirtschaftsweg für das Franziskanerkloster, die Domsängerei und die Dompropstei, die südlich außerhalb der Grabungsfläche zu lokalisieren sind.

  • Koordinaten: 49.999649, 8.270580

Forschungsgeschichte

1993 wurden am Tritonplatz in Mainz archäologische Grabungen durchgeführt, deren Zielsetzung einmal nicht der römischen Stadt, sondern der mittelalterlichen und neuzeitlichen Geschichte galt. Recht spät setzte damit in einer der bedeutendsten deutschen Städte eine mittelalterarchäologisch orientierte Stadtarchäologie ein. Noch zu Beginn der 1980er Jahre fielen zugunsten römischer Funde bedeutende Befunde zur frühmittelalterlichen Geschichte an der Löhrstraße unbeobachtet dem Bagger zum Opfer – Zeugnis von der Bedeutung der Fundstelle legen die vom Abraum geborgenen Funde ab (E. Wamers u.a., Die frühmittelalterlichen Lesefunde aus der Löhrstraße (Baustelle Hilton II) in Mainz. Mainzer archäologische Schriften 1 [Mainz 1994]). Einige wenige ältere Notgrabungen mittelalterlicher Befunde verfügten nicht über einen ausreichenden fachwissenschaftlichen Hintergrund und blieben darum im weiteren unbearbeitet.

10 Jahre nach Abschluss der Grabung legt Beate Schmid – die Leiterin der Grabung 1993 – die Funde aus ausgewählten Grabungsbefunden der Grabung Tritonplatz und einer 1996 durchgeführten Notgrabung in der Bahnhofstraße (Exkurs S. 110) vor.

Befundsituation

Innerhalb des Grabungsgeländes wurden 23 Latrinen angetroffen, die sich im Wesentlichen auf zwei Reihen verteilen. Die südliche Latrinenreihe wurde in der frühen Neuzeit verfüllt und zeigt damit offenbar die Umstrukturierungen des Geländes nach dem Dreißigjährigen Krieg. Beim derzeitigen Stand der Befundauswertung ist es jedoch nicht möglich, die mittelalterliche Parzellenstruktur ohne weiteres zu erschließen.

Keramikfunde

Beate Schmid hat die Funde hinsichtlich der Leittypen und Warenarten analysiert und damit die Grundlagen für eine lokale Keramikchronologie gelegt. 90 % der bearbeiteten Funde stammen aus den Latrinenverfüllungen. In geringer Menge wurden andere Befunde herangezogen, so ein Brunnen, eine Zisterne (?), eine Kellergrube und Baugruben von Fundamenten. Darüber hinaus fanden herausragende Einzelfunde Berücksichtigung. Mit einem Bewertungssystem versuchte die Autorin auch den Erhaltungszustand in die Auswertung eingließen zu lassen.

Die Ordnung der Formen erfolgt nach funktionalen Gesichtspunkten: Die Autorin unterscheidet Küchengeschirr (S. 5ff.), Tischgeschirr (S. 41ff.) und Geschirr mit Sonderfunktionen (S. 90ff.). Dabei rechnet sie Töpfe, Henkeltöpfe, Dreibeingefäße, offene Formen wie Bräter, Pfännchen und Sieben sowie Deckel zum Küchengeschirr, Tüllenkannen, Kannen, Krüge/Flaschen, hohe sowie flache Trinkgefäße – Becher und Humpen bzw. Trinkschalen, Koppchen, Tassen und Untertassen – Schüsseln, Henkelschüsseln sowie Schalen und Teller zum Tischgeschirr. Beim Geschirr mit Sonderfunktionen umfasst die Funktionsgruppe „Medizin“ (S. 90ff.) Apotheker- und Abbindegefäße sowie Tiegel, die Gruppe „Hygiene“ (S. 92ff.) Handwaschbecken und Nachttöpfe, die Gruppe „Beleuchtung“ (S. 95ff.) Lämpchen, Leuchter und Räuchergefäße und die Gruppe „Kaufmännisches“ (S. 98ff.) Sparbüchsen und Schreibgarnituren. Die letzte Funktionsgruppe „Miniaturgefäße“ (S. 100ff.) bleibt in ihrer Interpretation im Einzelfall unsicher. Die Autorin verweist zwar auf modernes Puppengeschirr, betont aber die Möglichkeit, dass diese, überwiegend neuzeitlichen Gefäße auch zur Aufbewahrung und/oder zum Servieren kleinster Mengen Lebensmittel verwendet werden konnten.

Warengruppen

Schmid unterscheidet dabei zwischen Warengruppen und Warenarten. Eine exakte Definition des Begriffes Warengruppe gibt Schmid nicht, sie grenzt ihn lediglich gegen die Kategorien der Gefäßtypen und Warenarten ab. Demnach sind es vor allem Kriterien der Oberflächenstruktur, die für eine Zuweisung zu einer Warengruppe wesentlich sind, während „Warenart“ zusätzlich die Scherbenbeschaffenheit inklusive Magerung und „Gefäßtyp“ neben der Form auch die Art des Brandes und der Oberflächenbehandlung berücksichtigt. Warenarten fasst sie als Gruppen auf, die „möglicherweise bestimmten Produktionsstätten und –zeiträumen zuzuordnen wären,“ (S. 205) für deren Definition sie den Einsatz naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden für erforderlich hält. Da solche Untersuchungen für die Mainzer Funde nicht vorliegen, verzichtet sie auf eine Differenzierung auf der Ebene der Warenarten.

Schmid unterscheidet die folgenden Warengruppen:

  • Reduzierend gebrannte Irdenware mit einer weiteren Differenzierung zwischen der hochmittelalterlichen reduzierend gebrannten Irdenware (Grauware, Kugeltöpfe) und dem "reduzierend gebrannten Teil der spätmittelalterlichen Drehscheibenware" (vgl. jüngere graue Drehscheibenware
  • Oxidiernd gebrannte Irdenware, nach der Farbe differenziert in Untergruppen. Für die Keramik mit rotem Scherben werden Beziehungen nach Mayen und zu den Töpfereien im Rheingau konstatiert.
  • Manganviolette Ware
  • Engobierte Irdenware
  • Fayence
  • Steinzeug
  • Porzellan
  • Steingut


Literaturhinweise

  • Schmid 2004: B. Schmid, Die Ausgrabung Mainz-Tritonplatz 1993. Teil I: Die hochmittelalterliche bis neuzeitliche Geschirrkeramik. Mainzer Archäologische Schriften 3 (Mainz 2004). <ISBN 3805332750>
  • Schmid/Krüger 1996: B. Schmid/I. Krüger, Das Fundmaterial zweier mittelalterlicher Latrinen aus Mainz, Tritonplatz. Mainzer Arch. Zeitschr. 3, 1996, 127–231.
  • Schreg 2007: R. Schreg, [Rez.zu]: Beate Schmid, Die Ausgrabung Mainz-Tritonplatz 1993. Teil I: Die hochmittelalterliche bis neuzeitliche Geschirrkeramik. Fundber. Bad.-Württ. 29, 2007, 789–791. <DOI: https://doi.org/10.11588/fbbw.2007.1.85400>