Sindelfingen, St. Martin

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Die Stiftskirche St. Martin nördlich der Sindelfinger Altstadt ist ein für die Keramikchronologie wichtiger Fundort im Neckarland, da hier stratigraphische Dokumentation sowie ein um 1180 datiertes Münzschatzgefäß vorliegen. Die Funde reichen zurück in die späte Merowingerzeit. Die Kirche selbst wurde im 11. Jahrhundert für das neu begründete Chorherrenstift errichtet, übernahm aber uch Pfarrfunktionen für die umliegenden Siedlungen, wie auch für die 1263 gegründete Stadt Sindelfingen.

Sindelfingen, St. Martin: Ansicht um 1850 (Oberamtsbeschreibung Böblingen 1850)

Lage

Sindelfingen, Lage der Grabungen Obere Vorstadt, St. Martin und Propstei im Stiftsbezirk (nach E. Schempp via Scholkmann 2013, mit Ergänzungen)

Die Kirche St. Martin liegt nördlich außerhalb der Kernstadt von Sindelfingen. Östlich von ihr entwickelte sich die Obere Vorstadt.


Forschungsgeschichte

Im Rahmen einer Renovierung der Kirche 1863-65 fanden erste Ausgrabungen statt, die wohl auf den Ostteil der Kirche beschränkt blieben, die jedoch schlecht dokumnetiert sind. Weitere Untersuchungen gab es bei einer weiteren Renovierung 1933, die ebenfalls viele Fragen offen ließ. 1973 wurde die Gelegenheit einer weiteren Renovierung zu systematischen Ausgrabungen genutzt, die jedoch den Charakter einer Notgrabung besaßen, indem die Ausschachtungen bauseits vorgenommen und lediglich die Profile dokumentiert wurden (Scholkmann 1977).

Während der Grabungen in der Kirche konnten 1973 in dem unmittelbar westlich der Kirche liegenden Gebäude Obere Vorstadt 8 einige Funde geborgen werden (Scholkmann 1977a).

Befundsituation

Die Analyse von Stratigraphie und Baugeschichte ermöglichte eine Phasengliederung, die für die Keramikfunde einen wichtigen chronologischen Rahmen bietet.

Stratigraphie der Kirche St. Martin in Sindelfingen nach B. Scholkmann, Archäologische Untersuchungen in der ehemaligen Stiftskirche St. Martin in Sindelfingen. In: Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 7–66.

Keramikfunde

B. Scholkmann gliederte das keramische Fundmaterial in Anlehung an die frühere Bearbeitung der Untersuchungen von Sindelfingen, Obere Vorstadt in folgende Gruppen:

Münzschatzgefäß

Bei den Ausgrabungen wurde 1973 im Westteil des nördlichen Seitenschiffs der Stiftskirche ca. 15 cm unter dem Fußboden ein kleines beschädigtes wellenverziertes Töpfchen der "nachgedrehten, grau-brauntonigen Ware" gefunden (Scholkmann 1977, 43; Nau 1977), die weitgehend der Albware (Schwäbische Alb/ mittleres Neckarland, HMa) zuzurechnen ist. Das Gefäß ähnelt sehr demjenigen von Steckborn, Münzhort 1883.

In dem Gefäß fanden sich, teilweise rollenweise aneinander liegend 940 Silberpfennige. Bei den weiteren Grabungen wurden in verlagerten Befunden weitere 5, wohl zum Schatz gefhörige Münzen gefunden. Die überwiegende Zahl der Münzen sind Brakteaten Konstanzer Schlags, die um 1170/80 datiert werden. Daneben gibt es wenige Tübinger und Speyrer Prägungen. 8 Brakteaten wurden möglicherweise in Sindelfingen selbst geprägt.

Sindelfingen St. Martin, Münzschatzgefäß der sandigen Albware, um 1160-80 (nach Scholkmann 1977)
Sindelfingen St. Martin, Münzschatz 1180 (verändert nach Nau 1977)

Literatur

  • Nau 1977: E. Nau, Der Münzschatz aus der Martinskirche in Sindelfingen, in: Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (1977) 67-75
  • Schäfer 1977: H. Schäfer, Zur Baugeschichte der ehemaligen Stiftskirche St. Martin in Sindelfingen. In: ,Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 77–128.
  • Scholkmann 1977: B. Scholkmann, Archäologische Untersuchungen in der ehemaligen Stiftskirche St. Martin in Sindelfingen. In: Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 7–66.
  • Scholkmann 1977a: B. Scholkmann, Ein Keller mit spätmittelalterlichen Funden unter der Propstei des ehemaligen Chorherrenstiftes Sindelfingen. In: ,Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 135–148.