Handbücher zur Keramikforschung
Inzwischen liegen einige Handbücher vor, die Empfehlungen zur Terminologie geben, aber auch auf Aspekte der Handwerkstechnik und der Werkstoffkunde eingehen. BaLISminK stützt sich vielfach auf deren Empfehlungen und Muster. Aktuell sind sie noch immer unverzichtbare Nachschlagewerke.
Rahmenterminologie zur mittelalterlichen Keramik (Erdmann u.a. 1984)
Leitfaden zur Keramikbeschreibung (Bauer u.a. 1986; Bauer u.a. 1993)
Seit 1982 hat eine Arbeitsgruppe am Bayerischen Nationalmuseum den Leitfaden anhand von Objekten und Funden erarbeitet, die entsprechend der Arbeitsgebiete der Bearbeiter Funde aus Baden-Württemberg, Bayern und Nordhessen/ dem südlichen Niedersachsen stammen. Ziel war es, "besonders häufig wiederkehrende Begriffe zu vereinheitlichen", "im Sinn heutiger naturwissenschaftlicher Erkenntnis zu präzisieren" und diese "in Form einer Nachschlagemöglichkeit für Anfänger in der Keramikforschung zu definieren". Das einheitliche typologische und terminologische Begriffsschema sollte für die mitteleuropäische Keramik vom 7./8. Jahrhundert bis zur Gegenwart anwendbar sein. Der Band enthält dazu zahlreiche Musterbeschreibungen, aber auch Ausführungen zur Terminologie und Typologie. Die erste Auflage ist 1986 erschienen, eine zweite durchgesehene Auflage 1993.
In einer Besprechung des Leitfadens äußerte Barbara Scholkmann 1989 Zweifel, ob es gelingen könnte, die Terminologie erfolgreich zu vereinheitlichen, da zahlreiche regionale Forschungstraditionen, aber auch mundartliche Bezeichnungen dazu aufgegeben werden müssten. im wesentlichen scheint dies gelungen, wenn auch in der Folgezeit einzelne Arbeiten weiterhin abweichende Begriffe verwendet haben, vielfach, weil sie im regionalen Kontext präziser typologische Merkmale ansprechen können.
Bemerkenswert am Leitfaden sind die zahlreichen Hinweise zu den Herstellungstechniken, wo der Band am deutlichsten von der Beteiligung der europäischen Ethnologie profitiert.
Für den süddeutschen Raum sind die Empfehlungen des Leitfadens nach wie vor gültig und in der Regel auch Grundlage der Darstellungen auf BaLISminK.
Rezension: Scholkmann 1989
Keramik aus Südwestdeutschland (Schreg 1997)
Aus der Not geboren entstand dieses Überblickswerk Anfang der 1990er Jahre zur Bearbeitung einer umfangreichen Sammlung mit Keramikfunden vom Frühneolithikum bis zur frühen Neuzeit. Es vereinte Typentafeln und Kurzcharakterisierungen der wichtigsten Formen und Waren, enthielt aber lediglich schwarz/weiß-Strichzeichnungen. Als einziges Lehrbuch und Nachschlagewerk dennoch beliebt, war es rasch vergriffen und wurde vielfach genutzt. Meist blieb es dabei indes unzitiert. Einige Autor*innen allerdings, die es direkt zitierten, nutzten es als billige direkte Referenz, obgleich es als "Bestimmungshilfe" die damalige Literatur erschließen sollte. Das Buch wurde mehrfach weitgehend unverändert nachgedruckt und wird in dieser alten Form demnächst online vorliegen. Der damals sehr knapp referierte Forschungsstand ist inzwischen jedoch bald 35 Jahre alt. Bis heute hat es jedoch keine entsprechend zeitübergreifende neue Publikation gegeben, die es vollständig ersetzen konnte.
Handbuch zur mittelalterlichen Keramik in Nordeuropa 2001 (Lüdtke/Schietzel 2001)
Das dreibändige "Handbuch" ist eine ausführliche Bilanz der Keramikforschung in Nordeuropa, die wichtige Fundmaterialien und -komplexe gesammelt darstellt. Das Handbuch beruht auf einem 1984 begonnenen, DFG-geförderten Projekt, das seinen Ausgangspunkt bei der Bearbeitung keramischen Funde aus Haithabu und Schleswig hatte. Schon vor seinem Erscheinen hat das Handbuch-Projekt die Forschung maßgeblich be- einflußt. Abgesehen davon, daß viele der beteiligten Autoren in den letzten Jahren mit einschlägigen Keramikarbeiten hervorgetreten sind und hier bereits Ergebnisse des Vorhabens einbringen konnten, hat die »Rahmenterminologie zur mittelalterlichen Keramik in Norddeutschland« (Erdmann u.a. 1984) auch in anderen Regionen neue Standards geschaffen. Rezensionen: Schreg 2002
Schaffhauser Typologie
siehe Schaffhauser Typologie
Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich (Handbuch Österreich 2010; Handbuch Österreich 2022)
In Österreich gründete sich im Jahr 2005 eine zwölfköpfige Arbeitsgruppe, die bis 2010 an einem „Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich“ arbeitete. Basierend auf bestehenden Terminologien und dem zuvor erwähnten „Leitfaden“ wurde eine spezifische archäologische Terminologie entworfen, die auf den österreichischen Raum zugeschnitten ist, um dem bestehenden „babylonischen Sprachengewirr“ eine einheitliche Vokabularisierung entgegenzusetzen. Behandelt werden zunächst Scherbenbeschaffenheit und Herstellung von keramischen Objekten, wobei insbesondere die fotografischen Darstellungen der besprochenen Merkmale von großem Wert sind. Es folgt ein Kapitel zur Beschreibung der keramischen Objekte mit einer Reihe von Musterbeispielen. Der letzte Abschnitt behandelt die Gefäßformen und gibt dazu eine graphische Systematik, wobei die einzelnen Begriffe dann im Thesaurus der keramischen Formen nachzuschlagen sind. Warenarten finden in dem Handbuch keine Berücksichtigung, so dass es zur Beschreibung, aber nicht zur Bestimmung, die immer auch chronologische und kulturgeschichtliche Einordnungen liefern soll, geeignet ist.
Die breite Akzeptanz dieses Handbuchs als wertvolles Hilfsmittel für die Beschreibung von Fundmaterialien sowie die hohe Nachfrage nach der bald vergriffenen gedruckten Auflage führte dazu, dass 2022 eine zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage herauszugeben wurde. In dieser überarbeiteten Fassung konnten mehrere Fehler behoben und die Bildauswahl verbessert werden. Darüber hinaus ist die Publikation jetzt als kostenlos herunterladbares E-Book für alle Interessierten verfügbar.
Literaturhinweise
- Bauer u.a. 1993: I. Bauer/W. Endres/B. Kerkhoff-Hader u. a., Leitfaden zur Keramikbeschreibung (Mittelalter - Neuzeit). Terminologie - Typologie - Technologie. Kat. Prähist. Staatsamml. München Beih. 2 (2. Aufl. Kallmünz/Opf. 1993).
- Erdmann u.a. 1984: W. Erdmann/H. J. Kühn/H. Lüdtke u. a., Rahmenterminologie zur mittelalterlichen Keramik in Norddeutschland. Arch. Korrbl. 14, 1984, 417–436.
- Lüdtke/Schietzel 2001: H. Lüdtke/K. Schietzel (Hrsg.), Handbuch zur mittelalterlichen Keramik in Nordeuropa. Schr. Arch. Landesmus. Schleswig 6 (Neumünster 2001).
- Handbuch Österreich 2010: Ingeborg Gaisbauer / Christoph Gutjahr / Nikolaus Hofer / Elfriede Hannelore Huber / Alice Kaltenberger / Johanna Kraschitzer / Karin Kühtreiber / Manfred Lehner / Gabriele Scharrer-Liška / Harald Stadler / Kinga Tarcsay, Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich. Fundberichte aus Österreich Materialhefte, Reihe A, Sonderheft 12 (zugleich Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich, Beiheft 13; Nearchos, Sonderheft 26, 2022; Hengist-Studien 6), (Horn 2010).
- Handbuch Österreich 2022: Ingeborg Gaisbauer / Christoph Gutjahr / Nikolaus Hofer / Elfriede Hannelore Huber / Alice Kaltenberger / Johanna Kraschitzer / Karin Kühtreiber / Manfred Lehner / Gabriele Scharrer-Liška / Harald Stadler / Kinga Tarcsay, Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich. Fundberichte aus Österreich Materialhefte, Reihe A, Sonderheft 12 (zugleich Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich, Beiheft 13; Nearchos, Sonderheft 26, 2022; Hengist-Studien 6), (Horn 2022). - https://www.bda.gv.at/dam/jcr:a65bc8eb-aa6c-4856-b5cb-264d3a4c2bdf/Sonderheft12_ebook_low.pdf
- Homberger/ Zubler 2010: V. Homberger / K. Zubler (Hrsg.), Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik der Region Schaffhausen. Typologie, Seriation und Materialvorlage. Beiträge zur Schaffhauser Archäologie 3 (Schaffhausen 2010).
- Scholkmann 1989: B. Scholkmann, Rezension zu Ingolf Bauer, Werner Endres, Bärbel Kerkhoff-Hader, Robert Koch und Hans-Georg Stephan, Leitfaden zur Keramikbestimmung (Mittelalter - Neuzeit). Germania 67/2, 1989, 637-639. - https://doi.org/10.11588/GER.1989.62507
- Schreg 1997: R. Schreg, Keramik aus Südwestdeutschland. Eine Hilfe zur Beschreibung, Bestimmung und Datierung archäologischer Funde vom Neolithikum bis zur Neuzeit. Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (Tübingen 1997)
- Schreg 2002: Rezension zu: Hartwig Lüdtke und Kurt Schietzel (Hrsg.), Handbuch zur mittelalterlichen Keramik in Nordeuropa. Schriften des archäologischen Landesmuseums, Bd. 6, Neumünster: Wachholtz Verlag 2001, 3 Bde. mit insges. 1857 S., und 543 Taf., ISBN 3-529-01818-X. Mitt. DGAMN 13, 2002, 101-103.- DOI: https://doi.org/10.11588/dgamn.2002.0.18696