Quellrand: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Die im Vergleich zu den Quellrändern eher selten beschriebenen Quetschfalten sind eine Falte bzw. feine Rinne oder Fuge, die parallel zur Außenkante des Bodens im geringem Abstand dazu verläuft. Der Rand bzw. die Außenkante des Bodens ist hier nicht erhaben, sondern befindet sich in gleicher Ebene mit der Bodenfläche. |
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+ | Merkmale, die den Quellrändern und Quetschfalten ähneln oder entsprechen, finden sich auch an Keramikfunden anderer Epochen (Spätantike: Ladstätter 2003; Bronzezeit: Jeffra 2010, 144 fig. 6.49). |
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==Hypothesen zur Entstehung der Quellränder== |
==Hypothesen zur Entstehung der Quellränder== |
Version vom 24. August 2025, 00:13 Uhr
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Quellränder (auch Quellböden oder Quetschränder) sind keine Randform, sondern ein herstellungstechnisches Merkmal am Boden. Eine ähnliche Erscheinung bzw. eine besondere Ausprägung der Quellränder sind die Quetschfalten (auch Bodenfalten, s. u.).
Beschreibung und Vorkommen
Die eigentlichen Quellränder lassen sich beschreiben als ein umlaufender Grat bzw. eine umlaufende Erhöhung entlang der Bodenkante, die nur geringfügig über die Bodenfläche hinausragt - in der Art eines sehr schwach ausgeprägten Standrings, denn sie sind nur wenige Millimeter breit.
Quellränder sind ein charakteristisches Merkmal nachgedrehter Keramik (Pletzer 1990, 8. - Scholkmann 1978a, 61). Vereinzelt wurden sie jedoch auch an Drehscheibenware beobachtet (Pletzer 1990, 9f., 35). Quellränder können mit sandgerauten Böden (Scholkmann 1978, 62 u. Abb. 58, 1. 5) Achsabdrücken (Schulze 1981, Abb. 12.6) oder mit plastischen Bodenzeichen (Scholkmann 1978, 62 Anm. 268, Pletzer 1990, 11) am selben Gefäßboden gemeinsam auftreten.
Quetschfalten
Die im Vergleich zu den Quellrändern eher selten beschriebenen Quetschfalten sind eine Falte bzw. feine Rinne oder Fuge, die parallel zur Außenkante des Bodens im geringem Abstand dazu verläuft. Der Rand bzw. die Außenkante des Bodens ist hier nicht erhaben, sondern befindet sich in gleicher Ebene mit der Bodenfläche.
Merkmale, die den Quellrändern und Quetschfalten ähneln oder entsprechen, finden sich auch an Keramikfunden anderer Epochen (Spätantike: Ladstätter 2003; Bronzezeit: Jeffra 2010, 144 fig. 6.49).
Hypothesen zur Entstehung der Quellränder
In der Literatur zu den Quellrändern finden sich mehrere Hypothesen zu ihrer Entstehung. Es sollte dabei auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass unter den als "Quellrand" eingeordneten Merkmalen unterschiedliche Phänomene zusammengefasst werden, die zwar oberflächlich ähnlich aussehen, aber auf verschiedene Weise entstanden sein können - dass also nicht nur eine, sondern mehrere Hypothesen zur Entstehung der Quellränder gültig sind.
Herunterquellen über den Rand der Töpferscheibe
Forschungsgeschichtlich nahm man zunächst an, dass die Quellränder entstanden, indem der Ton über die Kante der Töpferscheibe (bzw. genauer: über die Kante des Scheibenkopfes bzw. Drehtellers der Töpferscheibe) hinaus herabgequetscht, -gedrückt oder -gestrichen wurde, wobei der Gefäßboden um wenige Millimeter größer gewesen sei als der Scheibenkopf (Schuldt 1981, 47; Lais 1958, 191). Der Scheibenkopf müsste gemäß dieser Hypothese recht schmal gewesen sein (Lais a.a.O. nimmt in dem Zusammenhang als Töpferscheibe eine hypothetische sogenannte „Drehsäule“ an).
Zwischenscheiben
Anknüpfend an diese Vorstellung wurde eine weitere Hypothese zur Entstehung der Quellränder entwickelt: Der Ton sei nicht über die Kante der Töpferscheibe, sondern über die Kante einer so genannten Zwischenscheibe herabgestrichen worden:
"Bei der Verwendung einer Zwischenscheibe zwischen Gefäßboden und Töpferscheibe quillt der Ton am Bodenrand des Gefäßes nach unten über und bleibt am Gefäßboden als leichter Grat stehen." (Lüdtke/Schietzel 2001, S. 954)
Derartige Zwischenscheiben (auch Pumpf oder Bomse (Gross 1991, 138)1 genannt) und sind auch ethnographisch belegt (Hampe / Winter 1962, 57 u. Taf. 24-28, 43, 45, 46, 50. – Schütz 2007, 266.) und werden auch heute noch in der modernen Drehscheibentöpferei verwendet (Colbeck 1983, 27f.). Ihr Zweck ist es in erster Linie, eine Verformung beim Abheben des Gefäßes von der Töpferscheibe zu vermeiden, und sie werden bei großen, weit ausladenden Formen mit schmalen Böden verwendet. Sie werden vor der Gefäßformung mit Ton auf der Töpferscheibe befestigt, moderne Varianten auch mit Zapfen in entsprechende Löcher im Scheibenkopf befestigt. Jedes Gefäß wird auf einer eigenen Zwischenscheibe angefertigt und zusammen mit der Zwischenscheibe von der Töpferscheibe abgenommen und zum Trocknen abgestellt. Die Scheibe ist sofort für das nächste Gefäß frei.
Die Auffassung, die Quellränder gingen auf die Verwendung solcher Zwischenscheiben zurück, setzte sich in der Archäologie des Mittelalters weitgehend durch. Einige Beobachtungen geben allerdings Anlass zu Zweifeln. Bei den rezenten ethnographischen Parallelen zur nachgedrehten Keramik, d. h. bei der Wulsttechnik auf langsamen, handbetriebenen Töpferscheiben, ist sowohl die Arbeit mit (Schütz 2007, 266) als auch ohne Zwischenscheiben (Zelenin 1927, 106) bezeugt. Die Arbeitsweise, die für die Entstehung der Quellränder angenommen wird und bei der der Ton über die Kante der Zwischenscheibe herunter quillt, basiert eher auf hypothetischen Überlegungen, es wurden jedenfalls keine ethnographischen Parallelen dazu genannt. In den ethnographischen Quellen wie auch in der modernen Töpferei ist die Zwischenscheibe größer als der Gefäßboden. Gegen die Entstehung der Quellränder durch die Verwendung von Zwischenscheiben spricht vor allem auch ihr gemeinsames Auftreten mit Achsabdrücken am selben Gefäßboden. Zumindest in diesen Fällen scheidet die Verwendung einer Zwischenscheibe aus: das Gefäß muss vielmehr direkt auf der Scheibenoberfläche gefertigt worden sein (es sei denn, man nimmt an, die Zwischenscheibe sei durchbohrt gewesen - was dann wiederum erklärungsbedürftig wäre).
Luftblasen unter dem Gefäß
Evtl. können Luftblasen unter dem Gefäßboden zur Entstehung von Quellrändern führen (Keramiker Prof. Günter, zit. Schulze 1981, 61 Anm. 369).
Nachbearbeitung des Gefäßes durch Herabstreichen der unteren Wandung
Wird von der unteren, äußeren Gefäßwandung her Ton mit den Fingern oder einem Werkzeug nach unten gedrückt oder gestrichen, kann etwas entstehen, das wie ein Quellrand aussieht. Dieses Herabbewegen von Ton kann auf verschiedene Weise geschehen: bei handgemachter Fertigung oder auch an einem umgedrehten Gefäß auf einer Töpferscheibe, und zu verschiedenen Zwecken: Glätten, verdichten oder dünner machen der Gefäßwandung oder eine Verbreiterung des Bodens, „bei der der Töpfer von innen her gegen die Wandung drückt und dabei gleichzeitig die Außenwand nach unten abstreicht“ (Keramiker Prof. Günter, zit. Schulze 1981, 61 Anm. 369).
Funktionaler Aspekt: Standsicherheit
Die Quellränder müssen vielleicht nicht ausschließlich herstellungstechnisch, sondern zusätzlich auch intentionell mit Bezug auf die Gefäßverwendung interpretiert werden, da sie die Standsicherheit erhöhen.
Einsetzen des Bodens
Für die Quetschfalten wurde angenommen, dass der Boden in die Wandung eingesetzt wurde bzw. der erste Wulst seitlich an die Bodenplatte angesetzt wurde (Pletzer 1990, 9).
Herabbewegen von Ton zur Korrektur des Durchmessers
Für die Quetschfalten wird alternativ auch eine Entstehung durch das Herausstreichen von Ton auf laufender Scheibe beschrieben: „Der Hafner an der Töpferscheibe, der vom Tonballen auf der sich drehenden Scheibe mit Zeigefinger und Daumen die Wand nach aufwärts wendet, merkt, daß er die Bodenfläche zu enge genommen hat. Er wendet die schon nach aufwärts gedrehte Wand wieder nach außen zurück, hinab auf die Scheibe und beginnt sie nun neu in die Höhe zu drängen. Die hinabgedrückte Wand bildet nun neben dem Boden eine scharfe gerillte Grenze.“ (Wiesinger 1937, 151.)
Unbeabsichtigte, spontane Entstehung
Experimente (Rogier 2015b) deuten darauf hin, dass Quellränder und Quetschfalten ohne besondere Maßnahmen während der Arbeit am Gefäß spontan entstehen können. Vermutlich spielt dabei ein seitlicher Druck gegen die untere Gefäßwandung dabei eine Rolle.
Literaturhinweise
- Colbeck 1983: J. Colbeck, Töpfern auf der Töpferscheibe, übersetzt und bearbeitet von H. Wachter, Ravensburg 1983. [Engl. Originalausgabe: Pottery. The Technique of Throwing, London/Sydney 1969].
- Gross 1991: U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und schwäbischer Alb. Bemerkungen zur räumlichen Entwicklung und zeitlichen Gliederung. Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 12 (Stuttgart 1991).
- Hampe/Winter 1962: R. Hampe / A. Winter, Bei Töpfern und Töpferinnen in Kreta, Messenien und Zypern (Mainz 1962).
- Lais 1958: R. Lais, Die Technik der frühmittelalterlichen Keramik eines Dorfes bei Merdingen (Ldk. Freiburg). Badische Fundberichte 21, 1958, 177-202.
- Lüdtke/Schietzel 2001: H. Lüdtke / K. Schietzel (Hrsg.), Handbuch zur mittelalterlichen Keramik in Nordeuropa. Schr. Arch. Landesmus. Schleswig 6 (Neumünster 2001) 954.
- Pletzer 1990: G. Pletzer, Die mittelalterliche Keramik von Regensburg. Documenta naturae 58 [Diss. Univ. München 1974] (München 1990).
- Rogier 2015a: M. Rogier, Mittelalterliche nachgedrehte Keramik. Überlegungen zur Definition, Bestimmung und Interpretation am Beispiel Baden-Württemberg (Tübingen 2015).
- Rogier 2015b: Nachgedrehte Keramik – Deutung von Herstellungsspuren mithilfe Experimenteller Archäologie. In: L. Grunwald (Hrsg.), Den Töpfern auf der Spur. Orte der Keramikherstellung im Licht der neuesten Forschung (46. Internationales Symposium Keramikforschung des Arbeitskreises für Keramikforschung und des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz vom 16. bis zum 20. September 2013 in Mayen) (Mainz 2015), 247-256.
- Scholkmann 1978: B. Scholkmann, Sindelfingen / Obere Vorstadt. Eine Siedlung des hohen und späten Mittelalters. Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 3 (Stuttgart 1978).
- Schuldt 1981: E. Schuldt, Groß Raden. Die Keramik einer slawischen Siedlung des 9./10. Jahrhunderts (Berlin 1981).
- Schulze 1981: M. Schulze, Die mittelalterliche Keramik der Wüstung Wülfingen am Kocher, Stadt Forchtenberg, Hohenlohekreis. Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 7 (Stuttgart 1981) 5-148.
- Schütz 2007: I. Schütz, Thermoresistente Keramik aus Pereruela (Spanien). In: M. Harzenetter / G. Isenberg / J. Freigang (Hrsg.), Keramik auf Sonderwegen [37. internationales Hafnerei-Symposium, Herne 19. bis 25. September 2004] (Mainz 2007) 265-269.
- Wiesinger 1937: F. Wiesinger, Die Schwarzhafner und Weißhafner in Oberösterreich. Jahrbuch des oberösterreich. Musealvereines 87, Linz 1937, 85-184.
- Zelenin 1927: D. Zelenin, Russische (Ostslavische) Volkskunde. Grundriß der slavischen Philologie und Kulturgeschichte, hrsg. v. R. Trautmann und M. Vasmer (Berlin, Leipzig 1927).