Riedlingen, Zollhausen: Unterschied zwischen den Versionen

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Riedlingen (Lkr. Biberach), Klinge
Nördlich der Stadt Riedlingen liegt die Wüstung Zollhausen. Heute ist das Areal vom Neubaugebiet Klinge überbaut, was 1995/96 Anlaß zu umfangreichen archäologischen Ausgrabungen gab.
 
   
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Wüstung Zollhausen
==Ortsgeschichte==
 
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[[Datei:Riedlingen (RS 1995) 8 - Kopie.jpg|thumb|right|Riedlingen, Zollhausen Grabung 1996, Lehrgrabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen (Foto: R. Schreg/ Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen)]]
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Grabungen Landesdenkmalamt Baden-Württemberg 1995/96 (A, Bräuning/ F. Klein) mit Lehrgrabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen 1996 (R. Schreg)
   
 
==Lage und Ortsgeschichte==
 
Zollhausen liegt am Hang oberhalb der Zollhauser Mühle nördlich von Riedlingen in der Flur Klinge. Heute ist das Areal vom Neubaugebiet Klinge überbaut, was 1995/96 Anlaß zu umfangreichen archäologischen Ausgrabungen gab.
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Das Siedlungsareal erstreckte sich von der Kuppe bis in die Niederung des Baches, die laut Flurnamen einst auch mit Weihern genutzt wurde. Luftbildbefunde ließen dort eine Niederungsburg vermuten (Bräuning 1996). Zollhausen besaß eine eigene Gemarkung.
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Schriftliche Belege des Ortes reichen nur bis ins 14. Jh. zurück, als sich zunehmend Riedlinger Bürger im Besitz Zollhauser Güter nachweisen lassen, was offenbar mit dem Wüstfallen der Siedlung in Verbindung steht. Der älteste Stadtbeleg von Riedlingen stammt aus dem Jahr 1255 (WUB V,1350), während Urkunden der Jahre zuvor, aber auch danach den Status Riedlingens als Stadt nicht benennen.
   
 
==Befundsituation==
 
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Neben einer keltischen Viereckschanze, die ausführlich publiziert wurde (Bollacher 2006), wurden zahlreiche Spuren mittelalterlicher Pfostenbauten und Grubenhäuser aufgedeckt.
 
Neben einer keltischen Viereckschanze, die ausführlich publiziert wurde (Bollacher 2006), wurden zahlreiche Spuren mittelalterlicher Pfostenbauten und Grubenhäuser aufgedeckt.
 
Bemerkenswert ist ein Brunnen, an dessen Sohle mehrere [[Bügelkanne]]n gefunden wurden, die offenbar zum Wasserschöpfen dienten und dabei verloren gegangen sind.
 
Bemerkenswert ist ein Brunnen, an dessen Sohle mehrere [[Bügelkanne]]n gefunden wurden, die offenbar zum Wasserschöpfen dienten und dabei verloren gegangen sind.
Insgesamt konnten etwa 1,2 ha der Wüstung untersucht werden
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Insgesamt konnten etwa 1,2 ha der Wüstung untersucht werden.
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==Keramikfunde==
 
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Das Fundmaterial ist im einzelnen bislang unpubliziert, doch kann hier eine grobe Einschätzung gegeben werden:
 
Das Fundmaterial ist im einzelnen bislang unpubliziert, doch kann hier eine grobe Einschätzung gegeben werden:
 
   
 
Das Fundspektrum reicht vom 6. bis zum 12./13. Jahrhundertt. Funde der aus schriftlichen Quellen zu erschließenden jünsgten Phase, aus der vor allem [[Jüngere graue Drehscheibenware (Ulm und Oberschwaben, SMa)|jüngere graue Drehscheibenware ähnlich der Ulmer Gegend]] zu erwarten wäre, fehlen fast völlig. Zu den jüngsten Funden zählen einige [[Bügelkanne]]n vom Grund des Brunnens. Sie zeigen einen feinsandigen glimmerhaltigen Scherben und dürften noch nachgedreht sein.
 
Das Fundspektrum reicht vom 6. bis zum 12./13. Jahrhundertt. Funde der aus schriftlichen Quellen zu erschließenden jünsgten Phase, aus der vor allem [[Jüngere graue Drehscheibenware (Ulm und Oberschwaben, SMa)|jüngere graue Drehscheibenware ähnlich der Ulmer Gegend]] zu erwarten wäre, fehlen fast völlig. Zu den jüngsten Funden zählen einige [[Bügelkanne]]n vom Grund des Brunnens. Sie zeigen einen feinsandigen glimmerhaltigen Scherben und dürften noch nachgedreht sein.
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Es dominiert das Fundmaterial des Früh- und Hochmittelalters, wobei die kalkgemagerte [[Albware (Schwäbische Alb/ mittleres Neckarland, HMa)]] den bei weitem größten Anteil hat. Daneben kommen Funde einer feinsandig glimmerhaltigen Drehscheibenware und einer gröberen nachgedrehten Ware vor, die sich beide aufgrund abweichender Randformen nicht einfach unter die [[Feinsandig glimmerhaltige nachgedrehte Ware (Ostalb, HMa)]] bzw. die [[gröbere nachgedrehte Ware (Ulm, HMa)]] einorndnen lassen. Die wenigen Exemplare zeigen jeweils dreikantige Leistenränder. Mit einigen Rändern vom Typ Runder Berg ist die [[Ältere gelbe Drehscheibenware (Südwestdeutschland, FMa/HMa)]] vorhanden, eine geriefte Wandscherbe belegt die Phase Kirchhausen.
 
Es dominiert das Fundmaterial des Früh- und Hochmittelalters, wobei die kalkgemagerte [[Albware (Schwäbische Alb/ mittleres Neckarland, HMa)]] den bei weitem größten Anteil hat. Daneben kommen Funde einer feinsandig glimmerhaltigen Drehscheibenware und einer gröberen nachgedrehten Ware vor, die sich beide aufgrund abweichender Randformen nicht einfach unter die [[Feinsandig glimmerhaltige nachgedrehte Ware (Ostalb, HMa)]] bzw. die [[gröbere nachgedrehte Ware (Ulm, HMa)]] einorndnen lassen. Die wenigen Exemplare zeigen jeweils dreikantige Leistenränder. Mit einigen Rändern vom Typ Runder Berg ist die [[Ältere gelbe Drehscheibenware (Südwestdeutschland, FMa/HMa)]] vorhanden, eine geriefte Wandscherbe belegt die Phase Kirchhausen.
 
[[Datei:Riedlingen (RS 1995) 2 - Kopie.jpg|thumb|center|Riedlingen, Zollhausen Grabung 1995 Bef 1119 Albware (Foto: R. Schreg)]]
 
[[Datei:Riedlingen (RS 1995) 2 - Kopie.jpg|thumb|center|Riedlingen, Zollhausen Grabung 1995 Bef 1119 Albware (Foto: R. Schreg)]]
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[[Datei:Zollhausen Albware.jpg|thumb|400pc|center|Riedlingen, Zollhausen, Albware (Zeichnungen: R. Schreg/ LDA Bad.-Württ.)]]
   
Das Frühmittelalter ist in deutlich geringerer Zahl vertreten. [[Rauwandige Drehscheibenware römischer Tradition]] ist mit mindestens einem Fragment eines [[Sichelrand]]s vertreten, doch fehlen die klassischen merowingerzeitlichen Ränder und Böden der rauwandigen Drehscheibenware. Eine stempelverzierte Wandscherbe könnte zur [Knickwandkeramik]] oder zur [[Buckelkeramik]] gehören und belegt die merowingerzeitliche Besiedlung. Verwiesen sei zudem auf die Fragmente eines Lavezgefäßes, das ebenfalls dem Frühmittelalter zuzurechnen ist.
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Das Frühmittelalter ist in deutlich geringerer Zahl auszumachen. Einige Scherben könnten einer frühmittelalterlichen handgemachten Ware angehören, doch erweist sich eine Aussonderung aus der jüngerlatènezeitlichen Keramik als schwierig. [[Rauwandige Drehscheibenware römischer Tradition]] ist mit mindestens einem Fragment eines [[Sichelrand]]s vertreten, doch fehlen die klassischen merowingerzeitlichen Ränder und Böden der rauwandigen Drehscheibenware. Eine stempelverzierte Wandscherbe könnte zur [Knickwandkeramik]] oder zur [[Buckelkeramik]] gehören und belegt die merowingerzeitliche Besiedlung. Verwiesen sei zudem auf die Fragmente eines Lavezgefäßes, das ebenfalls dem Frühmittelalter zuzurechnen ist.
   
   

Version vom 12. September 2022, 15:11 Uhr

Riedlingen (Lkr. Biberach), Klinge

Wüstung Zollhausen

Riedlingen, Zollhausen Grabung 1996, Lehrgrabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen (Foto: R. Schreg/ Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen)

Grabungen Landesdenkmalamt Baden-Württemberg 1995/96 (A, Bräuning/ F. Klein) mit Lehrgrabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen 1996 (R. Schreg)

Lage und Ortsgeschichte

Zollhausen liegt am Hang oberhalb der Zollhauser Mühle nördlich von Riedlingen in der Flur Klinge. Heute ist das Areal vom Neubaugebiet Klinge überbaut, was 1995/96 Anlaß zu umfangreichen archäologischen Ausgrabungen gab. Das Siedlungsareal erstreckte sich von der Kuppe bis in die Niederung des Baches, die laut Flurnamen einst auch mit Weihern genutzt wurde. Luftbildbefunde ließen dort eine Niederungsburg vermuten (Bräuning 1996). Zollhausen besaß eine eigene Gemarkung.

Schriftliche Belege des Ortes reichen nur bis ins 14. Jh. zurück, als sich zunehmend Riedlinger Bürger im Besitz Zollhauser Güter nachweisen lassen, was offenbar mit dem Wüstfallen der Siedlung in Verbindung steht. Der älteste Stadtbeleg von Riedlingen stammt aus dem Jahr 1255 (WUB V,1350), während Urkunden der Jahre zuvor, aber auch danach den Status Riedlingens als Stadt nicht benennen.

Befundsituation

Neben einer keltischen Viereckschanze, die ausführlich publiziert wurde (Bollacher 2006), wurden zahlreiche Spuren mittelalterlicher Pfostenbauten und Grubenhäuser aufgedeckt. Bemerkenswert ist ein Brunnen, an dessen Sohle mehrere Bügelkannen gefunden wurden, die offenbar zum Wasserschöpfen dienten und dabei verloren gegangen sind. Insgesamt konnten etwa 1,2 ha der Wüstung untersucht werden.


Keramikfunde

Das Fundmaterial ist im einzelnen bislang unpubliziert, doch kann hier eine grobe Einschätzung gegeben werden:

Das Fundspektrum reicht vom 6. bis zum 12./13. Jahrhundertt. Funde der aus schriftlichen Quellen zu erschließenden jünsgten Phase, aus der vor allem jüngere graue Drehscheibenware ähnlich der Ulmer Gegend zu erwarten wäre, fehlen fast völlig. Zu den jüngsten Funden zählen einige Bügelkannen vom Grund des Brunnens. Sie zeigen einen feinsandigen glimmerhaltigen Scherben und dürften noch nachgedreht sein. Es liegen einige Becherkacheln vor, die einen rötlichen sandgemagerten Scherben aufweisen und durch eine X-förmige Grundform auffallen.

Es dominiert das Fundmaterial des Früh- und Hochmittelalters, wobei die kalkgemagerte Albware (Schwäbische Alb/ mittleres Neckarland, HMa) den bei weitem größten Anteil hat. Daneben kommen Funde einer feinsandig glimmerhaltigen Drehscheibenware und einer gröberen nachgedrehten Ware vor, die sich beide aufgrund abweichender Randformen nicht einfach unter die Feinsandig glimmerhaltige nachgedrehte Ware (Ostalb, HMa) bzw. die gröbere nachgedrehte Ware (Ulm, HMa) einorndnen lassen. Die wenigen Exemplare zeigen jeweils dreikantige Leistenränder. Mit einigen Rändern vom Typ Runder Berg ist die Ältere gelbe Drehscheibenware (Südwestdeutschland, FMa/HMa) vorhanden, eine geriefte Wandscherbe belegt die Phase Kirchhausen.

Riedlingen, Zollhausen Grabung 1995 Bef 1119 Albware (Foto: R. Schreg)
Riedlingen, Zollhausen, Albware (Zeichnungen: R. Schreg/ LDA Bad.-Württ.)

Das Frühmittelalter ist in deutlich geringerer Zahl auszumachen. Einige Scherben könnten einer frühmittelalterlichen handgemachten Ware angehören, doch erweist sich eine Aussonderung aus der jüngerlatènezeitlichen Keramik als schwierig. Rauwandige Drehscheibenware römischer Tradition ist mit mindestens einem Fragment eines Sichelrands vertreten, doch fehlen die klassischen merowingerzeitlichen Ränder und Böden der rauwandigen Drehscheibenware. Eine stempelverzierte Wandscherbe könnte zur [Knickwandkeramik]] oder zur Buckelkeramik gehören und belegt die merowingerzeitliche Besiedlung. Verwiesen sei zudem auf die Fragmente eines Lavezgefäßes, das ebenfalls dem Frühmittelalter zuzurechnen ist.


> weitere Abbildungen folgen

Literatur zur Fundstelle

  • Bollacher 2006: Ch. Bollacher, Die keltische Viereckschanze auf der „Klinge“ bei Riedlingen. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 88 (Stuttgart 2006). - ISBN 978-3-8062-2282-1.
  • Bräuning 1995: A. Bräuning, Eine mittelalterliche Wüstung bei Riedlingen an der Donau, Kreis Biberach. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1995, 137-141
  • Bräuning 1996: A. Bräuning, Grabungen in einer mittelalterlichen Wüstung bei Riedlingen an der Donau, Kreis Biberach. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1996, 196 - 200.
  • Schreg 2013: R. Schreg: Die Entstehung des Dorfes um 1200: Voraussetzung und Konsequenz der Urbanisierung. In: R. Röber / K. Igel / M. Jansen / J. Scheschkewitz (Hrsg.), Wandel der Stadt um 1200. Die bauliche und gesellschaftliche Transformation der Stadt im Hochmittelalter. Archäologisch-historischer Workshop, Esslingen, 29. und 30. Juni 2011. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 96 (Stuttgart 2013) 47-66