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Vor allen in den Veröffentlichungen der Gesellschaft für historische Waffen- und Kostümkunde wurden immer wieder verschiedene Erkenntnisse zu Tongranaten disskutiert. Anfangs drehten sich diese Beiträge um ovale Kermikgefäße aus dem islamischen Raum, die aber später einhellig als Quecksilbergefäße identifiziert wurden. |
Vor allen in den Veröffentlichungen der Gesellschaft für historische Waffen- und Kostümkunde wurden immer wieder verschiedene Erkenntnisse zu Tongranaten disskutiert. Anfangs drehten sich diese Beiträge um ovale Kermikgefäße aus dem islamischen Raum, die aber später einhellig als Quecksilbergefäße identifiziert wurden. |
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2013 führte Franz Felberbauer Sprengversuche mit rekonstruierten Tongranaten von der östereichischen Burg Forchtenstein durch. Diese [[Experimentelle Archäologie|Versuche]] erbrachten wertvolle Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Waffe (Felberbauer 2015). |
2013 führte Franz Felberbauer Sprengversuche mit rekonstruierten Tongranaten von der östereichischen Burg Forchtenstein durch. Diese [[Experimentelle Archäologie|Versuche]] erbrachten wertvolle Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Waffe (Felberbauer 2015). |
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Version vom 3. Oktober 2021, 14:19 Uhr
Granaten sind Explosivwaffen, die geworfen oder geschleudert werden. Sie bestanden in der Neuzeit, neben Glas oder Metall, aus einem aus Ton gefertigtem Hohlkörper, der mit Schwarzpulver gefüllt war.
Forschungsgeschichte
Vor allen in den Veröffentlichungen der Gesellschaft für historische Waffen- und Kostümkunde wurden immer wieder verschiedene Erkenntnisse zu Tongranaten disskutiert. Anfangs drehten sich diese Beiträge um ovale Kermikgefäße aus dem islamischen Raum, die aber später einhellig als Quecksilbergefäße identifiziert wurden.
Inzwischen liegen archäologische Funde beispielsweise aus Ingolstadt (Franzkowiak/Wenzel 2018) oder der Festung Hohentwiel (Killinger/ Jenisch 2009) vor.
2013 führte Franz Felberbauer Sprengversuche mit rekonstruierten Tongranaten von der östereichischen Burg Forchtenstein durch. Diese Versuche erbrachten wertvolle Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Waffe (Felberbauer 2015).
Charakteristika
Herstellungstechnik
Die Herstellung ist unterschiedlich, Granaten konnten sowohl frei von Hand geformt als auch auf der Drehscheibe gefertigt werden.
Brand
Die Granaten wurden überwiegend oxidierend gebrannt, einige Exemplare konnten aber auch reduzierend gebrannt werden. Die erreichte Härte des Tones schwankt von relativ weich über ziegelhart bis hin zu steinzeugartig inklusive Verglasung der Oberfläche.
Magerung
Die Magerung bei bekannten Exemplaren schwankt von nicht zu erkennen über feinen hellen Sand zu grobem weißen oder grauen Sand.
Oberflächenbeschaffenheit
Die Oberfläche schwankt je nach Herstellungstechnik von 'grob abgestochen' über 'auf der Scheibe nachgedreht' zu 'sorgfältig geglättet'.
Verzierung
Bei einer Grabung auf der Esplanade hinter dem Neuen Schloss in Ingolstadt wurden über 540 vollständige Granaten geborgen. Dabei wurden 11 verschiedene gestempelte oder eingeritzte Markierungen festgestellt, die als Töpferzeichen interpretiert werden.
Formenspektrum
Es wurden im Ingolstädter Fundkomplex 214 Exemplare genauer vermessen. Offenbar gab es keine genauen Vorgaben für die Fertigung, der Außendurchmesser der Granaten schwankt zwischen 10,5 bis 17,2 cm und das Gesamtgewicht zwischen 1275 und 4474 Gramm. Es gibt dabei keine Schwerpunktbildung bei Größen und Gewicht.
Herstellung
Die Granaten konnten einfach produziert werden und in großen Mengen in Arsenalen für den Kriegsfall gelagert werden.
Verbreitung
Einfache Tongranaten waren weit verbreitet, neben dem europäischen auch im islamischen und asiatischen Raum.
Kulturgeschichtliche Einordnung und sozialer Kontext
Infanterietruppen, die mit Granaten ausgerüstet waren, wurden Grenadiere genannt, was die zunehmende Spezialisierung neuzeitlicher Heere widerspiegelt. Granaten wurden sowohl zur Verteidigung als auch zum Angriff genutzt und ermöglichten es Infanteristen, mit einer relativ leichten Waffe gleichzeitig gegen viele Gegner vorzugehen und sie auszuschalten. Große Exemplare wurden zur Verteidigung auf die die Befestigung stürmenden Angreifer geworfen, beziehungsweise mit Wurfgeräten geschleudert. Neben Keramikgranaten gab es solche aus Glas (Jenisch 2009).
Literaturhinweise
- Felberbauer 2015: F. Felberbauer, Die "Feyer Böller" der Fürsten Esterházy auf Burg Forchtenstein. Waffen- und Kostümkunde 57, 2015, 63-96.
- Franzkowiak/Wenzel 2018: A. Franzkowiak/C. Wenzel, Keramikgranaten aus Ingolstadt. Ein außergewöhnlicher Fund. Waffen- und Kostümkunde 60/1, 2018, 65-80. - https://www.researchgate.net/publication/336512736_Keramikgranaten_aus_dem_17_Jahrhundert
- Jenisch 2009: B. Jenisch: Todbringendes Glas. Gläserne Handgranaten aus dem Graben der Festung Freiburg. Arch. Nachr. Baden 78/79, 2009, 82-83.
- Killinger/Jenisch 2009: St. Killinger/ B. Jenisch, Sturmkugeln aus der Festung Hohentwiel. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2009, 286-288