Karniesrand
Der Karniesrand ist eine spezielle Ausprägung des Leistenrandes, in dessen typologische Entwicklung er sich auch zwanglos eingliedern lässt. Kennzeichnend ist insbesondere die konkave, unterschnittene Leiste. In seiner typischen Ausprägung ist der Rand S-förmig geschwungen.
Karniesränder weisen eine große Bandbreite der formalen Gestaltung auf, so dass sie in manchen Typologien in mehrere Formen differenziert wurden.
In einigen Regionen, so z.B. in Franken ist die konkave Leiste durch eine Mittelrippe weiter profiliert.
Viele Autoren nehmen eine Differenzierung in schmale und breite Karniesränder vor (Z.B. Scholkmann, Losert 1993, 48f.). Im allgemeinen verläuft die Entwicklung von schmalen zu breiten Leistenrändern, für deren Abgrenzung oft eine Breite von 2 cm angegeben wird.
Begriffsprobleme
Der vor allem von Uwe Lobbedey in die Forschung eingeführte Begriff wurde von einigen Forschern bewusst vermieden. Georg Hauser merkte bei der Bearbeitung der Funde aus Franken an, dass das S-förmige Profil, das in der Architektur den Begriff definiert, am fränksichen Fundmaterial ausgesprochen selten sei. Er verwies außerdem darauf, dass der Begriff die Einordnung in die Reihe der spätmittelalterlichen Leistenränder nicht zum Ausdruck bringe. Der Karniesrand habe daher keine Sonderstellung, weshalb er die "exklusive Benennung nur einer Form" für misverständlich hält (Hauser 1984, 70 Anm. 214).
In BaLISminK wird der Begriff des Karniesrand dennoch verwendet, weil er ein diagnostisch leicht identifizierbare und in den verschiedenen Regionen auch chronologisch relativ gut eingrenzbare Randform darstellt, die zudem überregional gesehen, ein Phänomen der Formangleichung vertritt und daher auch kulturgeschichtlich bedeutend ist.
Ein Vorschlag für eine künftige konsequentere Bezeichnung des Karniesrandes wäre "Karnies-Leistenrand".
alternative Bezeichnungen
- Dornränder
- Kragenränder
Chronologie
Karniesränder treten in den meisten Regionen seit dem 12. Jahrhundert auf. Schmale Formen sind im allgemeinen für das 12./13. Jahrhundert charakteristisch, während breite Formen insbesondere im 15. Jahrhundert üblich waren. Im Detail sind regional unterschiedliche Datierungen zu berücksichtigen.
Für Oberfranken ist die Stratigraphie des Bamberger Doms von Bedeutung, außerdem geben einige Münzschatzgefäße wichtige chronologische Anhaltspunkte. Genannt sei hier das Münzschatzgefäß aus Bamberg, Lange Straße 25, dessen Münzserie in das zweite Viertel des 13. Jh. verweist (tpq 1258) (Losert 1993, 48. 122f. Taf. 47,4). Das Gefäß wurde als Indikator für einen frühen Übergang zu breiten Karniesrändern aufgefasst (Losert 1993, 48.), doch ist zu beachten, dass der Rand nicht unterschnitten ist und dsomit nicht als Karniesrand sondern lediglich als konkaver Leistenrand zu klassifizieren ist.
Der Karniesrand entwickelt sich - jedenfalls im südwestdeutschen Raum - aus Leistenrändern nachgedrehter Ware und früher jüngerer Drehscheibenware, allerdings kommen ähnliche Formen auch in der slawischen Keramik des 10./11. Jahrhunderts vor.
überregionale Bedeutung
Karniesränder finden sich von Siebenbürgen bis mindestens zum Rhein.
Literaturhinweise
- Hauser 1984: G. Hauser, Beiträge zur Erforschung hoch- und spätmittelalterlicher Irdenware aus Franken. Beih. ZAM 3 (Köln, Bonn 1984)
- Lobbedey 1968: U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich in Südwestdeutschland. Arb. Frühmittelalterforsch. 3 (Berlin 1968)
- Losert 1993: Hans Losert, Die früh-hochmittelalterliche Keramik in Oberfranken. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters. Beiheft 8 (Köln 1993). (ISBN: 9783792713235)
- Mittelstraß 1994: T. Mittelstraß, Die Funde der archäologischen Ausgrabungen von 1991 und 1992 im Murnauer Schloß. In: Schloß Murnau. Ein Bauwerk der Stauferzeit und seine Geschichte. Forschungen zu Archäologie und Baugeschichte des Mittelalters und der Neuzeit in Bayern 1 (Murnau 1994) 120–273
- Scholkmann 1978 B. Scholkmann, Sindelfingen, obere Vorstadt. Eine Siedlung des hohen und späten Mittelalters. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 3 (Stuttgart 1978).