Kruseler-Püppchen
Kruseler-Püppchen (auch Kruselerpuppen oder Kruselerpüppchen) sind eine Art von Tonfiguren, die im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit verbreitet waren. Ihren Namen haben sie vom Kruseler, einem spätgotischen Kopfputz für Frauen.
Forschungsgeschichte
Publikationen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beschränkten sich oft auf eine reine Aufzählung der verschiedenen Funde, da oft am wissenschaftlichen Wert dieser gezweifelt wurde.
Charakteristika
Herstellungstechnik
Neben frei modelierten Figuren wurden viele Figuren standartisiert in Modeln hergestellt, oder beide Arbeitsweisen wurden kombiniert, indem man den Körper frei formte und den Kopf in einem Model presste. Bei der Herstellung in einem Model wurde Vorder- und Rückseite getrennt in eigenen Modeln hergestellt und von Hand zusammengesetzt. Da sich die Modeln mit der Zeit abnutzten, wurden die Details der Figur zunehmend verwaschener. Man kann drei Qualitätsstufen unterscheiden.
- Gut: Das Relief der Figur ist einwandfrei zu erkennen
- Mittel: Das Relief ist flacher und plastische Elemente wie Nase und Hände werden undeutlich
- Schlecht: Das Relief der Figur ist fast nicht mehr zu erkennen
Daneben wurden vorhandene Figuren kopiert, indem man aus ihnen durch Abformung mit Ton ein neues Model herstellt. Die dann daraus hergestellten Exemplare waren allerdings durch Schwund beim Trocknen kleiner als die ursprüngliche Figur.
Die Größe der Kruseler-Püppchen schwankt im allgemeinen zwischen 10 bis 17 Zentimetern.
Brand
Überwiegend erscheinen die Scherben hell bis fast weiß, da eisenarmer Ton verwendet wurde.
Magerung
Da oft eine deutliche Magerung vorliegt, kann man meist nicht von der Verwendung von 'Pfeifenton' sprechen.
Verzierungen
Die Kruseler-Püppchen waren wahrscheinlich bemalt. Diese Bemalung hat sich in den meisten Fällen durch Gebrauch und Lagerung im Boden nicht erhalten. Bei einzelnen Exemplaren lässt sich auch die Verwendung einer Engobe nachweisen.
Formenspektrum
Grönke/Weinlich unterscheiden vier verschiedene Typen:
- Typ 1: Die einfachste Form. Sie besteht aus übereinanderliegenden Schleiertüchern, deren Längsseiten gekräuselt sind. Die Schultern werden davon teilweise bedeckt.
- Untertypen 1a-1c
- Typ 2: Die Längs- und Schmalseiten sind gekräuselt. Auf Höhe des Halses sind die Kräuselungen jedoch unterbrochen, sodass man das Tuch knicken und um die Schultern drapieren kann.
- Untertypen 2a-2g
- Typ 3: Diese Form, auch Risenkruseler genannt, besteht aus zwei Teilen. Einmal aus Typ 1, der wie gewohnt das Gesich umrahmt und dann aus der Rise, die wie ein Schal den Hals bis zum Kinn bedeckt und an der Unterseite ebenfalls gekräuselt ist.
- Untertypen 3a-3e
- Typ 4: Umfasst alle Figuren, die eine runde bis ovale Vertiefung in der Brust aufweisen und ansonsten fast ausschließlich dem Typ 1 entsprechen. Was sich in dieser Aussparung befand, ist noch nicht abschließend geklärt worden.
- Untertypen 4a-4d
Chronologie
Die Entstehung der Kruseler-Püppchen fällt anhand ihrer Kleidung von der Mitte des 14. bis ins erste Drittel des 15. Jahrhunderts. Die erste Abbildung eines Kruselers lässt sich auf einem schlesischen Fürstinnensiegel von 1342 belegen und auch auf verschiedenen Grabsteinen des 13. Jahrhundets tritt diese Kopfbedeckung auf (Rady 1923).
Herstellung und Handel
Grundsätzlich konnte jeder Töpfer Kruseler-Püppchen herstellen. Erst im 16. Jahrhundert wurde in Städten wie Hannover, Utrecht, Kampen, Aachen, Köln, Mainz, Worms, Straßburg, Nürnberg und Augsburg die Gilden der 'Bilddrucker, Bilderbäcker oder Bildermacher' etabliert, die sich auf die Herstellung von Tonfiguren spezialisierten. Die Kruseler-Püppchen wurden in großem Maßstab verhandelt. Es gibt Beispiele von Kruselerfigürchen aus Ungarn (Visegrád), die dort auch lokal imitiert wurden.
Kulturgeschichtliche Einordnung und sozialer Kontext
Die Funktion der Kruseler-Püppchen ist noch nicht eindeutig belegt, da entsprechende Quellen nicht bekannt sind. Gegen eine Verwendung als religiöses Objekt spricht die Betonung der modischen Kleidung und die profane Haltung der Hände. Daher wird meist eine Nutzung als Spielzeug angenommen. Die günstige Massenproduktion lässt einen geringen Stückpreis vermuten und damit eine hohe Verbreitung. Ab dem 14. Jarhundert nahmen die technischen Innovationen deutlich zu und erhöhten den Wohlstand breiterer Bevölkerungsschichten. So war es auch den Kinder einfacher Leute möglich mit Puppen zu spielen, die die Mode der Adligen und Reichen wiederspiegelte. Insgesamt handelt es sich um ein durchaus bedeutendes Zeitdokument, das die sich ständig verändernden gesellschaftlichen und handwerklichen Entwicklungen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit zeigt.
Einzelnachweise
- Grönle/ Weinlich 1998: E. Grönle/E. Weinlich, Mode aus Modeln. Kruseler- und andere Tonfiguren des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem Germanischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen. Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Wissenschaftliche Beibände 14 (Nürnberg 1998).
- Rady 1923: O. Rady, Der Kruseler. Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde 10, 1923, 131-136.