Nachgedrehte Keramik
Terminologie
Der Begriff “nachgedrehte Waren” fasst Warenarten zusammen, die nicht durch freies Drehen (Drehscheibenware), sondern durch unterschiedliche Treibtechniken hergestellt wurden (Rogier 2011, 89). Aufgrund dieser “negativen Definition” (vgl. Rogier 2011, 89) finden sich in der Literatur unter “nachgedrehte Waren” sehr unterschiedliche Ausprägungen. Zudem ist eine korrekte Ansprache bei stark zerscherbtem Material wegen der großen regionalen Unterschiede innerhalb dieser Warenart und den gleichzeitigen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung besonders qualitätsvoller “nachgedrehter Waren” zu der Drehscheibenware nicht immer möglich.
Forschungsgeschichte
Der Forschungsstand zu den nachgedrehten Waren ist relativ schlecht. Meistens fanden Scherben dieser Warenart im Rahmen von Aufarbeitungen von Fundkomplexen Erwähnung. Neben Gross, der in mehreren Publikationen auf die nachgedrehten Waren eingeht, findet sich eine ausführliche Darstellung lediglich bei Rogier 2011. Problematisch istzudem der Gebrauch unterschiedlicher Termini in der Literatur wie u.A. “gewülstete Ware” (Lobbedey 1968, 26). Auch eine weitere Differenzierung z.B. in Albware oder Goldglimmerware wird nicht von allen Autoren vorgenommen, sodass mitunter unklar bleibt, wie der Begriff 'nachgedrehte Waren' zu verstehen ist.
Chronologie
Die Chronologie der nachgedrehten Keramik des 9./10. Jahrhunderts ist weitgehend ungeklärt, hingegen sind zahlreiche Waren des 11./12. Jahrhunderts bekannt. In ihren Anfängen noch merowingerzeitliche nachgedrehte Waren, wie etwa die Kammstrichware mögen längere Laufzeiten besitzen als bisher angenommen und diese Lücke teilweise füllen (Ade-Rademacher 1993, 90 f.; Maier 1994). In Urspring wurde eine rauwandige nachgedrehte Ware ausgesondert, die noch ins frühe Mittelalter datiert und Anklänge an die spätmerowingerzeitliche rauwandige Drehscheibenware zeigt. Zugleich wurde hier eine weitere nachgedrehte Warenart, die graubeige nachgedrehte Keramik bestimmt, die in ihrer mangelnden Einheitlichkeit im Formenbestand jedoch fraglich erscheint (Maier 1994; Schreg 1996. -Abb. #219). Nachgedrehte Waren treten im Arbeitsgebiet im Zeitraum bis zum 13. Jahrhundert (Rogier 2011, 5) in unterschiedlichen Mengen und Ausprägungen auf.Allgemeine Bestimmungsmerkmale für nachgedrehte Warenarten Die Abgrenzung der nachgedrehten Waren von der Drehscheibenware ist oftmals problematisch, vor allem bei Wandscherben oder stark zerscherbtem Material. Daher ist eine Bestimmung oftmals nicht, oder nur im Ausschlussverfahren möglich. Folgende Merkmale können bei der Erkennung und Bestimmung nachgedrehter Keramik hilfreich sein:
- Nachgedrehte Waren weisen meist ein dickerer Rand auf, der durch das Ansetzen an das Gefäß entsteht.
- Die Drehrillen sind unregelmäßiger, weniger fein und variabler im Abstand.
- Die Böden der Gefäße weisen häufig einen Abdruck auf, den die Drehachse der Unterlage hinterlässt. Die Formen dieser Achsnarbe (oder Bodenzeichen) sind vielfältig (Krähenfüße; Radkreuz; ...). Sie sind in Südwestdeutschland vom 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts geläufig. Dabei geht die Tendenz von großen, den ganzen Boden bedeckenden Zeichen hin zu kleineren Zeichen (Abb. #219).
Warenarten
Lokale Ausprägungen bestimmen das Bild der nachgedrehten Ware. Die einzelnen Keramiklandschaften sind bisher nur grob zu umschreiben (Gross 1991, 52 ff.). Am besten ist derzeit noch die sog. Albware abzugrenzen. Besonders ist hier noch auf die spezielle Gefäßform der Hängetöpfe hinzuweisen, wie sie sich in der nachgedrehten Keramik von Wülfingen belegen lassen. Am Rand waren Ösen angebracht, die es ermöglichen, den Topf über das Herdfeuer zu hängen. Eine Scherbe aus Wülfingen mit einer Schutzklappe, die das Aufhängeseil vor Hitze schützt, findet bisher nur in Norddeutschland Vergleiche (Gross 1991e). Aufgrund ihrer vergleichsweise einfachen Herstellungstechnik kann angenommen werden, dass nachgedrehte Keramik im häuslichen Bereich hergestellt wurde (Rogier 2011, 5).