Sindelfingen, St. Martin
Die Stiftskirche St. Martin nördlich der Sindelfinger Altstadt ist ein für die Keramikchronologie wichtiger Fundort im Neckarland, da hier stratigraphische Dokumentation sowie ein um 1180 datiertes Münzschatzgefäß vorliegen. Die Funde reichen zurück in die späte Merowingerzeit. Die Kirche selbst wurde im 11. Jahrhundert für das neu begründete Chorherrenstift errichtet, übernahm aber uch Pfarrfunktionen für die umliegenden Siedlungen, wie auch für die 1263 gegründete Stadt Sindelfingen.
Forschungsgeschichte
Im Rahmen einer Renovierung der Kirche 1863-65 fanden erste Ausgrabungen statt, die wohl auf den Ostteil der Kirche beschränkt blieben, die jedoch schlecht dokumnetiert sind. Weitere Untersuchungen gab es bei einer weiteren Renovierung 1933, die ebenfalls viele Fraen offen ließ. 1973 wurde die Gelegenheit einer weiteren Renovierung zu systematischen Ausgrabungen genutzt, die jedoch den Charakter einer Notgrabung besaßen, idem die Ausschachtungen bauseits vorgenommen und lediglich die Profile dokumentiert wurden (Scholkmann 1977).
Während der Grabungen in der Kirche konnten 1973 in dem unmittelbar westlich der Kirche liegenden Gebäude Obere Vorstadt 8 einige Funde geborgen werden (Scholkmann 1977a).
Befundsituation
Keramikfunde
B. Scholkmann gliederte das keramische Fundmaterial in Ahnlehung an die frühere Bearbeitung der Untersuchungen von Sindelfingen, Obere Vorstadt in folgende Gruppen:
- Nachgedrehte, graue-brauntonige Ware (entsprcht weitgehend der Albware (Schwäbische Alb/ mittleres Neckarland, HMa). - Dazu gehört auch das unten genannte Münzschatzgefäß.
- Jüngere Drehscheibenware
- Sonstige mittelalterliche Warenarten, darunter wenige Scherben der rotbemalten schwäbischen Feinware
Münzschatzgefäß
Bei den Ausgrabungen wurde 1973 im Westteil des nördlichen Seitenschiffs der Stiftskirche ca. 15 cm unter dem Fußboden ein kleines beschädigtes wellenverziertes Töpfchen der "nachgedrehten, grau-brauntonigen Ware" gefunden (Scholkmann 1977, 43; Nau 1977), die weitgehend der Albware (Schwäbische Alb/ mittleres Neckarland, HMa) zuzurechnen ist. Das Gefäß ähnelt sehr demjenigen von Steckborn, Münzhort 1883.
In dem Gefäß fanden sich, teilweise rollenweise aneinander liegend 940 Silberpfennige. Bei den weiteren Grabungen wurden in verlagerten Befunden weitere 5, wohl zum Schatz gefhörige Münzen gefunden. Die überwiegende Zahl der Münzen sind Brakteaten Konstanzer Schlags, die um 1170/80 datiert werden. Daneben gibt es wenige Tübinger und Speyrer Prägungen. 8 Brakteaten wurden möglicherweise in Sindelfingen selbst geprägt.
Literatur
- Nau 1977: E. Nau, Der Münzschatz aus der Martinskirche in Sindelfingen, in: Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (1977) 67-75
- Schäfer 1977: H. Schäfer, Zur Baugeschichte der ehemaligen Stiftskirche St. Martin in Sindelfingen. In: ,Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 77–128.
- Scholkmann 1977: B. Scholkmann, Archäologische Untersuchungen in der ehemaligen Stiftskirche St. Martin in Sindelfingen. In: Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 7–66.
- Scholkmann 1977a: B. Scholkmann, Ein Keller mit spätmittelalterlichen Funden unter der Propstei des ehemaligen Chorherrenstiftes Sindelfingen. In: ,Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 4 (Stuttgart 1977) 135–148.