Rauwandige Drehscheibenware Donzdorfer Art (Neckarland/ Schwäb. Alb, FMa)
Die rauwandige Drehscheibenware Donzdorfer Art ist eine wichtige Ausprägung der frühmittelalterlichen rauhwandige Drehscheibenwaren insbesondere aus dem Neckarland und der Mittleren Schwäbischen Alb und ihrem Vorland. Namengebend ist ein Töpferofen aus Donzdorf.
Forschungsgeschichte
Bei der Publikation des Donzdorfer Töpferofens datierte Hübener 1962 (Hübener/Roeren/Natter 1962) die Keramik in das fortgeschrittene 7. Jahrhundert. Dabei wurde auf Funde im nahe gelegenen merowingerzeitlichen Reihengräberfeld Donzdorf, Vorschwärz verwiesen. U. Gross setzt den Töpferofen erst ins 8. Jahrhundert, doch geht er von einem Produktionsbeginn des Betriebes bereits vor 600 aus (Gross 1991). Aufgrund neuer Funde, die 2001 am Donzdorfer Schloß gefunden wurden hält er eine Produktion bis in die Karolingerzeit für möglich, da hier geriefte Wandungen wie bei der frühen älteren gelben Drehscheibenware auftreten (Arnold u.a. 2001).
andere Bezeichnungen
- Albware (nicht zu verwechseln mit der hochmittelalterlichen Albware)
- Donzdorfer Keramik
- rauhwandige, leicht geriefte Ware (Hübener 1969)
Von verschiedenen Bearbeitern wurde der Begriff der 'Donzdorfer Keramik' in umfassenderem Sinne verwendet und als weitgehend synonymer Begriff für die 'rauhwandige Keramik' überhaupt benutzt. Vielfach wird von der Donzdorfer Ware eine Gruppe verwandter rauwandiger Drehscheibenware abgetrennt, die als Donzdorfer Art oder Donzdorfer Tradition bezeichnet wird (z.B. Maier 1994; Leinthaler 2003, 76).
Charakteristika
Charakteristisch für die Rauwandige Drehscheibenware Donzdorfer Art ist eine mittlere Magerung vorwiegend aus Quarz. Daneben kommen aber auch andere Zusätze bzw. Einsprengsel vor. Neben teilweise sehr groben Kalkpartikeln sind rostbraune Partikel zu nennen, bei denen es sich nach optischem Eindruck in der Mehrzahl um Sandsteine, vereinzelt auch um Bohnerze handelt. Gelegentlich finden sich auch Abdrücke organischen Materials. Die Oberfläche wird durch die Magerungspartikel durchstoßen und aufgerissen und erhält so die charakteristische Rauhwandigkeit und eine 'Craquelée'-Struktur. Das Farbspektrum umfaßt dunkelgraue bis ausgelaugt-grauweißliche Töne.
Herstellungstechnik
Deutliche Drehriefen und an den Böden oft erkennbare Drehschnekcen sind deutliche Hinweise auf einer Herstellung auf einer schnell laufenden Töpferscheibe.
Brand/ Farbe
Dominierend sind Grautöne. Gelegentlich sind die Scherben jedoch aucg fast weiß, wie etwa die Exemplare aus dem namengebenden Töpferofen von Donzdorf, bei denen es sich allerdings um Fehlbrände handelt.
Magerung
Echte Donzdorfer Ware weist rostbraune Magerungspartikel auf. Optisch ist nicht klar zu differenzieren, ob es sich um kleine Bohnerzkügelchen oder eher um rostbraunen Sandstein handelt. Beides kommt geologisch um Donzdorf vor.
Oberflächenbeschaffenheit
Charakteristisch ist das sog. Craquelée, eine feine Rissstruktur v.a. um die Magerungspartikel herum.
Verzierungen
Im Donzdorfer Töpferofen wie auch im dortigen Gräberfeld Donzdorf, Vorschwärz kommen zahlreichen einfache einzeilige Rollstempel vor.
Gefäßformen
Unter den Gefäßformen überwiegt der Topf. Weitere Gefäßformen, wie Schalen und Henkelgefäße sind relativ selten, doch ist das Formenspektrum größer, als es im Donzdorfer Ofen selbst vertreten ist (Maier 1994, 48 ff.). An Verzierungen sind insbesondere horizontale Stempelreihen zu nennen.
Randformen
Die Ränder sind wulstartig verdickt, auf der Innenseite zeigt sich häufig eine flache Kehlung als typologisches Rudiment des Deckelfalzes der spätrömischen Sichelränder. Eine zweite Randform ist eher dreikantig und nach außen abgeschrägt. Hinzuweisen ist auf die Halsbildung als vermutlich jüngeres Element.
- Wulstränder
- dreikantige Leistenränder
Chronologie
Für die Chronologie bedeutend ist das Vorkommen in einigen Gräbern der Merowingerzeit. Funde aus einem Grubenhaus in Heidenheim-Schnaitheim, Seewiesen zeigen eine jüngere Phase des 8. Jahrhunderts, für die eine Halsbildung unterhalb des klassischen Wulstrandes typisch ist.
Verbreitung
Eine Zuweisung zur Donzdorfer Töpferei ist selten wirklich gesichert. Eine Kartierung der rauwandigen Drehscheibenware Donzdorfer Art im engeren Sinne zeigt eine regionale Verbreitung auf der Alb und ihrem Vorland.
https://www.google.com/maps/d/edit?mid=1Tx3jHDF3uihdZar-oSWRYyb3mAc&usp=sharing
Vorkommen
Liste nach Hübener/Lobbedey 1964:
- Kaiseraugst bei Basel, Scherbe. Mus. Basel.
- Mengen, Kr. Freiburg, Grab 340. Mus. Freiburg i. Br.
- Bargen, Kr. Sinsheim, Grab 8/17. Mus. Karlsruhe.
- Frankfurt-M. - Sindlingen, Grab 8. Mus. Frankfurt Inv. X 16.195.
- Hochheim, Maintaunuskreis, Mus. Wiesbaden. - Lit.: Bodenaltertümer Nassau 6, 1956, Taf. 14,1 (H. Schoppa).
- Wurmlingen, Kr. Tuttlingen, Grab 10. Mus. Stuttgart.
- Oberflacht, Kr. Tuttlingen, Grab 19/1943. Mus. Stuttgart.
- Trossingen, Kr. Tuttlingen, Grab 1. Mus. Stuttgart.
- Trossingen, Kr. Tuttlingen, Grab 24. Mus. Stuttgart Inv. A 38/85.
- Trossingen, Kr. Tuttlingen, Grab 25. Mus. Stuttgart Inv. A 41/48.
- Trossingen, Kr. Tuttlingen, Grab 28. Mus. Stuttgart Inv. A 41/50.
- Trossingen, Kr. Tuttlingen. Mus. Stuttgart.
- Trossingen, Kr. Tuttlingen, Friedhof, SW-Ecke. Mus. Stuttgart.
- Trossingen, Kr. Tuttlingen. Mus. Stuttgart Inv. A 37/31. — Lit.: Fundber. aus Schwaben N. F. 9, 1935/38 Taf. 46, Abb. 6.
- Bubsheim, Kr. Tuttlingen. Mus. Stuttgart Inv. A 33/4.
- F. O. ? . Mus. Stuttgart Inv. 1671.
- Ostrach, Kr. Sigmaringen. Mus. Sigmaringen. — Lit.: Fundberichte aus Hohenzollern 1, 1928 Taf. IX 3 rechts.
- Gammertingen, Kr. Sigmaringen. Mus. Stuttgart.
- Gammertingen, Kr. Sigmaringen. Mus. Stuttgart Inv. 1886.
- Tailfingen-Truchtelfingen, Kr. Balingen. Mus. Stuttgart Inv. 12 297 e. (Veeck 1931, Taf. 18,23).
- Nusplingen, Kr. Balingen, Grab 166/1935. Mus. Stuttgart. (Fundberichte aus Schwaben N. F. 12, 2, 1938/51 Taf. 31 Nr. 2,2.
.*Deißlingen, Kr. Rottweil, Grab 28. Mus. Stuttgart.
- Hailfingen, Kr. Tübingen, Grab 96. Mus. Tübingen (Henkelkrug). - Lit.: H. Stoll, Hailfingen Taf. 36,7.
- Talheim, Kr. Tübingen. Mus. Stuttgart Inv. 12 297 c (Veeck 1931, Taf. 17,40).
- Erpfingen, Kr. Reutlingen. Mus. Stuttgart Inv. 12 297 b II, Grab A. (Veeck 1931, Taf. 14,22).
- Holzelfingen, Kr. Reutlingen. Mus. Stuttgart, Slg. Hügel Inv. 229.
- Bad Urach, Runder Berg, Kr. Reutlingen, Siedlung. Urach, Slg. H. Burkert. .
- Stuttgart-Feuerbach, Grab 72. Mus. Stuttgart-Feuerbach. - Lit.: O. Paret, Die frühschwäbischen Gräberfelder Taf. 22,8.
- Stuttgart-Feuerbach, Grab 78. Mus. Stuttgart-Feuerbach. - Lit.: O. Paret, Die frühschwäbischen Gräberfelder Taf. 22,10.
- Stuttgart-Untertürkheim. Mus. Stuttgart Inv. A 146 III e ((Veeck 1931, Taf. 14,27).
- Stuttgart-Untertürkheim. Mus. Stuttgart Inv. A 146 III f (Veeck 1931, Taf. 14,19).
- Ditzingen, Kr. Leonberg. Mus. Stuttgart Inv. A 36/12 (Unterteil).
- Weil-der-Stadt, Kr. Leonberg. Mus. Weilderstadt. (Unter Vorbehalt; Original nicht gesehen.) (Fundber. aus Schwaben N. F. 14, 1957, 220 Taf. 36,6).
- Egartenhof, Gern. Bissingen, Kr. Ludwigsburg. Mus. Stuttgart Inv. 11 132,2 (Veeck 1931, Taf. 14,24).
- Egartenhof, Gern. Bissingen, Kr. Ludwigsburg, Mus. Stuttgart Inv. 11 132,1 (Veeck 1931, Taf. 14,23).
- Gemmrigheim, Kr. Ludwigsburg. Mus. Stuttgart Inv. A 37157. - Lit.: Fundberichte aus Schwaben, N. F. 9, 1935/38, Taf. 46, Abb. 3,1.
- Möglingen, Kr. Ludwigsburg. Mus. Stuttgart Inv. A 35/35.
- Möglingen, Kr. Ludwigsburg, Grab 5. Mus. Stuttgart Inv. A 32/180 c.
- Möglingen, Kr. Ludwigsburg, Grab 6. Mus. Stuttgart Inv. A 32/182. - Lit.: Fundberichte aus Schwaben, N. F. 16, 1963, 180, Abb. 5.
- Murr, Kr. Ludwigsburg. Mus. Stuttgart Inv. A 31/194.
- Murr, Kr. Ludwigsburg. Mus. Stuttgart Inv. A 2096-8. (Veeck 1931, Taf. 14,15).
- Murr, Kr. Ludwigsburg. Mus. Stuttgart Inv. A 2096/9 (Veeck 1931, Taf. 15,33).
- F. O. ? . Mus. Stuttgart.
- Eßlingen-Sirnau. Mus. Eßlingen. — Lit.: Fundber. aus Schwaben N. F. 9, 1935/38 Taf. 47 Abb. 3 oben Mitte.
- Eßlingen-Sirnau. Mus. Eßlingen. — Lit.: Fundber. aus Schwaben N. F. 9, 1935/38 Taf. 47 Abb. 3 oben rechts.
- Esslingen, St. Dionysius
- Donzdorf, Hinterer Brühl. Mus. Stuttgart Inv. 59/1. - Lit.: Fundber. aus Schwaben N. F. 16, 1962, 176 ff.
- Göppingen, Kr. Göppingen. Mus. Göppingen.
- Geislingen, Mühlwiesen.
- Steinheim, Albuch, Kr. Heidenheim. Mus. ? - Lit.: Fundber. aus Schwaben N. F. 13, 1952/54, 102 Taf. 21,2.
- F. O. unbek. Mus. Heidenheim. — Lit.: H. Zürn, Katalog Heidenheim Taf. 31,4.
- Bopfingen, Kr. Aalen (’OberdorF), Grab 8. Mus. Stuttgart Inv. A 1483/2 ((Veeck 1931, Taf. 14,28).
- Ulm. Kienlesberg Mus. Stuttgart Inv. S. U. 857 (Veeck 1931, Taf. 14,25).
- Ulm. Kienlesberg . Mus. Stuttgart Inv. S. U. 967,4 (Veeck 1931, Taf. 14,26).
- Ulm, Bahnhof. Mus. Stuttgart, Slg. Wirth Inv. 475.
- Ulm, Weinhof 15, Siedlung.
- Lauingen, Kr. Dillingen a. D., Hyazinth-Wäckerleweg, Siedlung. Mus. Lauingen.
- Wittislingen, Kr. Dillingen a. D. Siedlung. Mus. Lauingen.
Ergänzungen
- Aldingen
- Aufhausen
- Donzdorf, Vorschwärz
- Nußdorf
- Ebingen
- Schalkstetten
- Stubersheim
- Hofstett-Emerbuch
- Großkuchen
- Heidenheim an der Brenz
- Schnaitheim, Seewiesen
- Kirchheim unter Teck
- Ostrach
- Renningen, Neuwiesenäcker (Schreg 2006)
- Sindelfingen
- Sontheim an der Brenz
- Rottenburg
- Urspring, Breiter Weg (Maier 1994)
- Wäschenbeuren
- Gruibingen
- Türkheim (Schreg 1999)
- Kuchalb (Schreg 1999)
- Stötten (Schreg 1999)
- Berghülen
- Treffensbuch
- Lonsee
- Bollingen
- Tübingen
- Lauchheim
- Langenenslingen, Im Baumgarten 7 (Böhm, Klein 2009)
Herstellungsbelege
- Töpferofen von Donzdorf, Hinterer Brühl
Kulturgeschichtliche Einordnung und sozialer Kontext
Die Ware gilt als fränkischer Einfluss im alamannischen Raum. Sie führt römische Traditionen fort und knüpft an rauwandige Drehscheibenware römischer Tradition an.
Literaturhinweise
- Arnold u.a. 2001: S. Arnold/M. Weihs/U. Gross, Ein mittelalterlicher Ziegeleibetrieb beim Neuen Schloss in Donzdorf, Kreis Göppingen. Arch. Ausgr. Bad.-Württ., 2001, 228–230.
- Böhm/Klein 2009: J. Böhm/F. Klein, Archäologische Untersuchungen im Neubaugebiet "Baumgarten", Langenenslingen, Kreis Biberach. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2009, 206–209.
- Gross 1991: U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und Schwäbischer Alb. Bemerkungen zur räumlichen Entwicklung und zeitlichen Gliederung. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 12 (Stuttgart 1991). bes. 26ff.
- Gross 1992: U. Gross, Zur rauhwandigen Drehscheibenware der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters. Fundber. Bad.-Württ. 17/1, 1992, 423-440. - https://doi.org/10.11588/fbbw.1992.1.43215
- Hübener/ Lobbedey 1964: W. Hübener/U. Lobbedey, Zur Struktur der Keramik der späteren Merowingerzeit. Beobachtungen an süddeutschen Grab- und Siedlungsfunden. Bonner Jahrb. 164, 1964, 88–129.
- Maier 1994: K. H. Maier, Eine mittelalterliche Siedlung auf Markung Urspring (Gemeinde Lonsee, Alb-Donau-Kreis). Materialh. Arch. Bad.-Württ. 23 (Stuttgart 1994).
- Natter u.a. 1962: K. Natter/R. Roeren/W. Hübener, Ein Töpferofen des frühen Mittelalters von Donzdorf (Kr. Göppingen). Fundber. Schwaben N.F. 16, 1962, 172–183.
- Schreg 1999: R. Schreg, Die alamannische Besiedlung des Geislinger Talkessels (Markungen Altenstadt und Geislingen, Stadt Geislingen a.d. Steige, Lkr. Göppingen). Fundber. Bad.-Württ. 23, 1999, 385–617.
- Veeck 1931: W. Veeck, Die Alamannen in Württemberg. German. Denkm. Völkerwanderungszeit 1 (Berlin, Leipzig 1931).