Aschaffenburg, Theaterplatz
Die Ausgrabungen vom Theaterplatz in Aschaffenburg sind aufgrund ihrer mächtigen Stratigaphie von großer bedeutung, doch ist die Ausgrabung bislang nicht publiziert bzw. ausgewertet. Das Forschungsinteresse galt vor allem der Völkerwanderungszeit.
Lage
Aschaffenburg liegt auf einem spornartigen Plateau östlich oberhalb einer Mainbiegung, das im Norden von der Aschaff begrent wird.
- Koordinaten: R49.97385, H9.14458
Forschungsgeschichte
Der Theaterplatz in Aschaffenburg entstand erst nach dem Abriss kriegszerstörter Häuser. Bereits bei den Abrissarbeiten der 1950er Jahre wurden Hinweise auf mittelalterliche Gebäude entdeckt. Bis in die 1990er Jahre diente das Areal überwiegend als Parkplatz. Zwischen 1996 und 1997 fand dort die größte archäologische Flächengrabung in Aschaffenburg statt, angestoßen durch Pläne zur Neugestaltung und teilweisen Bebauung des Platzes. Im Herbst 1995 erfolgten in zwei Grabungsschnitten erste Sondagegrabungen durch die Firma ArcTron.
Zwischen dem 1. April 1996 und dem 27. März 1997 wurde die Flächengrabung von der Firma ArcTron durchgeführt, unter der Aufsicht des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege und in Zusammenarbeit mit den Museen der Stadt.
Die Firma ArcTron war für die Ausführung verantwortlich, wobei moderne digitale Dokumentationsverfahren eingesetzt wurden. Die Grabungen umfassten eine unbebaute Fläche von über 2000 m² zwischen mehreren Straßen, während Randbereiche aufgrund ihrer Unterkellerung ausgeschlossen wurden. In zwei Grabungsabschnitten wurde zunächst die westliche Teilfläche südlich des Theaters und anschließend die östliche teilweise in Richtung Pfaffengasse untersucht. Aufgrund der vorausgehenden Sondagen wurden archäologische Schichten von über 5 Metern bis in vor- und frühgeschichtliche Perioden erwartet. Die Fragestellung richtete sich allerdings weniger auf die mittelalterliche Stadtentwicklung als vielmehr auf die Völkerwanderungszeit und die Identifizierung des alamannischen Hauptortes "ascapha", der von dem Geographen von Ravenna im 5. Jahrhundert erwähnt wurde. Dementsprechend wurden zunächst auch dies frühen Funde bearbeitet (Ramstätter 2013).
Die Ausgabungen am Theaterplatz waren der Auftakt zu zahlreichen weiteren stadtarchäologischne Ausgrabungen, so etwa 1999 in der Rathausgasse 6.
Befundsituation
Die Befundlage am Theaterplatz zeigte während der ersten Sondagegrabung von 1995 in Schnitt 1 , in einem frhneuzeitlichen Gartenareal eine etwa 2,5 Meter mächtige Stratigraphie. Unter einem modernen Planierungshorizont findet sich eine komplexe Schichtenfolge, die hauptsächlich aus dem 10. bis 12. Jahrhundert stammt. Zu diesem Zeitraum gehören mehrere große Pfostengruben sowie der fragmentarisch erfasste Befund einer möglicherweise größeren Kellergrube. Zudem stammen einige Pfostenspuren vermutlich aus der Völkerwanderungszeit. Urgeschichtliche Funde sind lediglich durch wenige, verlagert vorgefundene Einzelstücke vertreten, darunter sticht das Fragment einer schnurkeramischen Bootshammeraxt hervor.
Schnitt 2 befand sich im Hofbereich zwischen zwei Gebäuden, mit dem Ziel, die Fundamente des Stäblerhauses zu erfassen, das als ältester profaner Steinbau Aschaffenburgs gilt und 1182 erstmals erwähnt wurde. Dieses Gebäude wurde 1953 nach schweren Kriegsschäden abgerissen, jedoch ergaben die Ausgrabungen, dass die Fundamente dabei entweder vollständig beseitigt oder bei späteren Arbeiten entfernt worden waren. Im ungestörten Bereich konnten noch eine 5,5 Meter mächtige Abfolge von Siedlungsschichten dokumentiert werden. Die spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Schichten waren unter der modernen Planierung nur gering ausgeprägt. Darunter fanden sich ausgeprägte Schichten aus dem 10. bis 12. Jahrhundert, die eine größere Grube überlagern, die allerdings nur teilweise untersucht werden konnte. Mehrere Schichten, darunter Estriche und Pflasterungen, deuten auf Innenbebauungen und die Gestaltung des Hofes hin. Über der Grube wurden Gusskuchen entdeckt, die auf hochmittelalterliche Eisengewinnung in der Umgebung hindeuten. Außerdem wurden aus umgelagerten Schichten ein römischer Spielstein aus blauem Glas des 3. Jahrhunderts sowie Fragmente von Mayener Keramik und eine völkerwanderungszeitliche Glasperle gefunden.
Bei den Ausgrabungen 1996/97 wiesen die Kulturschichten in der Regel eine Tiefe von bis zu 2 Metern auf, in Ausnahmefällen sogar über 5 Meter. Der anstehende Boden setzte sich aus einer tertiären Abfolge von Sanden und Tonen zusammen, überlagert von einer bis zu 0,5 Meter starken, grobkörnigen gelben Sandschicht der quartären Flussterrasse.
Die ältesten Befunde, die eine völkerwanderungszeitliche und frühmittelalterliche Holzbebauung dokumentieren, zeichneten sich durch ihre dunkle Verfüllung deutlich ab. Darüberlag ein inhomogener Horizont mit sandiger Konsistenz, der oftmals keine präzisen Befundtrennungen erlaubte und häufig eisenzeitliche sowie völkerwanderungszeitliche Funde ohne weiteren Kontext enthielt. Dieser Horizont kann als Begehungs- oder Arbeitsebene in Zusammenhang mit der flächigen Aufplanierung um 1100 betrachtet werden.
In die Völkrwanderungszeit bzw. das frühe Mittelalter gerhören viele Pfostenlöcher und sechs Grubenhäuser. Zwei davon können mit Sicherheit und ein weiteres wahrscheinlich der Völkerwanderungszeit zugeordnet werden. Letzteres enthielt mehrere Webgewichte, die auf einen Webstuhl schließen lassen. Die drei unvollständigen Strukturen könnten auch aus der Früh- bis Hochmittelalter stammen. Die Auswertung der römischen Drehscheibenware in Ramstätter 2013 zeigt einen Besiedlungsbeginn auf dem Aschaffenburger Stadtberg gegen Ende des 4. Jahrhunderts bzw. am Beginn des 5. Jahrhunderts.
Im frühen Mittelalter war die Funde geringer, möglicherweise bedingt durch die Planierungen des 11. und 12. Jahrhunderts oder Veränderungen in der Siedlungsnutzung. Ein adeliger Sitz könnte die ansässige Bevölkerung verdrängt oder vorübergehend ersetzt haben, was durch den Fund einer Nadel mit goldenem Kopf, nach byzantinischem Vorbild gefertigt, nahegelegt wird. Dieser Fund und weitere stammen meist aus fränkischen Adelsgräbern in Rheinland und Burgund und waren nicht mit spezifischen archäologischen Strukturen verbunden.
Im Hochmittelalter wurden die ältesten Überreste von Steinbauten entdeckt, darunter ein zweiphasiges Steingebäude mit Fundamenten aus Lehm und Mörtel, datierend ins 10./11. Jahrhundert. Diese Bauten wurden durch die großflächige Aufplanierung des 11./12. Jahrhunderts überlagert und sind mit den Stiftshöfen in der Pfaffengasse zur Mitte des 12. Jahrhunderts verbunden, darunter das Haupthaus und ein Nebengebäude der Kurie „Zum Freudenberg“. Die ältesten Planierschichten des hohen Mittelalters und die Schichtungen des beginnenden späten Mittelalters unterschieden sich von den jüngeren Auffüllungen durch ihre relativ homogene sandige Konsistenz und dunkle Aschig-humose Färbung. Der Anteil an Stein und Dachziegeln wies darauf hin, dass in älterer Zeit vorwiegend Holz- und Fachwerkbauten existierten. Ab dem Spätmittelalter traten zunehmend Gneise in Mauern und im umgelagerten Schutt auf, während ältere Mauern nahezu ausschließlich aus Sandstein bestanden. Ein spätmittelalterlicher Brandhorizont ließ sich großflächig im westlichen Bereich des Grabungsareals nachweisen.
Ins Spätmittelalter gehören Reste eines Schwellriegelbaus, der als Werkstatt fungierte. Der Brand im 13. Jahrhundert hinterließ deutliche Spuren, darunter verkohltes Getreide und Glasfragmente, und führte zu einer Veränderung der Parzellierung. Im Hinterhof fanden sich Reste eines Fachwerkhauses, das auf die soziokulturelle Differenzierung des Stadtviertels hinweisen.
In der Neuzeit nTeller und Schälchen mit Horizontal- bzw. Schrägrand (Chenet 313, Chenet 314ahm die Steinbebauung zu, irgendwann schränkten die feste Grundstücksstruktur und die Pflasterung von Straßen die archäologischen Schichten ein. Reste der städtischen Zehntscheuer des 16./17. Jahrhunderts wurden dokumentiert, darunter die Fundamentierung und Hinweise auf die Innenaufteilung. Außerdem fanden sich Latrinen und ihr Fundmaterial, die bereits in den 1950er Jahren durch vorhergehende Grabungen an benachbarten Standorten entdeckt wurden.
Keramikfunde
Das Fundmaterial der Völkerwanderungszeit umfasst zahlreiche spätrömische Importe wie Fragmente von rädchenverzierter Argonnensigillata, Mayener Ware und Reibschalen. Die "heimische Keramik" besteht hauptsächlich aus Schalen und Schüsseln mit stark einziehendem Rand, ähnlich der frühlatènezeitlichen Keramik und daher potenziell leicht zu verwechseln.
- Spätantike Drehscheibenkeramik
- Terra sigillata
- Rädchenverzierte Sigillata
- Glatte Sigillata
- Halbkugelige Schüssel mit rundstabartig verdicktem Rand (Chenet 319)
- Halbkugelige Schüssel mit umlaufender Leiste (Chenet 324)
- Reibschale Chenet 328
- Teller mit Steilrand (Chenet 304)
- Teller mit hohem Steilrand (Alzey 9/11)
- Teller und Schälchen mit Horizontal- bzw. Schrägrand (Chenet 313, Chenet 314)
- Rauwandige Ware/Mayener Ware
- Deckelfalztopf Alzey 27
- Einhenkeltopf Gellep 106 mit Deckelfalz
- Töpfe Alzey 32/33
- Schalen Alzey 28
- Schalen Alzey 29
- Reibschalen Alzey 31:
- Schüssel mit nach innen umgeschlagenem Rand
- Ein- und Zweihenkelgefäße
- Kleeblattkannen (Alzey 17/18
- Kleeblattkannen (Alzey 17/18)
- Terra Nigra
- Terra-Nigra-Derivate
- Terra sigillata
- Freigeformte Ware
mit kupferfarbenem Glimmer, als Fein- und Grobkeramik. "Häuig ließ sich bei der Feinkeramik eine rotbraune Rindenbildung unter der reduzierend gebrannten Oberläche feststellen" (Ramstetter 2013, 248).
- Schalen und Schüsseln mit S-förmigem Proil, abgesetzter Schulterzone und überwiegend senkrechter Halszone der Form Uslar II
- Schalen mit steilkonischer Wandung
- Randfragmente von bikonischen Gefäßen mit konkav einschwingender Oberwand
- Gefäße mit Schrägriefendekor/ Typ Friedenhain-Prešt'ovice
Im Keramikspektrum dominiert die römische Drehscheibenkeramik mit 58 % (Abb. 14). Germanische freigeformte Keramik sowie scheibengedrehte Rillenbecher nehmen 38 % im Gesamtspektrum ein. Terra sigillata ist mit einem Anteil von 23 % und Mayener Ware mit 35 % vertreten" (Ramstätter 2013, 251).
Unter den weiteren Kleinfunden waren bronzene Fibeln, eine Pinzette, eine Gürtelgarnitur sowie Glasperlen und ein blauer Spielstein. Münzen, darunter eine Siliqua von Constantinus III. (407–411), belegen das späte 4. und frühe 5. Jahrhundert. Weiterhin liegen im Fundmaterial Knochenkämme, verzierte Ton- und Glasperlen sowie Spinnwirtel vor.
Für die jüngeren Funde liegen bisher nur wenige publizierte Informationen vor. Die wenigen Funde des Frühmittelalters, darunter auch die Nadel mit goldenem Kopf, waren nicht mit archäologischen Strukturen verbunden, sondern stammen aus späteren Auffüllungen.
Die neuzeitlichen Funde stammten vorwiegend aus Latrinen, in denen sich Glas- und Keramikfunde des 17. bis 19. Jahrhunderts befanden.
Literatur zur Fundstelle
- Ermischer u. a. 1995:
G. Ermischer u. a., Aschaffenburg „Obere Stadt“–Beginn der Rettungsgrabungen auf dem Theaterplatz. Arch. Jahr Bayern 1995, 147–150.
- Dupper/Wolf 1997:
M.Dupper/I.Wolf, Aschaffenburg „Obere Stadt“ - die Ausgrabung auf dem Theaterplatz Das Archäologische Jahr in Bayern 1996 (1997), S. 177–180.
- Gutzeit u.a. 2015: Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler. Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71 (München 2015) S. 227-232.
- Ramstetter 2013:
K. Ramstetter, Die völkerwanderungszeitliche Siedlung auf dem Aschaffenburger Stadtberg. Ergebnisse der Ausgrabungen 1996/97 auf dem Theaterplatz. Berichte der Bayerischen Bodendenkmalpflege 54, 2013, 201-319.
unpubl. Grabungsbericht
- I. Wolf/J. Wörner, Stadtkernarchäologische Ausgrabung Aschaffenburg „Theaterplatz“-Grabung vom 01.04.96–
27.03.97. Unveröffentlichter Grabungsbericht.