Kammstrichware (bayer. Donauraum, FMa)

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Die sogenannte Kammstrichware ist eine Warenart des frühen und hohen Mittelalters, die in einer engeren Definition im bayerischen Donauraum zwischen Dillingen und Kelheim verbreitet ist. Sie wird in der Forschung oft auch unter den Begriff der Burgheiner Wäre geführt, zu der allerdings auch stempelverzierte, meist offene Gefæße zählen, die möglicherweise andere Traditionen aufweisen und terminologisch abgetrennt werden sollten (stempelverzierte nachgedrehte Ware (bayer. Donauraum, FMa)). Vielfach wurden der Kammstrichware auch Funde aus Nachbarregionen zugeordnet, so dass sich die Definition im Lauf der Zeit verunklart hat. In diesem weiteren Sinne reichen die Kammstrichwaren vom Breisgau im Westen bis in den Regensburger Raum.

Wichtigstes und schließlich auch namengebendes Kennzeichen dieser Warenart war der horizontale Kammstrich.


Forschungsgeschichte

Die Kammstrichware wurde im bayerischen Donauraum zwischen Dillingen und Kelheim in den 1960er Jahren definiert (Hübener/ Lobbedey 1964). Eine wesentliche Rolle spielten hierbei die Siedlungsfunde von Burgheim, Point, weshalb auch die Bezeichnung Burgheimer Ware gebräuchlich wurde. Unter dem Begriff der Burgheimer Ware wurden aber auch Funde der stempelverzierten nachgedrehten Ware subsumiert.

Burgheim, Point: Kammstrichware sowie stempelverzierte nachgedrehte Ware (nach Hübener/ Lobbedey 1964)

Kammstrichware stellt den wesentlichen Bestandteil der 'Ostgruppe' Hübeners (1969) dar und wurde in der gemeinsamen Arbeit von Hübener und Lobbedey (1967) näher beschrieben, wobei insbesondere den Funden von Burgheim große Bedeutung zukam.

Inwiefern die Fundstellen auf der östlichen Schwäbischen Alb (Urspring, Breiter Weg, Ulm-Eggingen, Lippenöschle, Geislingen, Mühlwiesen, Ulm, Weinhof, Schnaitheim, Seewiesen, Sontheim an der Brenz, Gräberfeld Hohweier) als eigenständige Gruppe gegenüber den Funden aus dem Doanuraum zu fassen sind, ist bisher nicht im Detail untersucht. Uwe Gross hat die Funde aus Ulm-Eggingen als brauntonige nachgedrehte Ware (Ulm-Eggingen, FMa/HMa) klassifiziert.

Dieser Kammstrichware wurde auch Fundmaterial aus Merdingen, am Breisacher Weg angegliedert, die aber heute besser einer regionalen Gruppe der Kammstrichware (Oberrhein, FMa) zuzuordnen ist.

andere Bezeichnungen

  • Ostgruppe (Hübener 1969)
  • Burgheimer Ware

Charakteristika

Herstellungstechnik

Die Herstellungstechnik der Kammstrichware im weiteren Sinne zeigt große Variationsmöglichkeiten. Sie ist handgemacht oder auch nachgedreht, doch sind auch eng verwandte scheibengedrehte Gefäße bekannt, die zur rauwandigen Drehscheibenware gerechnet werden (Braune, meist rillenverzierte rauwandige Drehscheibenware (Neckarland, FMa), Rauwandige Drehscheibenware Unterthürheimer Art (nördl. Schwaben, FMa)‎‎). Im Kernbereich des bayerischen Donauraumes ist sie überwiegend nachgedreht.

Brand/ Farbe

Von Hübener und Lobbedey wurde die Tonqualität allgemein als braun bis schwarz, grob gemagert und mäßig gebrannt angegeben (Hübener/ Lobbedey 1964, 96).

Die Scherben von Geislingen, Mühlwiesen liegen innerhalb dieses Rahmens: Sie sind gewöhnlich weich und in wechselndem Brennklima gebrannt (Schreg 1999, 454).

Magerung

Als Magerung wurde bei den Funden aus Geislingen, Mühlwiesen Quarz verwendet, gelegentlich finden sich rosthraune Partikel und Kalksteinchen.

Oberflächenbeschaffenheit

Die Außenhaut der Funde von Geislingen, Mühlwiesen ist braun bis orange, die Innenseite meist schwarz (Schreg 1999, 454).

Verzierungen

Wichtigstes und schließlich auch namengebendes Kennzeichen dieser Warenart ist der horizontale Kammstrich. Er kann sowohl besenstrichartig sein,oder auch als deutliche Rauung durch horizontale breitere Striche ausgeführt sein. Einige Gefäße und natürlich erst recht einzelne Scherben zeigen überhaupt keine derartige Verzierung. Der Kammstrich bei der Burgheimer Keramik ist beispielsweise stärker ausgeprägt als in Geislingen, Mühlwiesen oder Merdingen.

Im Unterschied zur jüngerlatènezeitlichen Kammstrichware ist der frühmittelalterliche Kammstrich feiner und horizontal, nicht vertikal ausgeführt. Kammstrichverzierung ist auch an römischer Gebrauchskeramik sowohl auf handgemachten als auch auf scheibengedrehten Gefäßen bekannt, so z.B. am südlichen Oberrhein (Martin-Kilcher 1980) oder in Rottweil (Flügel 1996).

Gefäßformen

Das Formenspektrum, wie es von Hübener und Lobbedey aufgezeigt wurde, ist relativ einheitlich:

Bei der Kammstrichware aus Urspring, Breiter Weg wurden Halsbildungen beobachtet (Maier 1994, 94).

Schretzheim, Grab 253: scheibengedrehter niedriger Topf mit ausgebogenem kantigem Rand (Koch 1977) - evtl. der Kammstrichware (bayer. Donauraum, FMa) nahe stehend

Ein scheibengedrehter niedriger Topf mit ausgebogenem kantigem Rand und mit porösem, hart gebranntem schwarzem Scherben aus Grab 253 des Gräberfelds Schretzheim dürfte ebenfalls der Kammstrichware zuzuordnen sein (Koch 1977).



Randformen

Als typisch gelten insbesondere ausgebogene, meist abgestrichene Ränder, die innen oftmals leicht gekehlt sind. Durch spätere Zuweisungen wurden diese Definitionskriterien erheblich aufgeweicht und verändert. So wurde auch die gewülstete Keramik der Wüstung Wülfingen und aus St. Martin in Aldingen mit der Kammstrichware in Verbindung gebracht, obwohl die Ränder hier in aller Regel nur wenig ausgebogen, gerundet und nur in äußerst wenigen Fällen abgestrichen sind und sie keinen Kammstrich aufweist (Scholkmann 1981).

Varianten

Hübener und Lobbedey (1964) hatten auch stempelverzierte Gefäße der Kammstrichware zugeordnet. Sie sind nach heutigem Kenntnisstand besser als eine eigenständige stempelverzierte nachgedrehte Ware (bayer. Donauraum, FMa) abzusondern.

Es zeigen sich kleinräumige Differenzierungen in der Art der Ausführung des Kammstriches, aber auch in der Ausbildung der Randformen.

Verbreitung

Kammstrichware im engeren Sinne ist vor allem im bayerischen Donauraum zwischen Dillingen und Kelheim verbreitet. Allerdings gibt es im weiteren Umfeld zahlreiche verwandte Waren, die eine Abgrenzung erschweren (s. Kammstrichware).



Kartenentwurf: https://www.google.com/maps/d/edit?mid=1WsqX_-8E_SSEQX1fyzmc6ccRxI4&ll=48.787182410490715%2C10.87204455000001&z=11


wichtige Fundorte

Urspring, Breiter Weg: Kammstrichware (nach Maier 1994)

Kulturgeschichtliche Einordnung und sozialer Kontext

Die Kammstrichware ist eine Warenart, die vermutlich von römischen Traditionen ausgehend viele der regionalen nachgedrehten Waren beeinflusst haben dürfte. Sie lässt auch Bezüge zu der weiter westlich verbreiteten braunen meist rillenverzierten rauwandigen Drehscheibenware Neuhausener Art, die möglicherweise zu dem Verbreitungsgebiet am Oberrhein vermittelt.

Chronologie

Die Datierung umfaßt nach gegenwärtigem Forschungsstand das späte 6., das 7. und 8. Jahrhundert, örtlich läßt sie sich bis ins 10. Jahrhundert verfolgen. In Bayerisch-Schwaben läßt sich eine hochmittelalterliche Ware mit charakteristischer Wellenbandverzierung ausmachen, die offensichtlich in der Tradition der Kammstrichware zu sehen ist (Koch 1993). So tritt Kammstrichware etwa auch in Unterregenbach auf, wo die Anfangsdatierung neuerdings ins späte 8. Jahrhundert gesetzt wird (Lobbedey 1972, 185; 193). Innerhalb der 'Ostgruppe' Hübeners wird die Kammstrichverzierung als tendenziell älter angesehen.

Literatur

  • Flügel 1996: Ch. Flügel, Handgemachte Grobkeramik aus Arae Flaviae - Rottweil. Fundberichte aus Baden-Württemberg 21, 1996, 315-400. - DOI: https://doi.org/10.11588/fbbw.1996.0.56812
  • Hübener 1969: W. Hübener, Absatzgebiete frühgeschichtlicher Töpfereien in der Zone nördlich der Alpen. Beiträge zur Keramik der Merowingerzeit. Antiquitas R. 3, 6 (Bonn 1969).
  • Hübener/ Lobbedey 1964: W. Hübener/U. Lobbedey, Zur Struktur der Keramik in der späten Merowingerzeit. Beobachtungen an süddeutschen Grab- und Siedlungsfunden. Bonner Jahrb. 164, 1964, 88-129.
  • Koch 1993: R. Koch, Keramik des frühen und hohen Mittelalters aus Bayerisch-Schwaben. In: Forschungen zur Geschichte der Keramik in Schwaben. Arbeitsh. Bayer. Landesamt Denkmalpfl. 58 (München 1993) 119-128.
  • Lobbedeey 1972: U. Lobbedey, Keramik. In: G.P. Fehring (Hrsg.), Unterregenbach. Kirchen, Herrensitz, Siedlungsbereiche. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. I (Stuttgart 1972) 184-206.
  • Loré 2008: F. Loré, Frühmittelalterliche Handwerker bei den Barmherzigen Brüdern in Neuburg a.d. Donau, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, Oberbayern. Das Archäologische Jahr in Bayern 2008, 120-123.
  • Maier 1994: K. H. Maier, Eine mittelalterliche Siedlung auf Markung Urspring (Gemeinde Lonsee, Alb-Donau-Kreis). Materialh. Arch. Bad.-Württ. 23 (Stuttgart 1994).
  • Martin-Kilcher 1980: S. Martin-Kilcher, Die Funde aus dem römischen Gutshof von Laufen-Müschhag: ein Beitrag zur Siedlungsgeschichte des nordwestschweizer Jura (Bern 1980)
  • Scholkmann 1981: B. Scholkmann, Die Grabungen in der evangelischen Mauritiuskirche zu Aldingen, Landkreis Tuttlingen. In: Forschungen und Berichte zur Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 7 (Stuttgart 1981) 223-302.
  • Schreg 1999: R. Schreg, Die alamannische Besiedlung des Geislinger Talkessels (Markungen Altenstadt und Geislingen, Stadt Geislingen a.d. Steige, Lkr. Göppingen). Fundber. Bad.-Württ. 23, 1999, 385–617.