Handgemachte Grobware (Süddeutschland, VWz/ FMa): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 3. Juli 2021, 18:34 Uhr
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In der Völkerwanderungszeit und der Merowingerzeit (ggf. sogar noch länger) findet sich in Süddeutschland mit unterschiedlicher Häufigkeit handgemachte Grobkeramik. Eine weitergehende Differenzierung ist sehr schwierig.
Terminologie
Handgemachte Grobware tritt in anderem kulturgeschichtlichen Kontext auch in angrenzenden Regionen auf. So ist z.B. auf die Handgemachte Grobware (Nordostbayern, FMa/ HMa) hinzuweisen, für die forschungsgeschichtlich immer wieder eine methodisch-theoretisch problematische ethnische deutung als slawisch diskutiert wurde.
Forschungsgeschichte
Die Bedeutung frühmittelalterlicher handgemachter Grobwaren war lange Zeit nicht bekannt. Eine erste Auseinandersetzung erfolgte im Rahmen einer Überblicksarbeit von Hübener/ Lobbedey 1964.
Charakteristika
Die handgemachte Grobware stellt auf vielen völkerwanderungszeitlichen Siedlungsfundstellen die Masse der Keramik. Sie ist meist mittelgrob bis grob mit Quarz oder Kalk gemagert, die Oberfläche ist rauh (Pescheck 1978: Bücker 1994; Spors-Gröger 1997). Die handgemachte Grobware des Mittelalters hingegen zeigt in Tonbeschaffenheit und Herstellungstechnik eine größere Bandbreite (Hübener/Lobbedey 1964).
Formenspektrum
Die dominierende Form stellt in der Völkerwanderungszeit der Topf mit einziehendem Rand, der sogennante 'spätrömische' oder 'suebische' Topf dar (Koch 1971; Grote 1991, 191; Engelhardt 1980, 276). Diese Form ist im elbgermanischen Raum und auch darüber hinaus weit verbreitet und wird im allgemeinen nur grob ins späte 3. bis späte 5. Jahrhundert datiert. Ähnliche einfache Formen finden sich bereits in der Spätlatènezeit und der frühen Kaiserzeit. In der Völkerwanderungszeit treten sie seit der Stufe C2, also etwa der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts auf und werden bis in die Merowingerzeit verwendet. Ebenfalls relativ häufig sind gewölbte Schalen. Anhand der Randform lassen sich Schalen mit horizontal abgestrichenem Rand und Schalen mit einziehendem Rand unterscheiden.
Verzierungen sind bei der handgemachten Grobware ausgesprochen selten. Es treten z.B. Kammstrich und flächige Fingertupfenverzierung auf.
Der Formenbestand im Mittelalter ist etwa derselbe wie zur Völkerwanderungszeit, doch scheinen Schalen und Gefäße mit Standringen zu fehlen. Stattdessen dürften vermehrt S-förmig profilierte Gefäße und Gefäße mit ausgebogenen Rändern hier einzuordnen sein.
Chronologie
Gewisse Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich an den Randformen und einigen spezifischen gefäßformen. Insgesamt ist jedoch auf die Langlebigkeit der oft einfachen Formen hinzuweisen, die es beispielsweise schwierig macht, in Siedlungen handgemachte Keramik eindeutig dem 5./6. Jahrhundert zuzuweisen, obwohl immer wieder Funde aus Gräbern eine solche Datierung nahelegen. Für einzelne Fundstellen, wie den Runden Berg bei Urach oder die Siedlung Urspring, Breiter Weg fällt es daher schwer, die angenommene Siedlunsgunterbrechung im 6. Jahrhundert an der handgemachten Grobware nachzuvollziehen. In ländlichen Siedlungen ist die handgemachte Grobware häufig die wichtigste Warenart und tritt regional noch bis ins 8. Jahrhundert auf.
Warenarten
Innerhalb der handgemachten Grobware ist eine Differenzierung spezifischer Warenarten besonders schwierig.
Exemplarisch seien hier angeführt:
- Burgheimer Ware - teilweise bereits nachgedreht
- Ulmer Gruppe (Ulm, FMa)
Kulturgeschichtliche Einordnung und sozialer Kontext
Die handgemachte Grobware wurzelt in Herstellungstechniken, die aus der Vorgeschichte gut bekannt sind. Oft ist daher eine Differenzierung völkerwanderungszeitlicher/ frühmittelalterlicher Keramik und vorgeschichtlicher, insbesondere eisenzeitlicher Keramik schwer vorzunehmen. Völkerwanderungs- und merowingerzeitliche handgemachte Keramik wurde in der älteren Forschung häufig falsch als vorgeschichtlich, meist latènezeitlich bestimmt. Aber auch umgekehrt kam es bereits zu gravierenden Fehleinschätzungen, so z.B. bei der 'frühalamannischen' Siedlung Sontheim im Stubental, Hochfeld, bei der sich viele angeblich völkerwanderungszeitliochen Funde und damit auch einige Befunde als vorgeschichtlich herausgestellt haben (Bücker 1994).
Literaturhinweise
- Bücker 1994: Ch. Bücker, Die Gefäßkeramik der frühalamannischen Zeit vom Zähringer Burgberg, Gemeinde Gundelfingen, Kr. Breisgau-Hochschwarzwald. Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum 1. Jahrtausend in Südwestdeutschland 6 (Sigmaringen 1994) 125-232.
- Engelhardt 1980: B. Engelhardt, Archäologisches zur früh- und hochmittelalterlichen Geschichte Kelheims. In: K. Spindler (Hrsg.), Vorzeit zwischen Main und Donau. Erlanger Forsch. A,26 (Erlangen 1980) 273-298.
- Grote 1991: K. Grote, Frühmittelalterliche Befunde zur Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte in Harste, Kreis Göttingen. Neue Ausgr. u. Forsch. Niedersachsen l9, 1991, 173-228 bes. 191.
- Hübener/ Lobbedey 1964: W. Hübener/U. Lobbedey, Zur Struktur der Keramik in der späten Merowingerzeit. Beobachtungen an süddeutschen Grab-und Siedlungsfunden. Bonner Jahrb. 164, 1964, 88-129.
- Koch 1971: R. Koch, Siedlungsfunde der Latène- und Kaiserzeit aus Ingelfingen (Kr. Künzelsau). Fundber. Schwaben N.F. 19, 1971, 124-174.
- Koch/ Koch 1993: R. Koch/U. Koch, Funde aus der Wüstung Wülfingen am Kocher. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 21 (Stuttgart 1993).
- Pescheck 1978: Ch. Pescheck, Die germanischen Bodenfunde der römischen Kaiserzeit in Mainfranken. Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 27 (München 1978).
- Schreg 1999: R. Schreg: Die alamannische Besiedlung des Geislinger Talkessels. (Markungen Altenstadt und Geislingen, Stadt Geislingen a.d. Steige, Lkr. Göppingen). Fundber. Bad.-Württ. 23, 1999, 385-617.
- Spors-Gröger 1997: S. Spors-Gröger, Die handgemachte frühalamannische Keramik aus den Plangrabungen 1967-1985. Der Runde Berg bei Urach XI (Sigmaringen 1997).