Bad Urach, Runder Berg: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:ABB180.jpg|thumb|500px|center|Gefäßformen der handgemachten Keramik vom Runden Berg nach Spors-Gröger.]] |
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===Drehscheibenware (nach Roth-Rubi 1991)=== |
===Drehscheibenware (nach Roth-Rubi 1991)=== |
Version vom 1. Oktober 2022, 15:57 Uhr
Der Runde Berg ist eine bedeutende Höhensiedlung der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters, die durch Grabungen 1967-84 durch die Heidelberger Akademie der Wissenschaften relativ gut erforscht ist. Es liegen mehrere Monographien zu den Keramikfunden vor, doch ist der Forschungsstand aufgrund der fehlenden Vorlage der hochmittelalterlichen Funde lückenhaft.
Lage
Der Runde Berg bei Urach liegt am nördlichen Rand der Schwäbischen Alb, vom Ermstal, das über Bad Urach die Albhochfläche erschließt, leicht zurück versetzt. Die heute etwas abseits der Verkehrsachse durch das Tal gelegene Situation erklärt sich aus der Umweltgeschichte des von Kalktuffablagerungen geprägten Tals. Es bot gute Mühlenstandorte, war aber sumpfig und schwer gangbar. Gräberfelder zeigen zwar eine Nutzung des Tals bereits in der Merowingerzeit, doch dürfte eine Erschließung für eine Straßentrasse wohl erst im Mittelalter, spätestens mit der Gründung der Stadt Urach erfolgt sein. Der Runde Berg kontrollierte wahrscheinlich einen älteren, direkten Albaufstieg.
Befundsituation
Die bereits in der Bronze- und Urnenfelderzeit genutzte Höhensiedlung liegt auf einer Bergkuppe mit geringer Bodenauflage, so dass im wesentlichen nur Gruben im anstehenden Fels erhalten sind. Sie geben jedoch eine Bebauung innerhalb einer mehrphasigen Befestigungsanlage mit internen Pfostenbauten zu erkennen. Im Mittelalter wurde die Anlage mit einer Steinmauer umgeben.
Auf Terrassen vor allem am nordöstlichen Hang wurden Handwerksbereiche lokalisiert.
Das Fundmaterial vom Runden Berg ist wegen der fehlenden Stratigraphie im wesentlichen nur über Vergleiche zeitlich zu gliedern, was angesichts weitreichender Kulturbeziehungen dieser als „Fürstensitz“ klassifizierten Siedlung nicht ganz einfach ist. Bei einzelnen Keramikgruppen ist es daher nicht sicher, ob sie der Völkerwanderungszeit oder der jüngeren merowingerzeitlichen Siedlungsphase zuzuweisen sind.
Keramikfunde
Die Bearbeitung der Keramikfunde wurde durch verschiedene Bearbeiter vorgenommen. Die erste Fundvorlage wurde von B. Kaschau erarbeitet, der die Drehscheibenware in 16 Gruppen einteilte. Diejenigen Gruppen, die in römischer Tradition hergestellt wurden, wurden später von K. Roth-Rubi ausführlicher bearbeitet, wobei sie primär die spätantiken Vergleiche ins Auge fasste. U. Gross konnte hier aus der Perspektive der Merowingerzeit einige wichtige Beobachtungen ergänzen. Die handgemachte Keramik wurde von S. Spors-Gröger publiziert, die vergleichend weitere Fundstellen aus dem Neckarland und von der Schwäbischen Alb herangezogen hat (Spors-Gröger 1993).
Gruppen nach Kaschau 1975
Spätrömische Waren
- Gruppe 1: Grautonige rauhwandige Ware mit bläulich-grauem Überflug
- Gruppe 2: Blaugraue rauhwandige Ware
- Gruppe 3: Blaugraue grob gemagerte rauhwandige Ware
- Gruppe 4: Orangefarbene rauhwandige Ware
Die Gruppen umfassen verschiedene rauwandige Drehscheibenware, insbesondere Rauwandige Drehscheibenware römischer Tradition, die bei Roth-Rubi 1991 vertieft bearbeitet. Nicht erfasst sind die Importwaren wie Argonnensigillata, die Bernhard 1991 in einem kurzen Aufsatz lediglich kurz angerissen hat.
Reduzierend gebrannte feine graue Ware mit Einglättmuster
- Gruppe 6: Feine graue Ware mit Einglättmustern - Einglättverzierte Keramik (VwZ)
Quarzgemagerte Waren
- Gruppe 5: Graue rauhwandige Ware
- Gruppe 8: Grobgemagerte schwarze rauhwandige Ware
- Gruppe 9: Grobgemagerte hellgraue rauhwandige Ware - in der Machart, aber nicht im Formenbestand entsprechend der Donzdorfer Ware
Karolingische Ware
- Gruppe 13: Rauhwandige gelb-graue Ware - Ältere gelbe Drehscheibenware (Südwestdeutschland, FMa/HMa). In der Publikation von Kaschau finden sich nur Randformen des Typs Runder Berg, doch zeigt die kursorische Fundbesprechung von Spors-Gröger 1991, dass auch der jüngere Typ Jagstfeld durchaus vertreten ist. Die lange Zeit vertretene Auffassung, dass das Ende der Besiedlung des Runden Bergs einen terminus post quem für das Aufkommen des Typs Jagstfeld biete, ist also schon aufgrund der Fundlage auf dem Runden Berg abzulehnen. Inzwischen beleuchten Funde aus Ulm, Neue Straße und Altdorf (Lkr. Böblingen) den Übergang der verschiedenen Typen.
Hochmittelalterliche Waren
- Gruppe 14: Rot-braune Feinware
- Gruppe 15: Gelbtonige Feinware
Es handelt sich mehrheitlich um spätmittelalterliche jüngere Drehscheibenware. Ergänzend dazu Quast 2003
weitere Gruppen
- Gruppe 7: stempelverzierte Knickwandgefäße - Die Knickwandkeramik ist bislang nur kursorisch vorgelegt bei Christlein 1972 und Bernhard u.a. 1991.
- Gruppe 10-12: handgemachte Ware - bearbeitet bei Spors-Gröger 1997
- Gruppe 16: Graue Feinware -Jüngere graue Drehscheibenware (Südwestdeutschland, SMa)
Zur spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik siehe Quast 2003. Unklar bleibt beim aktuellen Forschungsstand, welche Rolle nachgedrehte Waren auf dem Runden Berg spielen. Prinzipiell steht zu erwarten, dass eine größere Menge an Albware vorhanden sein müsste, die möglicherweise dem Raster der Keramikbearbeitung zum Opfer gefallen ist. Nur zwei Stücke wurden von Spors-Gröger 1991, Abb. 91 abgebildet.
handgemachte Keramik (nach Spors-Gröger 1997)
Die Autorin differenzierte handgemachte Imitationen handgemachter Gefäße und handgemachte Gefäße "germanischer Formtradition". Zur ersteren Gruppe zählte sie u.a. Knickwandgefäße.
Im Fundbestand sind sowohl Scherben, die einer handgemachten Grobware zuzurechnen sind, als auch solche, die aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit und ihrer Verzierung zur schwarzgrauen geglätteten Ware gehören.
Drehscheibenware (nach Roth-Rubi 1991)
Katrin Roth-Rubi hat vor allem die spätrömische, überwiegend rauwandige Drehscheibenware bearbeitet. Roth-Rubi hat nach Augenschein von angeschliffenen Randprofilen neun Qualitätsgruppen differenziert, die sie nicht als Waren verstanden hat und die weder mit den Gruppen 1 bis 4 nach Kaschau noch mit den archäometrischen Gruppen von G. Schneider übereinstimmen.
Ofenkeramik
Inzwischen wurden einige Funde der älteren gelben Drehscheibenware als Ofenkacheln erkannt.
Literatur zur Fundstelle
- Bernhard u.a. 1991: H. Bernhard u.a., Der Runde Berg bei Urach. Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg 14 (Stuttgart 1991) (mit Bibliographie der bis dahin erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten)
- Bernhard 1991: H. Bernhard, Importware. In: Bernhard u.a. 1991, 188–191.
- Kaschau 1976: B. Kaschau, Der Runde Berg bei Urach II. Die Drehscheibenkeramik aus den Plangrabungen 1967–1972. Heidelberger Akad. Wiss. Komm. Alemann. Altertumskde. Schr. 2 (Sigmaringen 1976).
- Kurz 2009: S. Kurz, Die Baubefunde vom Runden Berg bei Bad Urach. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 89 (Stuttgart 2009).
- Roth-Rubi 1991: Katrin Roth-Rubi, Die scheibengedrehte Gebrauchskeramik vom Runden Berg. Der Runde Berg bei Urach IX (Sigmaringen 1991).
- Gross 1992: U. Gross, Zur rauhwandigen Drehscheibenware der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters. Fundber. Bad.-Württ. 17/1, 1992, 423-440. - https://doi.org/10.11588/fbbw.1992.1.43215
- Spors-Gröger 1991: S. Spors-Gröger, Zu weiteren Keramikgruppen aus den Besiedlungsperioden des 4./5. bis 15./16. Jahrhunderts. In: Bernhard u.a. 1991, 174-184.
- Spors-Gröger 1997: S. Spors-Gröger, Die handgemachte frühalamannische Keramik aus den Plangrabungen 1967-1985. Der Runde Berg bei Urach XI (Sigmaringen 1997).
- Spors-Gröger 2000: S. Spors-Gröger, Die donauländische Gebrauchskeramik des 4./5. Jahrhunderts und ihre Beziehungen zu den Gruppen 5, 8, 9 vom Runden Berg. Fundber. Bad.-Württ. 24, 2000, 369–452.
- Quast 2003: D. Quast, Die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Siedlungsspuren auf dem Runden Berg bei Urach (Kreis Reutlingen). Fundber. Bad.-Württ. 27, 2003, 1009–1043.