Formaufbau: Unterschied zwischen den Versionen
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* Herders Conversations-Lexikon. Band 5 (Freiburg im Breisgau 1857), S. 493-494. s.v. Töpferei - Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003544389 |
* Herders Conversations-Lexikon. Band 5 (Freiburg im Breisgau 1857), S. 493-494. s.v. Töpferei - Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003544389 |
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Version vom 11. Juli 2021, 14:22 Uhr
Der Formaufbau ist ein wesentlicher Arbeitsschritt in der Herstellungstechnik.
Im Wesentlichen lassen sich für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit drei Grundtechniken des Formaufbaus definieren. Hierbei muss prinzipiell zwischen handgemachter, nachgedrehter und scheibengedrehter Ware unterschieden werden. Die Entwicklung der einzelnen Grundtechniken des Formaufbaus orientieren sich dabei an einer chronologischen Reihenfolge und stellen ein erstes wichtiges Differenzierungsmerkmal zur Bestimmung einer Keramikscherbe dar.
Handgemachte Ware
Das Gefäß wird ohne Nutzung einer Töpferscheibe oder drehbaren Unterlage in Wulst- oder Plattentechnik von Hand aufgebaut (vergl. Abb. 2). Kennzeichnend sind eine ungleichmäßige Form bzw. Wandstärke und einzelne Fingereindrücke. Im Bruch lassen sich z.T. die einzelnen Tonwulste oder -platten erkennen, aus denen das Gefäß aufgebaut wurde. Bei sorgfältig hergestellter geglätteter Feinware ist eine Bestimmung der Herstellungstechnik meist kaum möglich, da durch eine sorgfältige Glättung der Oberfläche die entscheidenden Merkmale oft nicht mehr ablesbar sind.
Nachgedrehte Ware
Unter dem Begriff der nachgedrehten Ware (insbesondere in der Schweiz oft auch: überdreht) verbergen sich unterschiedliche Herstellungsverfahren. In der Regel wurde eine drehbare Unterlage verwendet, etwa eine handgetriebene, nicht gleichmäßig laufende Töpferscheibe. Charakteristisch ist hier oftmals eine relativ dicke, aber gleichmäßige Randpartie mit deutlichen Drehspuren über einem grob gearbeiteten, relativ dünnen Gefäßkörper (vergl. Abb. 220,l; 222). Das Gefäß kann aber auch von Hand aufgebaut und schließlich auf einer drehbaren Unterlage nur in seinen Randpartien nachgearbeitet worden sein ('einfach' bzw. partiell nachgedreht), wie das Begriff auch impliziert. Die Böden sind oft rauh oder zeigen Bodenzeichen bzw. Abdrücke der Unterlage. Bei der sogenannten schnellaufend nachgedrehten Ware handelt es sich eigentlich um Scheibenware, deren Produktionsvorgang jedoch nicht kontinuierlich erfolgte, so dass gewisse Unregelmäßigkeiten entstanden.
Häufig finden sich raue Druckspuren im Gefäßboden, die Abdrücke der drehbaren Unterlage darstellen. Seltener lassen sich sogenannte Bodenzeichen ausmachen, welche in Form eines Positiv- oder Negativabdrucks, entweder als ein Abdruck eines entsprechend gekerbten Drehscheibenkopfes oder auch als einzeln eingeschnittene Markierungen beschrieben werden können.
Bei der "nachgedrehte Ware" handelt es sich also nicht um eine einheitliche Warenart, sondern um einen Sammelbegriff.
Die Herstellungstechnik der nachgedrehten Ware bildet (aus einer evolutionistischen Perspektive) in Süddeutschland eine mehrere Jahrhunderte umfassende Zwischen- und Übergangsform zur jüngeren Drehscheibenware. Möglicherweise kann die nachgedrehte Keramik als Erzeugnis bäuerlichen Nebenerwerbs betrachtet werden, welche sich neben der bereits qualitativ hochwertigeren grundherrschaftlich organisierten Keramikproduktion (Drehscheibenware) zu behaupten versuchte (Teilzeit-Spezialisten). Diese Theorie wird von Reparaturspuren an den Gefäßen, der weitaus geringeren Qualität und dem zu der Zeit vorherrschenden grundherrschaftlichen Hintergrund gestützt.
Scheibengedrehte Ware
Die sogenannte scheibengedrehte Ware (echte Drehscheibenware) wird mit Hilfe einer schnell rotierenden, fuß- oder pedalbetriebenen Töpferscheibe hergestellt. Das Gefäß wird auf einer Töpferscheibe aus einem Tonklumpen hochgezogen (vergl. Abb. 3; 4). Entscheidende Faktoren für ein erfolgreichen Hochziehen des Tones sind neben den Eigenschaften des Tones die verwendete Drehscheibe sowie ein ausreichendes Drehmoment, um den Ton überhaupt hochziehen zu können. Bei diesem Verfahren wird der Tonklumpen auf einer Töpferscheibe gleichmäßig hochgezogen, wodurch eine einheitliche Wandung und Formgebung entsteht.
Wandung und Form ist gleichmäßig, die Scherbenoberfläche zeigt oft - sofern nicht noch geglättet wurde - gleichmäßige horizontale Drehspuren.
Häufig wurde Drehscheibenware mit horizontalen Rippen und Riefen verziert. Auf der Bodenunterseite sind häufig Abdrehspuren zu beobachten, die dadurch entstehen, dass das feuchte Gefäß mit einem Draht oder einer Schnur von der sich noch drehenden Töpferscheibe 'abgeschnitten' wird. Es entsteht eine schlaufenartige Struktur.
Der Begriff scheibengedreht bezieht sich auf die Verwendung einer schnell laufenden Töpferscheibe.
kombinierte Techniken
Bei bestimmten Warenarten bzw. Gefäßformen ist ein kombiniertes Herstellungsverfahren üblich, so z. B. bei Kugeltöpfen) oder Feldflaschen. Bei Kugeltöpfen ist der Unterteil zumeist handgemacht, während der Oberteil gedreht sein kann.
Sonderformen
Als Sonderformen können schließlich noch gepresste oder gegossene Herstellungsverfahren angeführt werden. (...)
Nicht bestimmbar!
Bei vielen, insbesonderen kleinen Scherben ist eine nähere Bestimmung mangels Merkmalen nicht bestimmbar. Wissenschaftlich korekt sind solche Stücke nicht einfach zu übergehen, sundern als unbestimmbar aufzuführen.
Zusammenfassung und Ausblick
Dennoch kann sich eine eindeutige zeitliche und regionale Differenzierung und Zuweisung des teils sehr fragmentarischen archäologischen Fundmaterials zu einer der genannten Grundtechniken als schwierig und riskant herausstellen. Hierbei muss nämlich auch berücksichtig werden, dass einerseits teils kombinierte Herstellungsverfahren angewendet wurden (z.B. Kugeltöpfe aus Norddeutschland) und andererseits auch immer Überarbeitungsspuren (z.B. Beschneidungen, Facettierungen) vorhanden sein können.
Auf Basis der vorgestellten Grundtechniken des Formaufbaus waren die Töpfer/Hafner letztlich in der Lage ein breites Spektrum keramischer Gefäßformen zu produzieren. Zu den charakteristischen mittelalter- und neuzeitlichen Gefäßformen können beispielsweise hohe Typen, wie Töpfe, Krüge, Kannen, Flaschen und Becher, aber auch flache Formen, wie beispielsweise Schüsseln und Schalen sowie Teller zugeordnet werden. Hierbei muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass forschungsgeschichtlich bedingt zahlreiche unterschiedliche Bezeichnungen für Gefäßformen innerhalb der Archäologie kursieren, die häufig in Abhängigkeit von chronologischen und regionalen Aspekten oder auch je nach Warenart ähnliche Gefäßtypen definieren.
Literaturhinweise
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- Böttcher 1990: Gudrun und Gunter Böttcher, Herstellung mittelalterlicher Töpferwaren im Museumsdorf Düppel. In: Mamoun Fansa (Hrsg.), Experimentelle Archäologie im Museumsdorf Düppel. Neues aus dem Mittelalter (Oldenburg 1990) 34-40.
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- Gross 2003: Uwe Gross, Neuzeitliche Keramik im nördlichen Baden (16.-19.Jhd.). Ein Überblicksversuch anhand ausgewählter Fundkomplexe (Heidelberg 2003). (ISBN: 9783806208634 )
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- Losert 1993: Hans Losert, Die früh-hochmittelalterliche Keramik in Oberfranken. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters. Beiheft 8 (Köln 1993). (ISBN: 9783792713235 )
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- Mielke 2008: Heinz-Peter Mielke, Töpfer. In: Reinhold Reith (Hrsg.), Das alte Handwerk. Vom Bader bis Zinngießer (München 2008) 230-234. (ISBN: 9783406568237 )
- Rogier 2015: Martin Rogier, Mittelalterliche nachgedrehte Keramik. Überlegungen zur Definition, Bestimmung und Interpretation am Beispiel Baden-Württemberg (Hohentübingen 2015). (ISBN: 9783980653336 )
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- Sanke 2002: Markus Sanke, Die mittelalterliche Keramikproduktion in Brühl-Pingsdorf. Rheinische Ausgrabungen 50 (Mainz 2002). (ISBN: 9783805328784 )
- Schreg 1999: Rainer Schreg, Keramik aus Südwestdeutschland. Eine Hilfe zur Beschreibung, Bestimmung und Datierung archäologischer Funde vom Neolithikum bis zur Neuzeit. In: Barbara Scholkmann (Hrsg.), Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit³ (Tübingen 1999). (ISBN: 9783980653305 )
- Schreg 2012: Rainer Schreg, Keramik des 9. bis 12. Jahrhunderts am Rhein. Forschungsperspektiven für Produktion und Alltag. In: H. Pantermehl, L. Grunwald und R. Schreg (Hrsg.), Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Forschungsperspektiven auf Produktion und Alltag. Tagungen des RGZM 13 (Mainz 2012) 1-19. (ISBN: 978-3-88467-191-7)
- Schreg 2016: Rainer Schreg, Quellenanalyse. Bestimmung von Funden. Keramik. In: Barbara Scholkmann, Hauke Kenzler u. Rainer Schreg (Hrsg.), Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Grundwissen (Darmstadt 2016).(ISBN: 978-3-534-26811-5 )
- Herders Conversations-Lexikon. Band 5 (Freiburg im Breisgau 1857), S. 493-494. s.v. Töpferei - Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003544389