Datierung
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Die Datierung von Keramik wird über verschiedene Verfahren erreicht. Es ist strikt zwischen dem Produktionszeitpunkt und dem Niederlegungs-/Einbettungszeitpunkt zu unterscheiden.
Chronologie
Die Keramikforschung hat verschiedentlich relativchronologische Perioden-, Phasen- oder Stufensysteme entwickelt, die man dann in einem zweiten Arbeitsschritt mit absolutchronologischen Daten versehen hat. Für Süddeutschland ist das Chronologieyste von Uwe Lobbedey (1967) exemplarisch zu nennen, das in den 1970er und auch noch 80er Jahren einige Verwendung gefunden hat, danach aber außer Gebrauch kam. Seitdem wird auf ein relativchronologisches System verzichtet und primär über einen Materialvergleich eine absolutchronologische Einordnung vorgenommen (z.B. Gross 1991; Schreg 2006).
Datierungsmethoden
Man kann zwischen Methoden der relativen und absoluten Chronologie unterscheiden, oder nach klassischen und naturwissenschaftlichen Methoden.
klassische Methoden
Als klassische Methoden der Archäologie werden diejenigen gewertet, die auf einer Kontextualisierung der Funde beruhen. Stratigraphische Abfolgen ermöglichen eine relative Chronologie, können aber auch wichtige Hinweise zur absoluten Datierung liefern, da sie es ermöglichen, Datierungen aus dem übrigen Fundmaterial, aus historischen Identifikatioen oder ggf. auch aus naturwissenschaftlichen Datierungen etwa mittels der Dendrochronologie auf ein Fundensemble zu übertragen. Dies muss unter Berücksichtigung der Kriterien archäologischer Quellenkritik erfolgen. Zu hinterfragen sind bei Keramikfunden die Ablagerungsbedingungen, wobei Verrundungs- und Zerscherbungsgrad einen wichtigen Anhaltspunkt bieten können. Im Siedlungskontext ist stets mit Fundverlagerungen zu rechnen, weshalb statistische Auswertungen von Interesse sind. Fundvergesellschaftungen sind insbesondere bei geschlossenen Funden von Bedeutung, da bei ihnen von einer gleichzeitigen Niederlegung ausgegangen werden kann.
Eine absolute Datierung wird durch Vergesellschaftung mit datierbaren Funden oder - in der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit besonders wichtig - durch die Verknüpfung mit historisch datierten Bauphasen erreicht. Datierungsansätze ergeben sich auch durch eine Vergesellschaftung mit oft besser datierter Importkeramik, wie dies forschungsgeschichtlich in Haithabu zunächst der Fall war. Von Bedeutung ist die Münzdatierung insbesondere anhand von Münzschatzgefäßen (Mittelstraß 2012).
Naturwissenschaftliche Methoden
- Thermolumineszenzdatierung - bestimmt den Zeitpunkt des letzten Brands
- Radiocarbondatierung: Wenngleich im Keramikscherben vom Ton wie auch vom Brennen Kohlenstoff enthalten ist, war eine direkte Datierung von Keramik mittels 14C bislang nicht möglich (vgl. Atley 1980). Allerdings können prinzipiell organische Inhaltsreste oder Anhaftungen eine Altersbestimmung ermöglichen. Inzwischen ist es aber auch möglich, aus dem Scherben Fett zu extrahieren, das sich bei der Nutzung als Kochgefäß abgelagert haben. Da moderne AMS-Datierungen nur noch geringe Probenmengen benötigt, sind Datierungen nun möglich (Casanova u.a. 2020). Die Datierung bestimmt theoretisch den Zeitraum der Nutzung.
- Kalium-Argon-Datierung, dient eher zur Bestimmung des Alters von Gesteinen. Sie liefert keine Daten, die unmittelbar für eine archäologische Datierung wichtig sind, kann aber bei Provenienzfragen eine wichtige Rolle spielen.
- Rehydroxylationsmethode: Zur Zeit ist ein neues Datierungsverfahren in der Entwicklung, das eine Datierung über die Messung von aufgelösten Sauerstoffbrückenbindungen in Keramik anstrebt (Barrett 2017).
Die Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden schwankt häufig zwischen Euphorie und skeptischer Ablehnung, was oft zu Lasten realistischer, geduldiger Methodenentwicklung geht. In der Regel benötigt die Forschung einige Zeit, bevor sie Kontaminationsprobleme richtig einschätzen und ggf. korrigieren kann. Die Fehlerschwankungen naturwissenschaftlicher Methoden schränken ihre Anwendungsmöglichkeiten zwar häufig ein, doch kommt es letztlich auf die konkreten Fragestellungen an.
Vorschlag eines erneuerten relativchronologischen Systems keramischer Horizonte
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Die rasche absolutchronologische Datierung von Befunden anhand der Keramikfunde ist methodisch problematisch. Sie hat zwar den Vorteil, dass sie für Laien und Kolleg*innen aus Nachbardisziplinen anschaulicher ist, doch ergibt sich daraus das Problem, dass früher publizierte Datierungen kaum noch angepasst werden können und im Lauf der Zeit ein unüberschaubarer Forschungsstand entstehen muss. Idealerweise sollte die Forschung zu einem relativchronologischen System zurückkehren, das heute freilich nicht mehr jenes sein kann, das Uwe Lobbedey vor mehr als 50 Jahren vorgelegt hat. Abgesehen von einigen neuen Erkenntnissen zur mittelalterlichen Keramik, ist es erforderlich auch die Völkerwanderungszeit und Merowingerzeit sowie die Neuzeit in ein modernes System einzubeziehen. Ein überregional anwendbares System kann nicht an einem einzelnen Fundplatz ansetzen, sondern muss versuchen, verschiedene Kriterien miteinander zu verbinden und eine Reihe von Leitformen zu benennen. Folgende Horizonte seien hier vorgeschlagen (vgl. Schreg 2012):
Horizont I
Spätantike und völkerwanderungszeitliche Traditionen bestimmen Horizont I. Leiformen sind Terra Nigra, Rauwandige Drehscheibenware römischer Tradition, geglättete handgemachte Feinware, handgemachte Grobwaren, sowie als Import Sigillata-Derivate,
Horizont II
Horizont II ist im Südwesten bestimmt durch die Überlieferung der merowingerzeitlichen Reihengräberfelder. Kennzeichnend sind rauwandige Drehscheibenwaren und vor allem die Knickwandkeramik. Regional sind immer noch handgemachte Waren von Bedeutung.
Horizont III
Horizont II umfasst die späte Merowingerzeit, als keramische Grabbeigaben vielerorts bereits abnahmen. Vermehrt treten Siedlungsfunde in Erscheinung. Es sind insbesondere rauwandige Drehscheibenwaren wie z.B. die Donzdorfer Ware oder - weiter östlich - die Kammstrichware, die diesen Horizont prägen.
Horizont IV
In Horizont IV (Frühmittelalter) beginnen die älteren Drehscheibenwaren. Vertreter sind die Sandige Drehscheibenware (Nordschweiz, FMa), die braune, meist rillenverzierte rauwandige Drehscheibenware bzw. rauwandige Drehscheibenware Neuhauer Art sowie die stempelverzierte Frühphase der älteren gelben Drehscheibenware.
Horizont V
Kennzeichnend ist der Typ Runder Berg der älteren gelben Drehscheibenware. Es beginnen viele der nachgedrehten Waren.
Horizont VI
Kennzeichnend ist der Typ Jagstfeld der älteren gelben Drehscheibenware sowie die Ältere graue Drehscheibenware (Kraichgau/ Oberrhein, HMa) sowie eine Vielzahl von nachgedrehten Waren.
Horizont VII
Horizont VII, das ausgehende Hochmittelalter wird durch die letzten Ausläufer der älteren gelben Drehscheibenware sowie zahlreiche nachgedrehte Waren, die bereits zur jüngeren Drehscheibenware überleiten, gekennzeichnet. Leistenränder gewinnen an Bedeutung. Außerhalb Süddeutschlands gewinnt das Steinzeug an Bedeutung.
Horizont VIII
Das frühere Spätmittelalter wird durch jüngere graue Drehscheibenware geprägt, in vielen Regionen mit schmalen Karniesrändern. Es erfolgt eine Ausdifferenzierung der Gefäßformen.
Horizont IX
Das jüngere Spätmittelalter wird durch jüngere graue und zunehmend oxidierend gebrannter Drehscheibenware geprägt, in vielen Regionen mit nun breiteren Karniesrändern.
Horizont X
Am Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit gewinnt die Glasur an Bedeutung. Es kommt die Ablösung der jüngeren Drehscheibenware durch glasierte Hafnerware.
Horizont XI
Horizont XI, die frühere Neuzeit, ist geprägt durch grün und gelb glasierte Hafnerware.
Horizont XII
Horizont XII umfasst die zunehmend polychrome Bauernkeramik. Fayence und Porzellan gewinnen an Bedeutung.
Literaturhinweise
- Atley 1980: S. P. de Atley, Radiocarbon Dating of Ceramic Materials: Progress and Prospects. Radiocarbon 22, 3, 1980, 987–993.
- Barrett 2017: G. T. Barrett, Rehydroxylation (RHX) dating: Issues due to short term elevated temperature events. Journal Arch. Science Rep. 14, 2017, 609–619.
- Casanova u. a. 2020: E. Casanova/T. D. J. Knowles/A. Bayliss u. a., Accurate compound-specific 14C dating of archaeological pottery vessels. Nature 31, 2020, 276.
- Mittelstraß 2012: T. Mittelstraß, Die Münzschatzgefäße des Mittelalters und der Neuzeit aus Bayern. Studia archaeologiae medii aevi 2 (Friedberg 2012).
- Schreg 2012: R. Schreg, Keramik des 9. bis 12. Jahrhunderts am Rhein. Forschungsperspektiven auf Produktion und Alltag. In: Pantermehl, Heidi / Grunwald, Lutz / Schreg, Rainer (Hrsg.): Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle für Produktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts. RGZM – Tagungen 13. (Mainz 2012) 1–19