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Generell ist es bei absolutchronologischen Datierungen quellenkritisch wichtig, genau zu unterscheiden,was datiert wird, nämlich die Produktion eines Objektes oder der Zeitpunkt, an dem dieser in den archäologischen Kontext gerät (also vereinfacht: begraben wird). |
Generell ist es bei absolutchronologischen Datierungen quellenkritisch wichtig, genau zu unterscheiden,was datiert wird, nämlich die Produktion eines Objektes oder der Zeitpunkt, an dem dieser in den archäologischen Kontext gerät (also vereinfacht: begraben wird). |
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Fundkomplexe aus [[Töpfereien bzw. Töpferofenstandorte]] sind daher von besonderer Bedeutung, während [[Münzschatzgefäß]]e die Problematik in besonderem Maß aufwerfen. |
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+ | Obgleich generell ein Trend von handgemachter über nachgedrehte Keramik hin zur Drehscheibenware zu beobachten ist, ist dies keine lineare Entwicklung. Die römische Keramik war noch in der Spätantike durch Drehscheibenware geprägt, deren Tradition im westlichen Mitteleuropa wie auch in West- und Südeuropa nie verloren ging. Im frühen Mittelalter gewinnen jedoch handgemachte Gefäße enorm an Bedeutung. Teilweise lassen sich anhand der Verzierungen Einflüsse aus Regionen außerhalb des Römischen Reiches erfassen. So verweisen etwa handgemachte Buckel südlich der Schwäbischen Alb und in Ostwürttemberg auf Bezüge nach Mitteldeutschland. Im Hochmittelalter ist weiträumig eine steigende Bedeutung "nachgedrehter" Keramik festzustellen. Sie drängt seit dem 9. Jahrhundert überall die handgemachte Keramik zurück. In Südwestdeutschland etabliert sie sich spätestens im 11./12. Jahrhundert in verschiedenen Ausprägungen neben der weit verbreiteten, regional verankerten und qualitätvollen älteren gelben Drehscheibenware. Das Aufkommen der nachgedrehten Waren könnte als Folge einer Regionalisierung der Keramikproduktion zu verstehen sein, die sich aus veränderten gesellschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen ergab. Veränderungen der sogenannten Grundherrschaft mit einer stärkeren Geldwirtschaft im 11./12. Jahrhundert dürften die Versorgung aus herrschaftlichen Töpfereien reduziert und stattdessen eine lokale Töpferei durch „Teilzeitspezialisten“ begünstigt haben. Solch ein Versorgungssystem würde auch erklären, warum die in unseren Augen eher minderwertige nachgedrehte Keramik besonders häufig [[Flickung]]en und [[Bodenzeichen]] aufweist. |
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+ | Mit der Urbanisierung wurde auch die Töpferei allmählich ein städtisches Handwerk und wohl auch stärker markt-orientiert. Die Drehscheibenware setzt sich ab dem 12./13. Jahrhundert generell durch. Dabei ist ein großräumiger Austausch von Formen zu beobachten, der zwar regionale Produktionstraditionen nicht auslöscht, aber beispielsweise dazu führt, dass der sogenannte [[Karniesrand]] – , ein unterschnittener, konkaver [[Leistenrand]] – von Siebenbürgen bis Ostfrankreich Verbreitung findet. Mit dem Spätmittelalter erfolgt eine Vergrößerung des bis dahin weitgehend auf Töpfe und Henkeltöpfe begrenzten Formenspektrums sowie eine technische Weiterentwicklung. Ausgehend von den Töpfereitraditionen des Rheinlandes, – von wo aus die berühmten Töpfereien der Voreifel (z. B. Badorf, Pingsdorf, Langerwehe, Walberberg) und aus Mayen schon lange weit rheinabwärts exportiert hatten – entwickelte sich das [[Steinzeug]], bei dem durch höhere Brenntemperaturen der Scherben versinterte und so wasserdicht wurde. |
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+ | Die bis dahin ausschließlich übliche Irdenware ist ohne weitere Behandlung porös, so dass Flüssigkeit durch die Wandung verdunsten kann. Glasuren waren seit der Antike eine Möglichkeit, Gefäße abzudichten. Im Gegensatz zum byzantinischen Raum verlieren sie in Mitteleuropa seit der Spätantike an Bedeutung. Erst etwa ab dem 12. Jahrhundert setztt sie sich mit großen regionalen Unterschieden die Glasur allmählich wieder durch. In [[Freiburg]] im Breisgau begegnet Glasur bereits im 13. Jahrhundert, in [[Ulm]] aber erst im 16. Jahrhundert in nennenswertem Umfang. |
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Version vom 14. Juli 2024, 13:55 Uhr
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Keramik stellte in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, aber auch noch während des Mittelalters und der Neuzeit den Großteil des Wirtschafts- und Küchengeschirrs, teilweise auch des Auftrags- oder Tafelgeschirrs. Keramik übernahm in der Vergangenheit vielfältige Funktionen, die heute meist von Kunststoffen in Form von Plastikgefäßen, -kanistern und -tüten, oft aber auch von Glas übernommen werden. Keramik ist einerseits leicht zerbrechlich und - einmal zerbrochen - kaum wiederverwendbar, andererseits ist die einzelne Scherbe aber zugleich in ihrerer Substanz, dem Scherben, sehr widerstandsfähig. Für den Archäologen gewinnt die Keramik dadurch eine Schlüsselrolle: Sie ist an fast allen Fundstellen zu finden - oft in großer Zahl - und zeigt im Lauf der Zeit in ihren Verzierungen, Gefäßtypen, Formen und Herstellungstechniken Veränderungen, die es erlauben, eine zeitliche Einordnung vorzunehmen. Die Keramik bietet damit die Grundlage für weitergehende Aussagen, wie etwa für die Siedlungsgeschichte.
Allerdings gibt es Perioden, in denen Keramik regional durch andere Materialien ersetzt wurde. In der unserem Frühmittelalter gleichzeitigen Eisenzeit Skandinaviens sind dort in einigen Landschaften Keramikfunde in Siedlungen sehr selten, da man offenbar überwiegend Holzgefäße verwendete. Auch im Schweizer Mittelland sind einige Regionen im Früh- und Hochmittelalter ausgesprochen keramikarm – trotz zahlreicher Ortsnamen, die eine Besiedlung der Region durchaus belegen. Auch hier ist damit zu rechnen, dass Holz- und eventuell auch Lavezgefäße das Keramikgeschirr ersetzten. Zu beachten ist auch, dass sich im Lauf der Zeit die Produktionsbedingungen veränderten. Während im frühen Mittelalter grundherrschaftliche Strukturen in der Produktion und Distribution wesentlichen Anteil hatten, gibt es Perioden und Regionen, in denen eine Selbstversorgung der ländlichen Gesellschaften mit Keramikgefäßen stattfand. Im Spätmittelalter entsteht im Kontext der Urbanisierung ein städtisches Handwerk und ein Markt für Hafnerprodukte und im Merkantilismus entstehen protoindustrielle Porcellanfabriken, Keramik liefert also nicht nur Datierungsanhaltspunkte, sondern stellt auch eine wichtige Quelle für Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte dar. Anhand der Keramik sind Kenntnisse zu Handwerk und Handel, gegebenenfalls auch zu Trink- und Eßgewohnheiten, Sozialstatus und kultureller oder gar ethnischer Zugehörigkeit ihrer Benutzer oder Hersteller zu gewinnen.
Forschungsgeschichte
Voraussetzung jeder wissenschaftlichen Auswertung von Keramikfunden ist eine Keramikklassifikation, basierend auf dem Vergleich von Form und Material. Als Schwierigkeit besteht hier eine forschungsgeschichtlich gewachsene, oft sehr inkonsequente Terminologie mit regional unterschiedlichen und uneinheitlichen, sich im Lauf der Forschung häufig verändernden und oft nicht klar gefassten Definitionskriterien. Die Erforschung mittelalterlicher Keramik reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück, als beispielsweise Constantin Koenens Gefäßkunde 1895 bis ins Mittelalter ausgriff. Aber erst in den 1920er und 1930er Jahren wurden - überwiegend in Mitteldeutschland – Standards der Keramikbearbeitung gesetzt (Strauss, Schirmer). Damals wurden Grundprinzipien der Beschreibung und zeichnerischen Dokumentation entwickelt und Fragestellungen formuliert. In den späten 1950er und 1960er Jahre entstanden viele bis heute grundlegender Arbeiten, beispielsweise die Bearbeitungen der Funde aus Haithabu (Hübener), aus der Wüstung Königshagen (Janssen) oder zahlreicher Materialien aus Südwestdeutschland (Lobbedey).
In Süd- und Westdeutschland hat sich mit den Arbeiten von Uwe Lobbedey und Wolfgang Hübener eine Gliederung archäologischer Siedlungskeramik in Warenarten durchgesetzt, deren Definition ein ganzes Kriterienbündel, bestehend aus Angaben zur Herstellungstechnik, Scherbenbeschaffenheit und zu typologischen Formkriterien heranzieht. Diese Warenarten sollten aber auch mehr sein als deskriptive Materialgruppen, da sie oft auch kulturgeschichtliche Interpretationen beinhalteten. Die Differenzierung in ältere Drehscheibenware und jüngere Drehscheibenware, die Uwe Lobbedey vorgenommen hat, transportiert implizit auch die Idee unterschiedlicher Produktionsstrukturen.
Die etablierten Bezeichnungen einzelner Warenarten sind nicht immer unproblematisch. "Rauwandige Drehscheibenware" bezeichnet in Südwestdeutschland eine frühmittelalterliche Ware, in Oberfranken eine spätmittelalterliche und vielerorts auch spätantik-römische Keramik. Begriffe wie "Albware" wurden unabhängig voneinander verschieden definiert und die gelbe quarzgemagerte Ware (Neckarland, HMa) aus Südwestdeutschland ist nicht etwa durch eine Magerung mit Quarz erkenn- und abgrenzbar, sondern durch eine Magerung mit rostbraunen Partikeln.
Noch immer bestehen regionale Forschungstraditionen, die sich auf die Methode der Definition von Keramikgruppen und die Terminologie auswirken. Für einige Regionen hat man in Gemeinschaftswerken versucht, die wissenschaftliche Terminologie zu vereinheitlichen: Das „Handbuch zur mittelalterlichen Keramik in Nordeuropa“ (2001) behandelt die Keramik zwischen 800 und 1500 in Norddeutschland und Skandinavien und stellt systematisch die wichtigsten Warenarten dar. Teil des Werkes ist eine schon 1984 im Archäologischen Korrespondenzblatt publizierte „Rahmenterminologie zur mittelalterlichen Keramik in Norddeutschland“. Ebenfalls in den 1980er Jahren sind die Vorschläge zur systematischen Beschreibung von Keramik" (1986) und der "Leitfaden zur Keramikbeschreibung (Mittelalter – Neuzeit)" (1986) erschienen, die das damalige Bemühen um eine Systematisierung und Objektivierung der Keramikbearbeitung aufzeigen. 2010 erschien das "Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich". Dennoch fehlen für weite Teile Mitteleuropas zusammenfassende Arbeiten, die auch terminologisch als Referenz genutzt werden könnten. Vielfach muss man immer noch auf die Aufarbeitungen einzelner Grabungen oder Regionen zurückgreifen.
Obgleich Keramik in der Regel die größte Fundgattung darstellt und sie in Publikationen oft einen großen Raum einnimmt, ist das enorme Potential, sie über Datierungsfragen hinaus als Quelle für Alltags-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu nutzen bislang bei weitem nicht ausgeschöpft. Es ist bezeichnend, dass die Einführung in die Archäologie des Mittelalters von Günther P. Fehring nur kursorisch auf Keramikfunde einging. Bis heute sind naturwissenschaftliche Analysen an dem Scherben oder an Inhaltsresten nur situativ-sporadisch und weitgehend unsystematisch und ohne umfassendere Strategie erfolgt.
Klassifikation
Jede weitere Auswertung von Keramikfunden als Quelle für Chronologie, aber insbesondere auch für Fragen der Alltags- , Sozial- und Wirtschaftsgeschichte setzt eine Klassifikation des Fundmaterials voraus.
Eine Klassifikation kann nach unterschiedlichen Kriterien und mit unterschiedlichen Zielsetzungen erfolgen.
Bei der Bearbeitung eines konkreten Fundkomplexes stehen zunächst deskriptive Aspekte im Mittelpunkt. Eine Differenzierung von Materialgruppen soll helfen, die Einzelbeschreibungen abzukürzen, aber auch, grundlegende Informationen zu Herstellungstechniken und Rohmaterialien greifbar zu machen. Eine - in der Regel Fundstellen übergreifende - kulturgeschichtliche Einordnung sucht Warernarten zu differenzieren. Sis sind immer über ein Kriterienbündel definiert, das Angaben zur Herstellungstechnik, zur Scherbenbeschaffenheit und typologischen Formken mit solchen Aspekten zu kombinieren, die bereits interpretativ sind, nämlich ein charakteristischem Formenspektrum, einer spezifischen Datierung, Verbreitung oder einem bekannten Herstellungsort.
Wie bereits angesprochen, gibt es hier regionale Forschungstraditionen, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen und eine unterschiedliche Terminologie pflegen, Das gilt nicht nur auf der Ebene der Warenatten. In Süddeuscthaldn etwa werden Warenarten wie die rauwandige Drehscheibenware vielfach in verschiedene regionale, oft als „"Typ“", „Art“ oder „Variante“ bezeichnete Ausprägungen differenziert. in der 'slawischen' Archäologie wird der Begriff des „"Typs“" meist auf einer höheren Ebene benutzt: Er entspricht weitgehend dem, was anderswo als „"Warenart“" bezeichnet wird. Forschungsgeschichtlich bezeichneten die Typen der slawischen Archäologie zunächst aber weit umfassender gedachte regionale Kulturausprägungen, die neben der Keramik auch andere Kriterien, wie Bestattungssitten berücksichtigten. In der Schweiz und in Bayern hat man, – nachdem lange Zeit überwiegend nur die Randbildung für die Einordnung benutzt wurde – erst in jüngerer Zeit das Warenart-Konzept übernommen. Im norddeutschen Raum hingegen wurdehat - von den Importwaren abgesehen – in erster Linie auf die Scherbenbeschaffenheit geachtet.
Beizüglich der Herstellungstechnik unterscheidet man schematisch zwischen handgemachter, nachgedrehter und scheibengedrehter Ware. Handgemachte Keramik ist ohne die Hilfe einer Töpferscheibe beispielsweise durch Aufwülsten geformt. Echte Drehscheibenware ist auf einer schnelllaufenden, am ehesten fuß- oder pedalgetriebenen Töpferscheibe hergestellt, wodurch das Gefäß eine gleichmäßigere Form erhält Sogenannte "nachgedrehte", "überdrehte" oder "abgedrehte" Keramik wurde mit Hilfe einer drehbaren Unterlage oder einer langsam drehenden Töpferscheibe gefertigt. Am archäologischen Fund ist trotz vielfältiger Kriterien nicht immer eine klare Differenzierung möglich. Bei Gefäßformen wie dem in Norddeutschland dominierenden Kugeltopf können diese Herstellungstechniken an einem Gefäß auch kombiniert sein.
Keramikchronologie
Datierungen mittels Keramikfunden sind für dieArchäologie und insbesondere auch für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit eine wichtige Methode der Datierung, da sie vergleichweise günstig ist und auch bei Oberflächenfunden zum Tragen kommen kann. Die Chronologie ist daher ein zentrales Thema der Keramikforschung.
Vorauusetzung dafür ist jedoch ein ausreichender regionaler Forschungsstand. Dabei ist es indes wichtig, dass dieser systematisch begründet und nachvollziehbar ist. In der Praxis fehlen meist systematische Aufarbeitungen, was zu einer Diskussion einzelner Fundstücke führen muss, die immer stark vom Erfahrungsstand des Bearbeiters und dem Rechercheaufwand abhängt, der ihm situativ möglich ist.
Relativchronologie
Die Analyse stratifizierbarer Grabungsbefunde ist wesentliches Rückgrat bei der Erarbeitung von relativen Abfolgen von Typen und Wanrenarten. Solche Stratigrafien liegen aus dem Früh- und Hochmittelalter nur an wenigen Plätzen vor, meist aus Kirchen, wo jedoch nur relativ wenig Keramik zu Bruch ging und die Funde daher meist über eine gewisse Distanz verlagert sind. Exemplarisch genannt seien Hier Esslingen, St. Dionysius oder Vaihingen/Enz, St. Peter. Lange Zeit musste man darum für die Chronologie der früh- und hochmittelalterlichen rheinischen Waren auf die Grabungen in Haithabu zurückgreifen, weshalb nach der Auswertung rheinischer Fundstellen eine Revision älterer Datierungen notwendig wurde.
Für das Spätmittelalter und zunehmend auch für die Neuzeit liegen hingegen Bearbeitungen aus einzelnen Städten oder gar einzelnen Stadtkerngrabungen vor, die auf stratigrafische Beobachtungen zurückgreifen können. Für Südwestdeutschland wurden die Schichtabfolge an der Staufermauer von Ulm, Weinhof von Bedeutung, ohne dass diese jedoch en detail vorgelegt wurde. Als problematisch erweist sich nämlich in vielen Fällen die sinnvolle Koordination der Grabungsauswertung, da sichergestellt werden sollte, dass die Fund- und Befundauswertung ineinandergreifen, sodass die stratigrafischen Informationen der Keramikbearbeitung auch zur Verfügung stehen. Die häufige Trennung von Fund- und Befundbearbeitung ist hier ebenso zu überdenken wie der durchaus nachvollziehbare Wunsch der Denkmalpflege, dass einzelne Grabungen vollständig ausgewertet und nicht etwa für die Belange der Keramikchronologie aus allen vorliegenden Grabungen einer Stadt nur die stratigrafischen Ketten herausgegriffen werden.
Eine wertvolle Quelle für die Keramikchronologie stellen auch beigabenführende Gräberfelder dar. Eine Gefäßbeigabe kommt allerdings nur ausnahmsweise vor, so vor allem im 5. und 6. Jahrhundert, während sie dann rückläufig ist und bei vielen „slawischen“ Bestattungen in Mittel- und Ostdeutschland ganz fehlt. Im Bereich der merowingerzeitlichen Reihengräber konnte anhand der Beigabenkombinationen die Entwicklung spätantiker Keramik bis ins frühe Mittelalter hinein verfolgt werden. Hier zeigen sich insbesondere bei der Drehscheibenkeramik deutliche Traditionslinien aus der römischen Zeit, aber auch ein zunehmender Einfluss von Traditionen aus dem Raum jenseits der ehemaligen Reichsgrenze. Im östlichen Mitteleuropa, wo die Keramikbeigabe noch bis ins 9. oder gar 11. Jahrhundert üblich war, sind Gräber auch in jüngerer Zeit eine wichtige Basis der Chronologie. Bei all diesen Grabchronologien ist allerdings zu beachten, dass für die Grabausstattung einzelne Gefäßtypen ausgewählt wurden, die nicht unbedingt repräsentativ für den Gesamtbestand an Keramik sein müssen. So beobachten wir beispielsweise in Südwestdeutschland, dass die aus merowingerzeitlichen Gräbern sehr gut bekannte Knickwandkeramik in vielen gleichzeitigen Siedlungen nur einen sehr kleinen Bruchteil des Keramikspektrums darstellte. Möglicherweise war die in Gräbern häufige Knickwandkeramik – anders als es der Filter der Bestattungssitten annehmen lässt – im Alltag länger in Gebrauch als nur bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts. So sind Einflüsse der Knickwandkeramik auch noch im 8. oder gar im 9. Jahrhundert in der "slawischen" Keramik anzunehmen.
Absolutchronologie
Eine absolute Datierung von Keramikfunden hängt in hohem Maße von fix datierten Fundkomplexen ab. Deren Datierung kann sich aus naturwissenschaftlichen Datierungsverfahren (z.B. Dendrochronologie) oder aus historischen Kontexten ergeben. Besonders vielversprechend sind Serien absolute Daten in stratigraphischen Abfolgen oder in engem lokalen Zusammenhang (z.B. mehrere datierte Latrinen in einer Stadt oder gar einem Stadtquartier).
Generell ist es bei absolutchronologischen Datierungen quellenkritisch wichtig, genau zu unterscheiden,was datiert wird, nämlich die Produktion eines Objektes oder der Zeitpunkt, an dem dieser in den archäologischen Kontext gerät (also vereinfacht: begraben wird). Fundkomplexe aus Töpfereien bzw. Töpferofenstandorte sind daher von besonderer Bedeutung, während Münzschatzgefäße die Problematik in besonderem Maß aufwerfen.
Grundzüge der Entwicklung
Obgleich generell ein Trend von handgemachter über nachgedrehte Keramik hin zur Drehscheibenware zu beobachten ist, ist dies keine lineare Entwicklung. Die römische Keramik war noch in der Spätantike durch Drehscheibenware geprägt, deren Tradition im westlichen Mitteleuropa wie auch in West- und Südeuropa nie verloren ging. Im frühen Mittelalter gewinnen jedoch handgemachte Gefäße enorm an Bedeutung. Teilweise lassen sich anhand der Verzierungen Einflüsse aus Regionen außerhalb des Römischen Reiches erfassen. So verweisen etwa handgemachte Buckel südlich der Schwäbischen Alb und in Ostwürttemberg auf Bezüge nach Mitteldeutschland. Im Hochmittelalter ist weiträumig eine steigende Bedeutung "nachgedrehter" Keramik festzustellen. Sie drängt seit dem 9. Jahrhundert überall die handgemachte Keramik zurück. In Südwestdeutschland etabliert sie sich spätestens im 11./12. Jahrhundert in verschiedenen Ausprägungen neben der weit verbreiteten, regional verankerten und qualitätvollen älteren gelben Drehscheibenware. Das Aufkommen der nachgedrehten Waren könnte als Folge einer Regionalisierung der Keramikproduktion zu verstehen sein, die sich aus veränderten gesellschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen ergab. Veränderungen der sogenannten Grundherrschaft mit einer stärkeren Geldwirtschaft im 11./12. Jahrhundert dürften die Versorgung aus herrschaftlichen Töpfereien reduziert und stattdessen eine lokale Töpferei durch „Teilzeitspezialisten“ begünstigt haben. Solch ein Versorgungssystem würde auch erklären, warum die in unseren Augen eher minderwertige nachgedrehte Keramik besonders häufig Flickungen und Bodenzeichen aufweist.
Mit der Urbanisierung wurde auch die Töpferei allmählich ein städtisches Handwerk und wohl auch stärker markt-orientiert. Die Drehscheibenware setzt sich ab dem 12./13. Jahrhundert generell durch. Dabei ist ein großräumiger Austausch von Formen zu beobachten, der zwar regionale Produktionstraditionen nicht auslöscht, aber beispielsweise dazu führt, dass der sogenannte Karniesrand – , ein unterschnittener, konkaver Leistenrand – von Siebenbürgen bis Ostfrankreich Verbreitung findet. Mit dem Spätmittelalter erfolgt eine Vergrößerung des bis dahin weitgehend auf Töpfe und Henkeltöpfe begrenzten Formenspektrums sowie eine technische Weiterentwicklung. Ausgehend von den Töpfereitraditionen des Rheinlandes, – von wo aus die berühmten Töpfereien der Voreifel (z. B. Badorf, Pingsdorf, Langerwehe, Walberberg) und aus Mayen schon lange weit rheinabwärts exportiert hatten – entwickelte sich das Steinzeug, bei dem durch höhere Brenntemperaturen der Scherben versinterte und so wasserdicht wurde. Die bis dahin ausschließlich übliche Irdenware ist ohne weitere Behandlung porös, so dass Flüssigkeit durch die Wandung verdunsten kann. Glasuren waren seit der Antike eine Möglichkeit, Gefäße abzudichten. Im Gegensatz zum byzantinischen Raum verlieren sie in Mitteleuropa seit der Spätantike an Bedeutung. Erst etwa ab dem 12. Jahrhundert setztt sie sich mit großen regionalen Unterschieden die Glasur allmählich wieder durch. In Freiburg im Breisgau begegnet Glasur bereits im 13. Jahrhundert, in Ulm aber erst im 16. Jahrhundert in nennenswertem Umfang.
Fragestellungen der Alltags- und Sozialgeschichte
Dieser Artikel ist noch sehr kurz und möglicherweise inhaltlich unvollständig. |
Fragestellungen der Wirtschaftsgeschichte
Fragestellungen der Umweltgeschichte
Einführende Literatur
- Brather 1995: S. Brather, Nordwestslawische Siedlungskeramik der Karolingerzeit. Fränkische Waren als Vorbild? Germania 73, 1995, 403–420
- Châtelet 2002: M. Châtelet, La céramique du haut Moyen Age dans le sud de la vallée du Rhin supérieur (Alsace et Pays de Bade). Typologie, chronologie, technologie, économie et culture. Europe Médiévale 5 (Montagnac 2002).
- Drenkhahn 2005: U. Drenkhahn, Die Lübecker Keramikchronologie vom 12. bis zum 16. Jahrhundert. Lübecker Schriften zu Archäologie und Kulturgeschichte 29 (Rahden/Westf. 2015).
- Gaimster 2006: D.R.M. Gaimster, The Historical Archaeology of Pottery. Supply and Demand in the Lower Rhineland, AD 1400–1800. British Archaeological Reports, International Series 1518 (Oxford 2006).
- Homberger/ Zubler 2010: V. Homberger / K. Zubler (Hrsg.), Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik der Region Schaffhausen. Typologie, Seriation und Materialvorlage. Beiträge zur Schaffhauser Archäologie 3 (Schaffhausen 2010).
- Kaltenberger 2009: A. Kaltenberger, Keramik des Mittelalters und der Neuzeit in Oberösterreich. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich 23/24 (Weitra 2009).
- Lüdtke/ Schietzel 2002: H. Lüdtke / K. Schietzel (Hrsg.), Handbuch zur mittelalterlichen Keramik in Nordeuropa. Schriften des Archäologischen Landesmuseums Schleswig 6. (Neumünster 2001).
- Schreg 1997: R. Schreg, Keramik aus Südwestdeutschland. Eine Hilfe zur Beschreibung, Bestimmung und Datierung archäologischer Funde vom Neolithikum bis zur Neuzeit. Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (Tübingen 1997).
- Schreg 2012: R. Schreg, Keramik des 9. bis 12. Jahrhunderts am Rhein. Forschungsperspektiven auf Produktion und Alltag. In: Pantermehl, Heidi / Grunwald, Lutz / Schreg, Rainer (Hrsg.): Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle für Produktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts. RGZM – Tagungen 13. (Mainz 2012) 1–19