Warenart

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Als Warenart bezeichnet man eine Gruppe von keramischen Gefäßen und Produkten, die kulturgeschichtliche Zusammenhänge aufweisen, indem sie sich beispielsweise durch gemeinsame Herstellungstraditionen nahe stehen. Warenarten stellen also eine bereits interpretative Ebene der Keramikklassifikation dar. Ihre Definition beinhaltet ein breites Bündel von Kriterien, insbesondere auch kulturgeschichtliche, bereits interpretative Aspekte, die über eine reine materialorientierte Klassifikation hinausgehen. Insbesondere Kenntnisse zur Typologie, zu Datierung, Verbreitung und zu Herstellungsorten können hier bedeutend sein. Eine archäologisch definierte Warenart muss jedoch von den Zeitgenossen nicht als zusammengehörige Keramikgruppe wahrgenommen worden sein. Sie ist auch nicht zwingend mit den Produkten einer Töpferei gleichzusetzen.

Die Kategorie der Warenart ist nicht mit jener der Materialgruppe zu verwechseln. Letztere enthält sich einer Interpretation und sollte rein deskriptiv sein. Der früheren wie der aktuellen Forschung ist diese notwendige Differenzierung nicht immer bewusst. Jenseits der groben Differenzierung in die Keramiksorten von Irdenware, Fayence, Steingut, Steinzeug und Porzellan hat man in der Forschung immer wieder versucht, "Warenarten" zu differenzieren. Dabei gibt es im einzelnen sehr unterschiedliche Definitionen des Begriffs, wobei ein zentraler Punkt der Diskussion die Frage war, inwiefern formale Kriterien zu berücksichtigen sind. Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass eine Warenart sich durch eine gleichartige Herstellungstechnik und gleichartige Rohstoffe auszeichnet. Umstritten ist, inwiefern formale Aspekte zu Randform, Verzierungen und gesamten Gefäßformen bzw. stilistische Aspekte eine Rolle spielen. Oft hat man Warenarten mit bestimmten Töpfereistandorten verknüpft (z.B. Pingsdorfer Ware oder Donzdorfer Ware). Kritisch ist häufig auch die Frage, wie viel Variabilität innerhalb einer Warenart als zulässig betrachtet werden kann und wie verwandte Warenarten gegeneinander abzugrenzen sind. Das betrifft auch die interne Differenzierung von Untergruppen bzw. Varianten.

In BaLISminK wird ein Warenartkonzept verfolgt, das diese als Synthese aus Materialgruppen, Formengruppen oder Herstellungstechniken versteht, aber zudem kulturgeschichtliche Kriterien aufnimmt. Solch ein kulturgeschichtliches Kriterium ist beispielsweise eine über einen einzelnen Fundort hinausgehende regionale Ausprägung, die sich insbesondere im Formen- und Verzierungsschatz sowie der Herstellungstechnik ausdrücken. Scherbenbeschaffenheit bzw. Magerung sind dabei vielfach von untergeordneter Bedeutung, da diese oft von den lokal verfügbaren Rohstoffen abhängig sind. Die regionale Ausprägung als wichtiges Kennzeichen einer Warenart ermöglicht es, in BaLISminK auch Keramik aus solchen Regionen zu thematisieren, in denen der Forschungsstand noch ungenügend ist. Vielfach lässt sich für einzelne Regionen erwarten, dass analog zu benachbarten, besser erforschten Regionen ähnliche Warenarten vorhanden gewesen sein müssen, die beim aktuellen Stand der Forschung aber noch nicht detailliert beschrieben worden sind. Die betreffenden Artikel wie aktuell (2023) z.B. Feinsandig glimmerhaltige nachgedrehte Ware (Neckarland, HMa) beschreiben in einem solchen Fall die bisher regional bekannten Funde und erlauben in der weiteren - durch das Wiki-Prinzip von BaLISminK jederzeit vornehmbare Bearbeitung und Aktalisierung des Artikels perspektivisch eine Ausdifferenzierung mit der Ausarbeitung einer engeren Warendefinition.

Für spezielle Fragestellungen sind Kriterien ggf. unterschiedlich zu gewichten und spezielle Einteilungen sinnvoll, die man besser nicht als Warenart bezeichnet.

Forschungsgeschichte

In der Frühphase archäologischer Keramikforschung wurde Keramik vor allem nach stilistischen und formalen Kriterien beschrieben (z.B. Strauss 1923). Das Warenartenkonzept wurde in den 1950er Jahren in der provinzialrömischen Archäologie im Rheinland entwickelt und beispielsweise durch das populäre Nachschlagewerk des "Gose" (1950) etabliert. Neben den bis dahin bestimmenden formalen und stilistischen Merkmalen wurden die Scherbenbeschaffenheit und Herstellungstechnik in die Analysen einbezogen.

Als in den späten 1950er und 1960er Jahre die archäologische Keramikforschung im westlichen Mitteleuropa und insbesondere in den Regionen entlang des Rheins durch eine Vielzahl bis heute grundlegender Arbeiten die entscheidenden Impulse erhalten hat, wurden auch erste Warenarten definiert. In diese Phase des allgemeinen Aufschwungs der Archäologie des Mittelalters gehören beispielsweise die Arbeiten von Wolfgang Hübener zu Haithabu (Hübener 1959) und die Untersuchung der Keramik aus den frühen Stadtkerngrabungen in Frankfurt am Main durch Otto Stamm (1962). Im Jahre 1965 gab Hermann Hinz im Rahmen einer Ausstellung über Karl den Großen in Aachen einen ersten Überblick über die karolingische Keramik in Mitteleuropa. Region für Region ging er die verschiedenen Landschaften durch und konnte jeweils deren sehr unterschiedlichen Charakter hinsichtlich ihrer Keramik zeigen. Hinz arbeitete allerdings noch vorrangig formenkundlich. Diese Faktoren waren für die Keramik des Rheinischen Vorgebirges lange Zeit die wichtigsten Kriterien. Uwe Lobbedeys 1962 abgeschlossene Untersuchungen mittelalterlicher Keramik verhalfen dem Warenartkonzept auch in Südwestdeutschland zum Durchbruch. Hier wurden verschiedene Herstellungstechniken diskutiert, doch wurde es hier stärker als im Rheinland durch formaltypologische Kriterien ergänzt. Lobbedey gelang es, ein regional fundiertes relativchronologisches System aufzubauen, das aber zugleich eine mitteleuropäische Perspektive bot. Beim damaligen Kenntnisstand waren noch nicht alle heute bekannten Warenarten definiert und klar auszusondern.

Seit den 1970er Jahren entwickelte Hans-Georg Stephan im südlichen Niedersachsen ein System der Warenartcodierung (Stephan 1979; Stephan 2000), das in den nördlichen Mittelgebirgslandschaften verschiedentlich aufgegriffen wurde. Dieses konzentriert sich weitgehend auf die Materialeigenschaften.

Bis heute differenzieren viele Keramikbearbeitungen nicht konsequent zwischen rein deskriptiven Materialgruppen und den interpretierenden Warenarten. Es ist übrigens nicht zwingend davon auszugehen, dass sich Warenarten überlappungsfrei definieren lassen und dass jeder Fund auch tatsächlich einer Warenart zugewiesen werden kann.

Literaturhinweise

  • Gose 1984: E. Gose, Gefäßtypen der römischen Keramik im Rheinland. 4.Aufl. Bonner Jahrb. Beih. 1 (Köln 1984). - Erstauflage 1950
  • Hinz 1965: H. Hinz, Die karolingische Keramik in Mitteleuropa. In: W. Braunfels/H. Schnitzler (Hrsg.), Karl der Grosse. Lebenswerk und Nachleben. III. Karolingische Kunst1 (Düsseldorf 1965) 262–287.
  • Hübener 1959: W. Hübener, Die Keramik von Haithabu. Ausgr. Haithabu 2 (Neumünster 1959).
  • Lobbedey 1968: U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich aus Südwestdeutschland. Arbeiten Frühmittelalterforsch. 3 (Berlin 1968).
  • Schreg 2012: R. Schreg, Keramik des 9. bis 12. Jahrhunderts am Rhein. Forschungsperspektiven auf Produktion und Alltag. In: H. Pantermehl/L. Grunwald/R. Schreg (Hrsg.),Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle für Produktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts. RGZM-Tagungen 13 (Mainz 2012) 1–19.
  • Stephan 1979: H.-G. Stephan, Archäologische Studien zur Wüstungsforschung im südlichen Weserbergland. Münstersche Beitr. Ur- u. Frühgesch. 10-11/2 (Hildesheim 1979).
  • Stephan 2000: H.-G. Stephan, Studien zur Siedlungsentwicklung und -struktur von Stadt und Reichskloster Corvey (800-1670). Göttinger Schr. Ur- u. Frühgesch. 26 (Neumünster 2000).
  • Stamm 1962: O. Stamm, Spätrömische und frühmittelalterliche Keramik der Altstadt Frankfurt a. M. Schr. Frankfurter Mus. Vor- u. Frühgesch. 1 (Frankfurt a. M. 1962).
  • Strauß 1923: K. Strauß, Studien zur mittelalterlichen Keramik. Mannus-Bibliothek 30 (Leipzig 1923).