Chronologie

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Die Keramikforschung hat verschiedentlich relativchronologische Perioden-, Phasen- oder Stufensysteme entwickelt, die man dann in einem zweiten Arbeitsschritt mit absolutchronologischen Daten versehen hat. Für Süddeutschland ist das Chronologieyste von Uwe Lobbedey (1968) exemplarisch zu nennen, das in den 1970er und auch noch 80er Jahren einige Verwendung gefunden hat, danach aber außer Gebrauch kam. Seitdem wird auf ein relativchronologisches System verzichtet und primär über einen Materialvergleich eine absolutchronologische Einordnung vorgenommen (z.B. Gross 1991; Schreg 2006).

Übersicht zur Keramikchronologie: wichtige Warenarten, Gliederungssysteme und wirtschaftsgeschichtliche Entwicklungen (nach Schreg 2012)

Vorschlag eines erneuerten relativchronologischen Systems keramischer Horizonte

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Die rasche absolutchronologische Datierung von Befunden anhand der Keramikfunde ist methodisch problematisch. Sie hat zwar den Vorteil, dass sie für Laien und Kolleg*innen aus Nachbardisziplinen anschaulicher ist, doch ergibt sich daraus das Problem, dass früher publizierte Datierungen kaum noch angepasst werden können und im Lauf der Zeit ein unüberschaubarer Forschungsstand entstehen muss. Idealerweise sollte die Forschung zu einem relativchronologischen System zurückkehren, das heute freilich nicht mehr jenes sein kann, das Uwe Lobbedey vor mehr als 50 Jahren vorgelegt hat. Abgesehen von einigen neuen Erkenntnissen zur mittelalterlichen Keramik, ist es erforderlich, auch die Völkerwanderungszeit und Merowingerzeit sowie die Neuzeit in ein modernes System einzubeziehen. Ein überregional anwendbares System kann nicht an einem einzelnen Fundplatz ansetzen, sondern muss versuchen, verschiedene Kriterien miteinander zu verbinden und eine Reihe von Leitformen zu benennen. Prinzipiell wird es notwendig sein, regionale Relativchornologiesysteme zu erarbeiten. Für BaLISminK seien zur besseren Orientierung folgende 14 Horizonte vorgeschlagen (vgl. Schreg 2012):

Horizont I

Spätantike und völkerwanderungszeitliche Traditionen bestimmen Horizont I. Leitformen sind Terra Nigra, Rauwandige Drehscheibenware römischer Tradition, geglättete handgemachte Feinware, handgemachte Grobwaren, sowie als Import Sigillata-Derivate,

Horizont II

Horizont II ist im Südwesten bestimmt durch die Überlieferung der merowingerzeitlichen Reihengräberfelder. Kennzeichnend sind rauwandige Drehscheibenwaren und vor allem die Knickwandkeramik. Regional sind immer noch handgemachte Waren von Bedeutung.

Horizont III

Horizont II umfasst die späte Merowingerzeit, als keramische Grabbeigaben vielerorts bereits abnahmen. Vermehrt treten Siedlungsfunde in Erscheinung. Es sind insbesondere rauwandige Drehscheibenwaren wie z.B. die Donzdorfer Ware oder - weiter östlich - die Kammstrichware, die diesen Horizont prägen.

Horizont IV

In Horizont IV (Frühmittelalter) beginnen die älteren Drehscheibenwaren. Vertreter sind die Sandige Drehscheibenware (Nordschweiz, FMa), die braune, meist rillenverzierte rauwandige Drehscheibenware bzw. rauwandige Drehscheibenware Neuhauser Art sowie die stempelverzierte Frühphase der älteren gelben Drehscheibenware.

Horizont V

Kennzeichnend ist der Typ Runder Berg der älteren gelben Drehscheibenware. Es beginnen viele der nachgedrehten Waren.

Horizont VI

Kennzeichnend ist der Typ Jagstfeld der älteren gelben Drehscheibenware sowie die Ältere graue Drehscheibenware (Kraichgau/ Oberrhein, HMa) sowie eine Vielzahl von nachgedrehten Waren.

Horizont VII

Horizont VII, das ausgehende Hochmittelalter wird durch die letzten Ausläufer der älteren gelben Drehscheibenware sowie zahlreiche nachgedrehte Waren, die bereits zur jüngeren Drehscheibenware überleiten, gekennzeichnet. Leistenränder gewinnen an Bedeutung. Außerhalb Süddeutschlands gewinnt das Steinzeug an Bedeutung.

Horizont VIII

Das frühere Spätmittelalter wird durch jüngere graue Drehscheibenware geprägt, in vielen Regionen mit schmalen Karniesrändern. Es erfolgt eine Ausdifferenzierung der Gefäßformen.

Horizont IX

Das jüngere Spätmittelalter wird durch jüngere graue und zunehmend oxidierend gebrannter Drehscheibenware geprägt, in vielen Regionen mit nun breiteren Karniesrändern.

Horizont X

Am Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit gewinnt die Glasur an Bedeutung. Es kommt die Ablösung der jüngeren Drehscheibenware durch glasierte Hafnerware (FNz). Es gibt nur noch wenig unglasierte Irdenware.

Horizont XI

Horizont XI, die frühere Neuzeit, ist geprägt durch grün und gelb glasierte Hafnerware (FNz).

Horizont XII

Horizont XII umfasst die zunehmend polychrome Bauernkeramik. Fayence und Porzellan gewinnen an Bedeutung. 17./18. Jh.


Ergänzend sollte für die jüngere Neuzeit eventuell eie weitere Differenzierung vorgenommen werden:

Horizont XIII

Moderne glasierte Hafnerware sowie vor allem Braungeschirr, Steinzeug und Steingut. - etwa seit dem 18. Jh.

Horizont IX

Bezeichnet im wesentlichen das 20. Jahrhundert, in dem Keramik durch eine Vielzahl anderer Materialien ersetzt wird, dafür jedoch zahlreiche neue technische Keramik (z.B. Isolatoren, Sanitärkeramik) auftritt.

Literaturhinweise

  • Atley 1980: S. P. de Atley, Radiocarbon Dating of Ceramic Materials: Progress and Prospects. Radiocarbon 22, 3, 1980, 987–993.
  • Barrett 2017: G. T. Barrett, Rehydroxylation (RHX) dating: Issues due to short term elevated temperature events. Journal Arch. Science Rep. 14, 2017, 609–619.
  • Casanova u. a. 2020: E. Casanova/T. D. J. Knowles/A. Bayliss u. a., Accurate compound-specific 14C dating of archaeological pottery vessels. Nature 31, 2020, 276.
  • Lobbedey 1968: U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich in Südwestdeutschland. Arb. Frühmittelalterforsch. 3 (Berlin 1968).
  • Mittelstraß 2012: T. Mittelstraß, Die Münzschatzgefäße des Mittelalters und der Neuzeit aus Bayern. Studia archaeologiae medii aevi 2 (Friedberg 2012).
  • Schreg 2012: R. Schreg, Keramik des 9. bis 12. Jahrhunderts am Rhein. Forschungsperspektiven auf Produktion und Alltag. In: Pantermehl, Heidi / Grunwald, Lutz / Schreg, Rainer (Hrsg.): Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle für Produktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts. RGZM – Tagungen 13. (Mainz 2012) 1–19