Jüngere Drehscheibenware

Aus balismink
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Unter dem Begriff der jüngeren Drehscheibenware werden verschiedene spätmittelalterliche Warenarten zusammengefasst, die jedoch oft weiträumig - bei allen weiterhin erkennbaren regionalen Keramiklandschaften - ähnliche Herstellungs- und Formenmerkmale erkennen lassen. Der Begriff wurde von Uwe Lobbedey (1968) in Abgrenzung zur "älteren Drehscheibenware" in römischen Traditionen wie etwa der Pingsdorfer Ware, der älteren gelben Drehscheibenware oder der älteren grauen Drehscheibenware geprägt. Er verwies dabei etwa auf Änderungen des Gefäßformenspektrums und das weite Ausgreifen über das ehemals römische Territorium hinaus.


Charakteristika

Jüngere Drehscheibenware, Freiburg: ältere und jüngere Ausprägung.

Im allgemeinen ist ein harter bis sehr harter Brand kennzeichnend. Ob oxidierend oder reduzierend gebrannt wurde ist regional unterschiedlich, im allgemeinen überwiegen graue und dunkelbräunliche Farbtöne. Gegenüber den älteren Drehscheibenwaren wie der älteren gelben Drehscheibenware und der älteren grauen Drehscheibenware zeichnet sie sich durch ein breiteres Spektrum an Gefäßformen aus. Zu den klassischen Töpfen treten nun Grapen, Bügelkannen, Flaschen und Vierpassgefäße. Vielfach löst die jüngere Drehscheibenware nachgedrehte Waren ab, wobei regionale Traditionen festzustellen sind.

In vielen Regionen tritt bei den jüngeren Drehscheibenwaren seit dem 12., insbesondere aber im 13. bis 15. Jahrhundert der Karniesrand auf. Er ist charakteristisch für Töpfe und ggf. für Henkeltöpfe, kann aber auch an Schalen, wie z.B. der gekehlten Karniesrandschalen auftreten.


regionale Ausprägungen der jüngeren Drehscheibenware

Einerseits weissen die jüngeren Drehscheibenwaren im Formenbestand sehr weiträumige Ähnlichkeiten auf, andererseits lassen sich aber weiterhin regionale Warenarten bzw. Ausprägungen differenzieren.

Überregional sind bestimmte Randformen, wie z.B. der Karniesrand vorhanden, der vom Karpathenbecken bis Ostfrankreich zu finden ist. Im Formenbestand sind neben einfachen Töpfen auch Formen wie die Bügelkanne oder der Vierpaßkrug großräumiger anzutreffen.

Kulturgeschichte

Die jüngere Drehscheibenware ist eine Massenware, die im Kontext der hoch- und spätmittelalterlichen Urbanisierung ältere Produktions- und Distributionsweisen ablöst. Bemerkenswert sind die über weite Bereiche Mitteleuropas ähnlichen formalen Ausprägungen, wie etwa der Karniesrand. Für die Keramik der frühen Neuzeit ist der Begriff der jüngeren Drehscheibenware forschungsgeschichtlich bedingt nicht mehr üblich, hier spricht man dann eher von unglasierter Irden- oder Hafnerware.

Literaturhinweise und Einzelnachweise

  • Gross 1991: U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und Schwäbischer Alb. Bemerkungen zur räumlichen Entwicklung und zeitlichen Gliederung. Forsch. u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 12 (Stuttgart 1991). - doi: 10.11588/artdok.00005858
  • Klápště 1998: J. Klápště, Die Anfänge der jüngeren mittelalterlichen Keramik in Böhmen als kulturhistorisches Problem. Arch. rozhl. 50, 1998, 138–156.
  • Lobbedey 1968: U. Lobbedey, Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich in Südwestdeutschland. Arb. Frühmittelalterforsch. 3 (Berlin 1968).
  • Schreg 1997: R. Schreg, Keramik aus Südwestdeutschland. Eine Hilfe zur Beschreibung, Bestimmung und Datierung archäologischer Funde vom Neolithikum bis zur Neuzeit. Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (Tübingen 1997). bes. 226-234.